Bild mit Papst Benedikt XVI. in einer Kirche © Lennart Preiss/dpa Foto: Lennart Preiss
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AUDIO: Benedikt XVI.: Papst und Paradies (4 Min)

Benedikt XVI.: Papst und Paradies

Stand: 01.01.2023 10:54 Uhr

Josef Ratzinger hat Kirchengeschichte geschrieben - als Theologe und Papst, findet Florian Breitmeier, der Leiter der Redaktion Religion und Gesellschaft. Ein Nachruf.

von Florian Breitmeier

Das Leben und die Glaubenshoffnung eines Menschen können sich manchmal in wenigen Sätzen verdichten. Josef Ratzinger ist das passiert, vor zehn Jahren beim Weltfamilientreffen in Mailand. Ein kleines Mädchen hatte den Papst gefragt: wie das denn gewesen sei, als er klein war mit seiner Familie?

Benedikt XVI. erzählte von seinen Eltern und Geschwistern, von der Liebe, vom Vertrauen, auch davon wie erfüllend es sein kann, sich Zeit für Gott zu nehmen, den Sonntag zu feiern: Gottesdienstbesuch, gemeinsames Essen und Musizieren, der Spaziergang im Wald. Ein ganzer theologischer Kosmos tat sich auf: Natur, Kultur, Tradition, Mensch, Gott.

 

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Maßstäbe für das Führungs- und Amtsverständnis der Kirche gesetzt

Josef Ratzinger hat Kirchengeschichte geschrieben - als Theologe und Papst. Sein Amtsverzicht 2013 war der revolutionäre Schritt eines Erzkonservativen, der nicht mehr die Kraft hatte, das stürmische Schiff der Kirche durch die tosenden Wellen der Zeit zu navigieren und das ehrlich zugab. In diesem Moment war Benedikt XVI. so schwach und zugleich so stark wie nie. Denn durch seinen überraschenden Rücktritt hat er auch weltliche Maßstäbe an das Führungs- und Amtsverständnis der römisch-katholischen Kirche angelegt. Das Papstamt ist dadurch menschlicher geworden.

Die Weltkirche im Blick

Bereits als Dogmatik-Professor hatte er die Weltkirche im Blick. Als theologischer Berater des Kölner Kardinals Josef Frings nahm er am Zweiten Vatikanischen Konzil teil. Nicht wenigen galt er damals als moderner Gelehrter, der die Zeichen der Zeit für seine Kirche erkannt zu haben schien - und zudem als Christ sprachfähig war gegenüber einer säkularer werdenden Welt.

Doch je mehr Joseph Ratzinger in der katholischen Amtskirche Karriere machte, desto entschiedener arbeitete, schrieb und predigte er gegen den Gedanken an, dass der Heilige Geist auch als Zeitgeist wehen kann, wo er eben will. Da wurden viele Denkräume wieder geschlossen, die er noch als junger Konzilstheologe zu öffnen versucht hatte.

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"Mozart der Theologie" und "Panzerkardinal"

Als Glaubenspräfekt und Papst war ihm das Zeitgemäße nur noch suspekt, sah er darin doch vor allem eine haltlose Beliebigkeit, die die für ihn ewigen Wahrheiten bedrohlich in Frage stellte. Er nannte das die Diktatur des Relativismus. Im Bewahren und Verteidigen lehramtlicher Positionen konnte er auch schroff sein und Kritiker maßregeln. Den evangelischen Christen sprach er ab, eine Kirche zu sein. Es waren auch schwierige Jahre für die Ökumene hierzulande.

Es gibt aber nicht dieses klare, eindeutige Bild von Joseph Ratzinger. Für die einen war er ein "Mozart der Theologie", der begnadet über Gott, Jesus und das Christentum sprechen und noch poetischer schreiben konnte. Andere hefteten ihm dauerhaft das Image eines "Panzerkardinals" an, verantwortlich für einen enormen Reformstau, der die römisch-katholische Kirche im 21. Jahrhundert zerreißen könnte.

 

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Überzeugt von der Güte und Liebe Gottes

Anfang 2022 musste er sich nach der Veröffentlichung des Münchner Missbrauchsgutachtens noch einmal scharfe Kritik anhören. Er reagierte mit einem persönlichen Brief, aber konsequent einsichtig mit Blick auf eigene Fehler während seiner Zeit als Erzbischof in München zeigte er sich nicht. Da lag sein historischer Rücktritt schon neun Jahre zurück. Seitdem lebte er weitestgehend zurückgezogen in einem ehemaligen Kloster in den Vatikanischen Gärten.

Im Sommer 2020 reiste er ein letztes Mal in die bayerische Heimat, um sich von seinem todkranken Bruder zu verabschieden. Da sein, selbst wenn es ganz schwer ist. Geschont hat sich Joseph Ratzinger auch in anderen Situationen nicht. Das verdient Respekt. Stets war er davon überzeugt, dass sich im Mitmenschen die Güte und Liebe Gottes zeige. Das sagte er 2012 auch dem kleinen Mädchen, das ihn beim Weltfamilientreffen in Mailand nach seiner Kindheit gefragt hatte.

 

Glaube an einen Anfang nach dem Ende

Benedikt wusste, dass die irdische Zeit für jeden Menschen endlich ist. Aber er glaubte fest daran, dass an diesem Ende auch ein neuer Anfang wartet. Und so endete seine Antwort hoffnungsvoll: "Um die Wahrheit zu sagen, ich stelle mir das Paradies wie meine Kindheit vor", sagte er. Und weiter: "In einer Umgebung des Vertrauens, der Freude und der Liebe waren wir glücklich, und ich glaube, dass es im Paradies ähnlich sein muss. In diesem Sinne hoffe ich darauf, nach Hause gehen zu können."

 

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Klassikboulevard | 01.01.2023 | 14:20 Uhr

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