Blick aufs Bayreuther Festspielhaus auf dem Hügel mit Wagner-Statue im Vordergrund © picture alliance / BREUEL-BILD Foto: Juri Reetz

Streit um den Begriff "Führer" bei den Bayreuther Festspielen

Stand: 14.09.2022 18:56 Uhr

Bei den Richard-Wagner-Festspielen in Bayreuth hat sich eine Personaldebatte entsponnen: Es geht um die Leiterin der Festspiele, Katharina Wagner. Ein Gespräch mit Florian Zinnecker, Journalist bei der "Zeit".

Herr Zinnecker, bringen Sie uns aufs Laufende, weil uns das hier im Norden gar nicht erreicht hat. Es geht unter anderem um einen Streit mit dem Wagner-Dirigenten Christian Thielemann und um das Wort "Führer".

Florian Zinnecker: Das stimmt. Ich bin ein wenig neidisch, dass Sie verschont geblieben sind von diesem Streit, denn ich halte ihn für einen riesengroßen Blödsinn. Der Streit ist vor der diesjährigen Festspieleröffnung entbrannt, also im Hochsommer. Es ging darum, dass ein Besucher der Generalprobe der Oper "Lohengrin" sich an die Lokalzeitung gewandt hatte, weil ihm aufgefallen ist, dass das Wort "Führer" im dritten Aufzug von Lohengrin zweimal gesungen wird. Das ist auch nicht verwunderlich, denn dieses Wort steht so in der Partitur, das ist von Richard Wagner persönlich da reinschieben worden. Der Zuschauer hatte das Gefühl, das gehe so aber nicht, und der "Nordbayerische Kurier" hat das Thema groß gemacht. Die Aufregung ist dann ein bisschen verpufft.

Und jetzt hat Christian Thielemann das Ganze in einem Interview mit der "Welt" noch mal selber aufgegriffen, weil Katharina Wagner, so sagt Thielemann, den Sänger der Hauptpartie angewiesen hat, das Wort "Führer" durch "Schütze" zu ersetzen, weil die Festspiele eine Nazi-Vergangenheit haben und da gehe das Wort "Führer" nicht mehr. Darüber wird nun gestritten.

Katharina Wagner ist einst angetreten, um die Festspiele zu erneuern. Eine gewisse Achtsamkeit könnte Teil so einer Erneuerung sein, oder?

Zinnecker: Ja, das hat sie auch gemacht. Sie ist schon seit 2008 im Amt. Es ist viel Gutes in dieser Zeit passiert und wenig, was man ihr konkret vorwerfen könnte. Nun ist es so, dass ihr Vertrag 2025 endet. Die Gremien, die dafür zuständig sind, zu entscheiden, ob sie weitermachen soll oder nicht, haben sich diese Entscheidung fürs kommende Jahr auf die Tagesordnung gesetzt. Mein Eindruck ist aber - und dazu trägt dieser Streit, der sehr vehement in den Feuilletons geführt wird, bei - dass das nicht nächstes Jahr entschieden wird, sondern dass das jetzt verhandelt wird.

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Da geht es um den großen Christian Thielemann, mit dem sie ein Zerwürfnis habe. Gibt es denn noch andere Dinge, die an ihr kritisiert werden?

Zinnecker: Es gibt jede Menge Kritikpunkte. Sehr viele davon sind letztlich Geschmacksfragen. War "Der Ring des Nibelungen", der in diesem Sommer neu inszeniert worden ist, gut oder ist das gescheitert? Wie gut oder schlecht ist die Stimmung im Haus? Das sind alles Sachen, die am Ende natürlich der Chefin angekreidet werden, die aber an vielem nicht alleine Schuld ist. Die einzige Sache, die man ihr ankreiden könnte, wenn man denn etwas suchte, ist dieser Streit mit Thielemann. Christian Thielemann hat sehr viele Fans im Stammpublikum der Festspiele. Auch Georg von Waldenfels, der Chef des Verwaltungsrates der Festspiele, also des wichtigsten Gremiums, ist ein erklärter Anhänger von Thielemann. Georg von Waldenfels war mal bayerischer Finanzminister und verdingt sich seither als Kulturfunktionär. Er ist der mächtigste Freund von Thielemann und der einflussreichste Gegner von Frau Wagner. Es sieht mir sehr danach aus, als hätte er jetzt den Moment gefunden, um einmal öffentlich gegen Frau Wagner auszuholen.

Ist das noch Streit und Debatte? Oder sieht es eher schlecht aus für Katharina Wagner?

Zinnecker: Ich habe das zusammen mit meiner Kollegin Christine Lemke-Matwey im Sommer vor den Festspielen recherchiert und unser Eindruck war damals, dass es in den Gremien tatsächlich nicht viele Mitglieder gibt, die sich ausdrücklich für Katharina Wagner aussprechen. Es will nun aber auch niemand derjenige sein, der sie aus dem Festspielhaus jagt, weil sie die Urenkelin von Richard Wagner und somit die letzte Nachkommin ist und das Ende der Dynastie dann eingeläutet würde. Und das will natürlich niemand gewesen sein.

Haben Sie eine Ahnung, was man inhaltlich möchte, was die Ausrichtung werden soll?

Zinnecker: Es gibt zwei Strömungen, und das ist gerade genau der Streit. Es gibt das Lager Katharina Wagners, die konzeptionell für eine Öffnung im weitesten Sinne strebt, die immer wieder hochinteressante und umstrittene Regisseure holt und die Lust an der Idee pflegt - ich will es mal positiv formulieren. Und dann gibt es das eher konservative Lager, das sagt, es sei eigentlich eher die Musik wichtig und nicht die Regie. Ich bin gespannt, wie das ausgeht.

Das Gespräch führte Mischa Kreiskott.

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Journal | 14.09.2022 | 17:15 Uhr

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Oper

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