Die gezähmte Natur: Gartenkunst in den Herrenhäuser Gärten
Seit Februar ist Anke Seegert Direktorin der Herrenhäuser Gärten in Hannover. Im Interview spricht sie über die Geschichte der Gärten und wie sie versucht, die Gärten vor dem Buchsbaumsterben zu retten.
Frau Seegert, die Geschichte der Herrenhäuser Gärten beginnt um 1700 herum, mit Herzog Ernst August. Aber wer hatte damals das Heft in der Hand, er oder eher seine Frau Sophie von der Pfalz?
Anke Seegert: Sophie von der Pfalz. Das war ja so eine Botanikerin und pflanzenverliebte Frau. Sie hat schon in Osnabrück, bevor sie in Hannover gewohnt haben, ganz viel mit Pflanzen experimentiert und viele davon von ihren Reise mitgebracht. Sie war schon eine echte "Gärtnerin".
Und auch eine richtige Pflanzenzüchterin?
Seegert: Ob sie eine Züchterin war, das weiß ich nicht. Aber sie hat versucht, sie auf ihrem Balkon und in ihrem Garten zu kultivieren und pflegen zu lassen. Ob sie gezüchtet hat, weiß ich nicht, aber sie war auf jeden Fall sehr pflanzenverliebt und auch gartenaffin.
Wenn Sie als Direktorin auf Ihr "Reich" schauen, was beglückt Sie da besonders?
Seegert: Auf der einen Seite das ganze Formale, dieser großherrschaftliche Garten, den wir auch "Großer Garten" nennen. Dieser Garten zeigt, was Menschen damit machen. Das sieht natürlich imposant aus auf diesen Metern. Auf der anderen Seite ist es aber auch diese Vielfalt im Botanischen Garten - das finde ich total schön. Dann habe wir noch einen Landschaftspark zum Schlendern. Dieses Gartenensemble in der Gänze zu leiten, ist einfach toll.
Was für Baustellen gibt es im Moment in den Gärten - sowohl konzeptionell, als auch ganz praktisch bei Ihrer Arbeit?
Seegert: Konzeptionell bauen wir ein neues Ausstellungshaus, um die Menschen noch mehr von diesen Gärten zu begeistern. Das ist ein Zukunftsprojekt bis 2024. Meine große Baustelle ist auch: Wie schaffen wir es, diesen Garten vor dem Buchsbaumsterben zu retten? Ein Barockgarten ohne Buchsbaum ist nicht wirklich ein Barockgarten. Insofern ist das eine ganz große Herausforderung.
Woran liegt das Buchsbaumsterben?
Seegert: Wir haben Pilze, die den Buchsbaum schädigen, bis zum Absterben. Wir haben auch tierische Schädlinge, einen kleinen Schmetterling, dessen Raupen die Blätter auffressen.
Um 1700 waren die klimatischen Bedingungen anders als heute. Könnte das auch Auswirkungen auf die Buchsbäume haben?
Seegert: Ob der Klimawandel mit dem Buchsbaumsterben einhergeht - das weiß ich nicht. Wir verwenden den Buchsbaum auch völlig falsch. Der steht in der Sonne auf kalkhaltigen Böden, und normalerweise würde er beschattet stehen, irgendwo im Wald, wo es auch viel kühler ist. Ich glaube, dass das Problem ein bisschen hausgemacht ist. Auch der Schmetterling ist natürlich hausgemacht - das könnte allerdings schon mit Klimawandel zusammenhängen, weil es den eigentlich nur jenseits der Alpen gab, und durch die Klimaerwärmung fühlt er sich jetzt auch hier wohl und kommt auch sehr gut durch den Winter. Nur mit den Pilzen bin ich mir nicht so sicher. Ich glaube, wir schwächen ihn einfach zu sehr, und da hat der Pilz dann leichtes Spiel.
Wie wägen Sie bei einem Garten mit so einer Tradition ab: mit Erhaltung dessen, wie es ursprünglich geplant war, und mit einer wichtigen Anpassung ans Heute?
Seegert: Wir versuchen, den Buchsbaum so lange wie möglich zu erhalten. Wir haben zusammen mit der Landwirtschaftskammer Niedersachsen ein ganz gutes Monitoring und im Moment gelingt uns das ganz gut. Wir sind auf der Suche nach besseren Sorten, die pilzresistenter sind - und auch da sind wir auf einem guten Weg. Wenn das alles nicht mehr geht, dann müssen wir über Alternativen nachdenken. Das geht ganz eng mit der Denkmalpflege Hand in Hand, dass man dann Ersatzsorten sucht, Ersatzarten oder sogar Ersatzgattungen also jetzt ein Beispiel.
In vielen öffentlichen Parks und Gärten passieren Dinge, die manche Menschen auch ärgern. Es werden Stellen wild gelassen, Wildwiesen spielen wieder eine Rolle. Haben Sie auch am Rande vielleicht solche Aufgaben, die ganz direkt den Naturschutz betreffen?
Seegert: Das ist uns eine Herzensangelegenheit. Wir haben den Landschaftspark, den wir mit unterschiedlichen Mähtkonzepten pflegen: Bereiche, die intensiv bespielt werden, wo Bürger*innen ihr grünes Wohnzimmer finden, werden öfter gemäht. Es gibt aber auch Randbereiche, die wir extra hoch wachsen lassen, um die Artenvielfalt zu stärken: dass möglichst viele Insekten dort schlüpfen und dort auch überleben können.
Das Gespräch führte Mischa Kreiskott.
