Schottergärten: Steine über Steine
Die unter Schottergärten versiegelten Flächen bieten wenig Raum für Pflanzen und damit weder Nahrung noch Unterschlupf für Insekten. Und: Sie heizen die Umgebung unnötig auf. Hannover will deshalb jetzt "Schotter-Sheriffs" losschicken.
Der Garten: Sinnbild einer tradierten Sehnsucht nach einem Ort, an dem es paradiesisch ist. Der Garten Eden, die hängenden Gärten von Córdoba, der verzauberte, der geheime Garten. Bauerngärten, Gemüsegärten, Schrebergärten, Mini-Gärten, Urban Gardening, der Vorgarten.
Stein, Stein und noch mehr Stein
Was macht man mit diesem Stück Hausfortsatz zur Straße hin? Pflegeleicht soll es sein, wie die Kleidung. Möglichst keine Arbeit manchen und ordentlich aussehen. Nicht herumkrauten und immer weiter wachsen. Kontrolle muss her. Und die besteht aus Stein, Stein, Stein und Stein - mal klein, mal groß, mal hell, mal dunkel. Bunt darf er auch sein, einzig es muss Stein sein in dieser Welt - darf nicht Pflanze, darf nicht nicht-Stein sein.
"Was man jemandem sagen muss, ist, dass das Ganze nicht funktioniert!" Jörg Pfenningschmidt ist seit über 25 Jahren Staudengärtner aus Leidenschaft. Der studierte Historiker plädiert für mehr Aufklärung in Sachen Schottergärten: "Da herrscht der Trugschluss, dass ich einen Bereich geschaffen habe, von dem ich wirklich sagen kann: Hier wächst nichts. Und dann muss man sich einfach nur mal eine Frage stellen: Jedes Jahr macht die Deutsche Bahn zwei Durchgänge mit einem Herbizid, um das Schottergleisbett frei zu bekommen von Unkraut."
"Es gibt keinen Ort auf der Welt, wo keine Pflanzen wachsen."
"Der Hubschrauber kreist, die Schotterer rücken an. Mehrere Hundert junge Leute, die meisten in weißen Maleranzügen, traben über eine Wiese. Ihr Ziel: Die Bahnschienen jenseits der Landstraße."
Keine Sorge, das ist nicht die wahr gewordene Vision einer Pro-Schottergarten-Guerillatruppe. "Schottern" hatte vor knapp elf Jahren noch eine ganz andere Bedeutung, als die Schotterer ausrückten, um dem Castortransport den Weg so schwer wie möglich zu machen.
Aber zurück zu Jörg Pfenningschmidt und dem Schotter im Vorgarten, der - wie er sagt - die ersten Jahre ganz gut aussieht, aber dann kommt das Unkraut: "Dann habe ich genau das Gegenteil von dem, was ich eigentlich haben wollte. Ich habe absolut keine Kontrolle mehr darüber. Es gibt keinen Ort auf der Welt, wo keine Pflanzen wachsen. Das muss man sich klarmachen", erklärt er. "Auch auf Schotterflächen wachsen Pflanzen. Es dauert ein bisschen länger. Wenn sie dann da sind, sind das natürlich die ganz, ganz harten. Das sind diejenigen, die es so richtig geschafft haben und die habe ich dann flächenmäßig im Vorgarten. Viel Spaß!"
Schottergärten werden von alleine verschwinden
Dennoch sieht man sie allenthalben, die mit Schotter, Kies, Steinchen, Glas etc. gefüllten Vorgärten. Fast könnte man meinen, sie seien ein stummer Protest gegen eine Gesellschaft, die immer mehr Forderungen an den Einzelnen stellt.
Und jetzt? Jetzt soll kontrolliert werden. Ob das was bringt? Jörg Pfenningschmidt hält das für kontraproduktiv und auch gar nicht nötig, denn: "fünf, sechs Jahre, dann hat sich das Thema erledigt. Dann werden die in den Vororten anfangen, den ganzen Käse wieder rauszureißen. Dann werden die Nachbarn das sehen und feststellen: Oh! War wohl doch keine gute Idee. Es wird sich dadurch erledigen, weil es einfach schlecht ist. Schlecht gemacht. So einfach ist das."