Roman "Der Duft des Wals": Bitterböse Satire im Urlaubsresort
Die schönste Zeit des Jahres, das ist für viele Menschen der Urlaub. So soll es auch für eine Familie im Roman "Der Duft des Wals" von Paul Ruban sein. Aber: Dann liegt da plötzlich ein Wal am Strand von Mexiko - gestrandet und verendet.
Was für ein Anblick. Der kanadische Tourist Hugo steht an einem mexikanischen Strand - und sieht einen Wal:
Ein Blauwal. Ich gehe zögernd auf seinen Körper zu. Um ihn herum liegen große, schleimige Stücke seiner Eingeweide, die in der aufgehenden Sonne funkeln. Ein langer Riss an der Seite zeigt sein höhlenartiges Inneres. Und plötzlich dieser Geruch - stechend und ranzig. Leseprobe
Wie das arme Tier so ein Ende nehmen konnte, das verrät der Roman nicht. Sein Geruch, ja eher Gestank, bleibt aber ein Thema. Hugo und seine Familie sind nach Mexiko in ein schickes Hotelresort gekommen. Die Eltern wollen eigentlich ihre Ehe retten, die Tochter will den ganzen Tag nichts anderes als zeichnen. Und all das nun in diesem Odeur der Verwesung.
Ein Roman für Fans von "The White Lotus"
Ein Angestellter, der in der Nähe des Pools herumläuft (…) kommt auf mich zu, geht am Beckenrand in die Hocke und öffnet seine Brieftasche. Nach kurzem Kramen holt er schließlich eine (…) Nasenklammer heraus (…) klemmt mir den Gummiclip sanft, aber ungefragt auf die Nase. (…) Ich lasse es zu und erröte bis zu den Ohren. Leseprobe
So beschreibt Hugos Frau Judith ihre erste Begegnung mit einem Hotelangestellten, die im weiteren Verlauf noch viel intimer werden wird. Eine Ehe wird in diesem Urlaub sicherlich nicht gerettet. Das Buch erzählt den Aufenthalt im Hotelresort aus vielen Perspektiven. Die westlichen Touristen: dekadent; die Angestellten: clever. Wer die derzeitige Erfolgsserie "The White Lotus" mag, der ist hier genau richtig.
"Ich denke, Humor ist eine Möglichkeit, der Absurdität der Welt zu widerstehen. (…) Es scheint, je älter ich werde, je mehr ich die Welt um mich herum beobachte, desto weniger kann ich sie ernst nehmen", sagte Autor Paul Ruban der kanadischen Zeitung "La Presse". Das Absurde zu beobachten, das gelingt ihm ganz hervorragend.
Lesenswerter Roman voller schräger Details
Es ist ein witziger Roman geworden, mit vielen schönen, schrägen Details. Der Hotelchef zum Beispiel hat selbst gar keinen Geruchssinn. Also schickt er seinen Mitarbeiter einkaufen. Der heißt ausgerechnet Waldemar und soll etwas gegen den Gestank unternehmen. Die mexikanischen Mitarbeitenden ertragen, was ihnen der Chef aufträgt. Aber auch, was die Touristen aus dem reichen Norden, den USA und Kanada, ihnen alles zumuten. Die wiederum sind mit ihren eigenen Problemen beschäftigt, machen sich lächerlich. So wie Hugo, der sich mit einer Animateurin zum Sex verabredet, weil seine Frau ihn ja ignoriert.
Ein Teil von mir möchte (…) gern die Wahrheit sagen, ihr von dem bevorstehenden Schäferstündchen mit einer anderen erzählen. Um sie eifersüchtig zu machen. Aber ich befürchte, dass es ihr vollkommen egal wäre, (…) mit einem Gähnen murmeln würde: "Vergiss das Kondom nicht." Leseprobe
Auf schlanken 220 Seiten breitet Paul Ruban ein Panorama der Egotrips aus. Die Naturkatastrophe vor der Tür ignorieren alle. Was sie selbst wollen, ist wichtiger. Eine bitterböse Satire, die aber nicht zu schwarz wird. So ist es sehr lesenswert.
Der Duft des Wals
- Seitenzahl:
- 223 Seiten
- Genre:
- Roman
- Zusatzinfo:
- Aus dem Englischen von Jennifer Dummer
- Verlag:
- Aufbau
- Bestellnummer:
- 978-3-351-04253-0
- Preis:
- 22 €
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