"Volpone" bringt Geschichten von Hamburgs Obdachlosen auf die Bühne
"Volpone" ist ein über 400 Jahre altes Theaterstück des britischen Dramatikers Ben Jonson über menschliche Gier. In der Immanuelkirche auf der Veddel verwebt das Ensemble des Deutschen Schauspielhauses das Stück mit Geschichten von Hamburger Obdachlosen. Doch Fiktion und Realität finden nicht recht zueinander.
Harald und Markus haben ihre Geschichten von der Straße dem Deutschen Schauspielhaus erzählt - persönliche Erlebnisse, die in das Theaterstück eingeflossen sind. "Wir haben gewisse Storys aus unserem Leben erzählt, und die wurden dann in das Stück integriert", sagt Harald. Er selbst hat 16 Motorräder zu Schrott gefahren - ein Bild dafür, wie schnell das Leben aus der Spur geraten kann.
Markus: "Ich wünsche jedem, dass er von der Straße runterkommt"
Die beiden wissen, wie hart das Leben auf der Straße sein kann. Harald sagt: "Ich kenne viele, da sind Geschichten dabei, da kriegt man Tränen in die Augen. Das ist schon knallhart." Und Markus, der selbst drei Jahre obdachlos war, betont: "Ich wünsche jedem, dass er von der Straße wieder runterkommt. Und dass die Leute, die das jetzt sehen, die Botschaft auch weitertragen."
Mitten in der ehemaligen Immanuelkirche auf der Veddel, wo das Langzeitprojekt New Hamburg zuhause ist, steht ein golden angestrichener Boxring. Fünf Ensemblemitglieder des Deutschen Schauspielhauses umkreisen den Boxring am Anfang, wie Mönche mit Kapuzen über den Köpfen. Oder sind es Boxer und Boxerinnen kurz vor ihrem Kampf? Das Leben als Überlebenskampf? Wahrscheinlich ist es so gemeint.
Obdachlose erzählen auf Videoscreens
Die fünf stellen ihre Körper und Stimmen zur Verfügung, um die Geschichten der obdachlosen Menschen zu erzählen. Markus, Harald, Doro, Frank, Isabel und andere tauchen auf einem Videoscreen auf. Gemeinsam mit den Bühnen-Profis fantasieren sie sich in ein 400 Jahre altes Stück hinein, ein Stück über die menschliche Gier: "Volpone".
Auf jeden Fall: Zigarren! Also wenn ich ihn mir vorstelle, stell ich ihn mir auch vor mit so dicken, haarigen Fingern und so Goldringen … aus: "Volpone - oder der Kampf ums Überleben"
Da geht es um einen steinreichen Kaufmann, der noch reicher werden will. Er simuliert eine tödliche Krankheit - und lässt die Schmeichler antanzen, mit Geschenken und Gefälligkeiten.
Schmerzhaft real: Berichte von Hinz&Kunzt-Zeitungsverkäufern
Das Stück spielt mit Lügen und falscher Moral. Darin: Lars Rudolph als Volpone im schneidigen Smoking mit Fliege. Die anderen tanzen an, erniedrigen sich, und in diese Texte hineingewoben sind die Geschichten der obdachlosen Menschen. In den guten Momenten des Abends wird das manchmal schmerzhaft real, wenn die Wirklichkeit der Hinz&Kunzt-Zeitungsverkäufer und -verkäuferinnen aufscheint.
Manchmal wird man auf der Straße angegangen, weil einem die Titelseite nicht gefällt, das gehört dazu, ist sowas wie Berufsrisiko. aus: "Volpone - oder der Kampf ums Überleben"
Es ist ein sehr bemühter Theaterabend, dem man die gute Absicht in jeder Sekunde ansieht und der einfach nicht in den Fluss kommt. Eike Weinreich hat das Stück als Balanceakt zwischen Fiktion und harter Wirklichkeit inszeniert. Aber leider verbinden sich die beiden Ebenen nicht.
Gemischte Reaktionen beim Publikum
Auch das Publikum reagiert gemischt. "Es wirkte auf mich durchsichtig und gewollt, ich hatte das Gefühl, dass ich schon von Anfang an alles verstanden hatte", erzählt ein Zuschauer. Ein anderer dagegen findet: "Als theaterpädagogisches Projekt war das doch sehr lobenswert." Ein dritter Besucher zieht ein rundum positives Fazit: "Mir hat der Abend sehr gut gefallen, das war wirklich das wahre Leben."
Was wirklich ans Herz geht, sind die Videos mit den obdachlosen Menschen selbst: Ganz ohne Voyeurismus bekommt hier jede und jeder einen eigenen Raum. Harald hat einen Wunsch: "Dass das hier Kreise zieht und dass vor allen Dingen Obdachlose anders behandelt werden!"
"Volpone" bringt Geschichten von Hamburgs Obdachlosen auf die Bühne
Die Produktion des Deutschen Schauspielhauses verwebt Geschichten von der Straße mit einem 400 Jahre alten Stück über menschliche Gier.
- Art:
- Bühne
- Datum:
- Ort:
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Immanuelkirche Veddel
Wilhelmsburger Str. 73
20539 Hamburg
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