Das war 2021: Rückblick auf das Kirchenjahr
Für die Kirchen gilt nach dem unruhigen Jahr 2021: Vieles ist im Fluss. Darin liegt auch Hoffnung, meint Florian Breitmeier, Leiter der NDR Redaktion Religion und Gesellschaft.
Das Jahr geht, das Virus bleibt. Die Corona-Krise als nervige Konstante. Gefühlt leben wir in einer Art Dauerschleife. Corona, ein aufwühlendes Wellenmeer, von dem wir uns permanent untergeduckt fühlen. Der Wunsch so vieler: Einfach mal den Kopf heben aus allzu rauer See. Einen Überblick gewinnen, zurückblicken, ausblicken. Etwas erblicken jenseits des unübersichtlichen Augenblicks, des unsteten Wellengangs.
Austrittswelle nur durch Lockdown abgeflacht

So war es auch für die Kirchen ein aufwühlendes Jahr. Die Austrittswelle flachte zwar ab, aber wohl nur weil Standesämter und Amtsgerichte im Lockdown nicht geöffnet hatten. Für das abgelaufene Jahr 2021 rechnen Experten mit massiv gestiegenen Austrittszahlen. Es gibt ja vor allem zwei Optionen, auf stürmischen Wandel zu reagieren: Schutzdämme aufschütten oder Segel setzen, entdecken oder verteidigen.
Etwas Neues haben die Kirchen beim Ökumenischen Kirchentag gewagt. Das lang geplante Christentreffen in Frankfurt fiel wegen Corona nicht einfach ins Wasser, sondern wurde als Online-Event durchgezogen. Dem digitalen Kirchentag fehlte zwar die mitreißende Dynamik eines Christentreffens in der Stadt. Gleichwohl gab es hoffnungsvolle Signale. Durch die wechselseitige Einladung zum Abendmahl und zur Eucharistie - trotz des scharfen Gegenwindes aus dem Vatikan - wurde in Frankfurt ein Kurs eingeschlagen, der nach vorne weist.
Enttäuschung und Ratlosigkeit bei reformorientierten Katholiken
So soll es nach dem Willen der allermeisten Teilnehmerinnen und Teilnehmer auch beim Synodalen Weg sein, dem Reformprozess in der katholischen Kirche als Reaktion auf den Missbrauchsskandal. Doch derzeit spricht wenig dafür, dass die katholische Weltkirche allzu forsch Neuland betreten wird: bei der Segnung gleichgeschlechtlicher Paare, bei Weiheämtern für Frauen, bei verbindlichen Kontrollmechanismen klerikaler Machtausübung.
Viele reformorientierte Katholiken hat Franziskus in diesem Jahr enttäuscht oder ratlos zurückgelassen. Ohne nähergehende Begründung wurden die Rücktrittsgesuche der Erzbischöfe von München und Hamburg im Zusammenhang mit der Aufarbeitung von Fällen sexualisierter Gewalt nicht angenommen. Den Kölner Erzbischof schickte Franziskus zunächst in eine sechsmonatige Auszeit. Ausgang: offen.
Frust gab es vor allem bei den von sexualisierter Gewalt Betroffenen. Das neue Modell der katholischen Kirche zur finanziellen Anerkennung des erlittenen Leids kann viele nicht überzeugen, für die es doch beschlossen wurde. Eine konsequente Kurskorrektur schließt die Kirche bei diesem Thema bislang aus. Es gilt wohl das Prinzip "Institutioneller Schutzdamm".
Missbrauchsskandal: Massive Kritik bei EKD-Synode
Auf der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland hagelte es massive Kritik, auch weil ein Betroffenenbeirat im Frühjahr kurzerhand aufgelöst worden war. Die neu gewählte EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus erklärte, das Thema mit ihrer Stellvertreterin, der Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs, zur Chefinnensache zu machen. Bald zwölf Jahre ist der Missbrauchsskandal in beiden Kirchen alt.
Mit einem Festakt hatte im Februar die große Gedenkveranstaltung "1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland" begonnen. Bis zum Juni soll es bundesweit weitergehen. Deutlich wurde schon, wie sehr die jüdische Kultur ein fester und bereichernder Bestandteil der Kultur hierzulande ist.
Islamkolleg in Osnabrück: ein Meilenstein
Beispielgebendes gab es aus Niedersachsen: Im Sommer wurde das Islamkolleg in Osnabrück eröffnet. Dort werden künftig muslimische Geistliche ausschließlich in deutscher Sprache sowie unabhängig, verbandsübergreifend und auf Grundlage westlicher Werte ausgebildet. Ein Meilenstein nicht nur für die muslimische Gemeinschaft.
Es ist nicht so, dass sich nichts bewegt hätte in der gefühlten Dauerschleife des zweiten Corona-Jahres. Vieles ist im Fluss. Doch genau in diesen wechselvollen Verhältnissen zeigt sich auch konstante Verlässlichkeit und ein gutes Stück Hoffnung. Weil eben nichts so beständig ist wie der Wandel. Im natürlichen Lauf der Zeit gibt es keine Dauerschleifen. Und das macht Mut: Kopf hoch, auf ein Neues!
