Hubert Wolf, Professor für Kirchengeschichte an der Uni Münster und Seminardirektor © Catrin Moritz
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AUDIO: Vor der Papst-Wahl: "Dieses Mal ist es sehr unübersichtlich" (6 Min)

Konklave: Wird der neue Papst eher Reformer oder Politiker?

Stand: 07.05.2025 11:28 Uhr

Der Kirchenhistoriker Hubert Wolf erforscht seit vielen Jahren die Archive des Vatikans. Im Interview spricht er über das heute beginnende Konklave und welche Rolle der Umgang mit den Missbrauchsskandalen bei der Papstwahl spielt.

Im Gespräch verdeutlicht Wolf, wie komplex und vielschichtig das bevorstehende Konklave ist. Trotz der Geheimhaltung bestehen verschiedene Einflüsse und Überlegungen, die das Wahlergebnis beeinflussen könnten. Ganz zentral sei die Frage der Balance zwischen einem politisch oder innerkirchlich orientierten Papst, sowie der Umgang mit Skandalen und Reformprozessen innerhalb der Kirche.

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Schwarzer Rauch quillt aus dem Schornstein der Sixtinischen Kapelle während des Konklaves zur Wahl eines neuen Papstes im Vatikan. © Andrew Medichini/AP/dpa Foto: Andrew Medichini

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Herr Wolf, worauf werden Sie in den kommenden Tagen achten, wenn Sie das Konklave beobachten?

Hubert Wolf: Für mich wird es jetzt schwierig, auf etwas zu achten, weil diese Wahl - anders als die Wahl eines Bundeskanzlers - eine geheime Wahl ist und wir nicht erfahren, wie die einzelnen Wahlgänge genau ausgegangen sind. Das einzige, was wir draußen erfahren, ist: schwarzer Rauch, es hat nicht geklappt - weißer Rauch, es hat geklappt. Insofern sind meine Beobachtungen für die Wahl schon abgeschlossen.

Was glauben Sie, wie lange es dauern wird? Wie viele Tage, wie viele Wahlgänge wird es brauchen?

Wolf: Ich bin kein Prophet, sondern Historiker. Aber ich kann aus dem Blick in die Geschichte sagen, dass ich davon ausgehen würde, dass es diesmal ein wenig länger geht, dass es also nicht schon in einem oder zwei Tagen einen Papst gibt. Das hängt damit zusammen, weil sich in den Versammlungen des Vorkonklaves gezeigt hat, dass sich die Kardinäle noch nicht so richtig kennen. Sie sind sehr disparat, kommen von den Enden der Welt und mussten sich jetzt erst einmal kennenlernen.

Außerdem gibt es diesmal kein richtiges Renner-Thema wie beim letzten Mal. Bei der letzten Wahl war klar: Benedikt XVI. hat die Kurie nicht im Blick, also brauchen wir einen, der mal aufräumt, einen von außen, einen, der nicht vom System korrumpiert ist. Das ist dieses Mal überhaupt nicht der Fall. Überraschenderweise spielt die Kurie keine Rolle. Es gibt natürlich die üblichen Versuche von rechts und links, um die Gegenseite zu diskreditieren. Der angebliche Schwächeanfall des ehemaligen Kardinalstaatssekretärs Parolin, der von rechten Gruppen gepostet wurde, war ein Versuch, einen Kandidaten rauszuschießen - nichts Ungewöhnliches. Dieses Mal ist es wirklich sehr, sehr unübersichtlich.

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Es sind aber nicht nur die Kämpfe zwischen rechts und links oder Reformern und Konservativen. Was sind die Themen, die Einflüsse, die Zwänge, unter denen die Kardinäle im Moment inhaltlich stehen?

Wolf: "Rechts" und "links" sind natürlich schwierige Kategorien. Es gibt im Konklave nicht so wie im Bundestag Parteien und Fraktionszwang, sondern es geht nach wie vor darum: Wie geht die Kirche mit dem Thema Missbrauch um? Die Aufarbeitung ist nicht befriedigend, und ohne Glaubwürdigkeit kann die Kirche Glauben nicht verkünden und kann auch der Papst seine moralische Autorität in diesen Weltkrisen nicht entsprechend einbringen.

Dann ist eine ganz entscheidende Frage: Wählt man einen eher politischen Papst oder einen eher innerkirchlichen? Johannes Paul II., den wir als einen konservativen, innerkirchlichen Mann im Nachhinein wahrnehmen, war 1978 eine dezidierte politische Wahl. Man hat gesagt: Wir brauchen angesichts der sowjetischen Panzer, die Richtung Polen marschieren, einen Mann, der den Kommunismus aus Polen kennt, und der bereit ist, sich da hinzustellen, damit die Sowjets ihn abknallen. Deshalb hat man einen innerkirchlich konservativen, aber politisch ganz weit vorne Stehenden gewählt.

Insofern wird es jetzt darauf ankommen: Will man die Reformen von Franziskus, die nur Stückwerk waren, fertig machen? Oder brauchen wir jemanden, der da innerkirchlich ein bisschen Ordnung reinbringt? Oder ist angesichts dieser großen Krisensituation, der schlimmsten Zeit 1945, nicht doch ein politischer Papst das Entscheidende? Und dann spielen Geschichten eine Rolle wie: Kommt er aus Afrika, aus Lateinamerika oder doch aus Italien?

Welche Rolle werden geografische Gegebenheiten spielen? Wie sehr drängen zum Beispiel Europäer drauf, Einfluss zurückzugewinnen? Wie sehr wollen Asiaten, Lateinamerikaner, Afrikaner den Eurozentrismus in der katholischen Kirche weiter mindern?

Wolf: Da wir Gottseidank - anders als bei der Wahl eines Bundeskanzlers - eine Zweidrittelmehrheit brauchen, wird niemand, egal, ob es die Menschen aus dem globalen Süden sind oder die Europäer, ohne die Stimmen der anderen seinen Kandidaten durchbringen. Deshalb glaube ich nicht, dass das die entscheidende Frage ist. Nach dem Polen, dem Deutschen und dem Argentinier ist jetzt eigentlich alles möglich. Aber Zweidrittel heißt - und deshalb bin ich ein Fan von Zweidrittelmehrheiten: Am Ende muss man sich auf einen Kandidaten einigen, der den globalen Süden mit Europa verbindet. Ich wünsche mir einen in diesem Sinn katholischen Papst - katholisch heißt ja: umfassend, also das Ganze integrierend.

Das Gespräch führte Keno Bergholz.

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