Jazz – Round Midnight
Freitag, 13. Mai 2022, 23:30 bis
00:00 Uhr
Eine Sendung von Ralf Dorschel
"Niemand sonst sah die Sachen, die Gil sah." - Mag ja sein, dass Miles Davis nicht allzuviele tiefe Freundschaften pflegte, doch das Verhältnis zu Gil Evans war genau das: eine lebenslange Freundschaft. Schon ganz früh in beider Karriere waren sie sich begegnet – beide auf der Suche nach neuen Pfaden fernab vom vorherrschenden Bebop-Idiom.
Und sie lernten voneinander: Der kanadische Arrangeur wusste so unendlich viel von den Klangfarben seiner Ensembles, von den Wechselwirkungen beim Einsatz ungewohnter Instrumentengruppen. Und der US-Trompeter definierte nicht nur die Rolle des primum-inter-pares in diesen Ensembles - er kannte auch den Wert der Stille und der Atempausen.
Gil Evans und Miles Davis schufen Meilensteine der Jazzgeschichte.
Gemeinsam erarbeitete man "The Birth of the Cool" und gut zehn Jahre später drei Alben, die weit über den Jazz hinaus zu den Meisterwerken des 20. Jahrhunderts zählen: "Miles Ahead", "Porgy and Bess" und "Sketches of Spain". Doch diese Alben waren nicht die Werke eines Superstars. Zu weit jenseits des Mainstreams waren Gil Evans' Bahnen zuvor verlaufen, zu schwer ließ sich katalogisieren, was der schlaksige weiße Kanadier da inmitten von Jazz-Größen wie Miles Davis, aber auch Charlie Parker, Max Roach, Gerry Mulligan und Lee Konitz schuf.
Gil Evans live in der Fabrik Hamburg
Und auch diese drei Großwerke verschafften dem ewig zögernden und hadernden und grübelnden Evans nicht gleich einen Platz im Rampenlicht. Das geschah erst in den frühen Siebzigern, als der Kanadier ein neues Abenteuer, eine neue Suche, begann. Diesmal ging es ihm um die Verschränkung seines Sounds mit elektronischen Texturen.
Es war der Anfang einer späten Karriere mit zahlreichen Alben und Tourneen. Immer wieder vertonte er Jimi Hendrix-Songs, brachte seine Band mit Pop-Star Sting zusammen und war endlich mal an einem ungewohnten Ort: mitten im Rampenlicht.
"Gil holte Dinge and die Oberfläche, die wir sonst niemals gehört hätten"
Ein ganz typisches Jazz-Quartett war Gil Evans stets zu klein, eine Bigband aber viel zu sperrig in der Pflege. Gil Evans schuf große Kunst mit ganz kleinen Orchestern. Round Midnight rund um den Pianisten, Komponisten und Arrangeur, der 1988 im Alter von 75 Jahren gestorben ist. Miles Davis würdigte den toten Freund: "Gil tauchte in die Musik ein und holte Dinge an die Oberfläche, die wir niemals sonst gehört hätten."