Frauenfußball: Interesse steigt nicht nur wegen Finaleinzug
Die Fußballnationalmannschaft der Frauen steht im Finale der Europameisterschaft. Heute geht es gegen England um den Titel. Doch wie steht es eigentlich um das öffentliche Interesse und die Wahrnehmung von Frauenfußball in der Gesellschaft?
Durchschnittlich über 12 Millionen Menschen haben am vergangenen Mittwochabend live im ZDF verfolgt, wie sich die DFB-Frauen im Halbfinale der EM gegen Frankreich durchgesetzt haben. Fast die Hälfte aller Fernsehzuschauer an diesem Abend hatte damit das Fußballspiel eingeschaltet. Die Übertragung erreichte die höchste Reichweite eines EM-Spiels der Frauen im deutschen Fernsehen aller Zeiten.
Das Wembley-Stadion ist ausverkauft. Frauenfußball kommt langsam aus der Nische: Zuschauerrekorde und hohe Einschaltquoten. Die Soziologin Nina Degele von der Uni Freiburg ist allerdings skeptisch: "Die wichtigste Erkenntnis steckt im Begriff: Es gibt Fußball und es gibt Frauenfußball. Von daher hören Sie schon, was das Normale und was die Abweichung ist."
Frauen-Teams sind Teil einer Professionalisierung
Immerhin, ein bisschen was habe sich getan in Sachen Anerkennung. Degele führt das auf verschiedene Faktoren zurück: zum einen die Professionalisierung der Frauenteams, inklusive moderner Trainingsmethoden und besserem Marketing: "Die klassischen Frauenfußballvereine wie der 1.FFC Frankfurt, sind von den größeren Vereinen - man kann schon fast sagen von den traditionellen Muttervereinen - wie Eintracht Frankfurt, geschluckt worden. Die sind nicht mehr eigene Frauenvereine, sondern sind Gesamtvereine. Deswegen sind die Frauen Teil einer Professionalisierung und haben mehr Möglichkeiten. Nicht die gleichen, aber mehr Möglichkeiten."
Der Wandel gehe erstaunlicherweise nicht von den etablierten Frauenfußball-Ländern aus, wie etwa Norwegen und Deutschland. Vielmehr hätten andere nachgezogen. Darunter sind die Niederlande, England und Spanien, so die Beobachtung von Degele. Die Frauen des FC Barcelona etwa spielten vergangene Saison zweimal vor mehr als 90.000 Fans. In Deutschland dagegen muss man Kneipen suchen, in denen die Spiele der Frauen gezeigt werden.
Frauen-Nationalteam muss härter um Anerkennung kämpfen
Unterm Strich müsse das Frauen-Nationalteam auch viel härter um Anerkennung kämpfen: "Entscheidend ist: Wenn sie nicht erfolgreich sind, sind sie weg vom Fenster. Die Männer können auch schlecht spielen. Das ist trotzdem nach wie vor die Nationalsportart. Das bleibt so, auch wenn die Männer schlecht spielen."
So blieb etwa ein Hype bei der Heim-WM 2011 nach dem Ausscheiden im Viertelfinale aus. Gleichzeitig habe man beim DFB in der Außendarstellung alles für einen Imagewechsel getan: Weg vom vermeintlichen Lesbenverein hin zu weiblichen, sexy Frauen - auch optisch, so Degele: "Wenn man sich das jetzt anschaut, haben alle lange Haare und Pferdeschwänze - kurze Haare sieht man kaum noch. Von daher hat sich dieses Bild von Frauenfußball sehr stark gemainstreamed zu der üblichen Anerkennungsform von Frauen."
Aktueller Erfolg trägt Früchte
Im Vergleich zum Männer-Sport bleibt Frauenfußball für die Wissenschaftlerin das Stiefkind - doch der aktuelle Erfolg trägt Früchte. Das beobachtet auch Doreen Strasdas aus dem Leitungsteam der NDR-Sportredaktion: "Das Interesse an dieser EM nimmt wirklich rasant zu. Die Online-Angebote bei sportschau.de werden sehr intensiv genutzt. Das Schöne an den Zuschauerreaktionen ist, dass sie wirklich durchwegs begeistert und positiv sind."
Beim Finale wird auch Bundeskanzler Olaf Scholz im Publikum sitzen: Auch das ist ein wichtiges Zeichen für die Anerkennung der sportlichen Leistung.