Das Sonntagskonzert
Sonntag, 06. März 2022, 11:00 bis
13:00 Uhr
Poulencs "Animaux modèles" und Prokofjews "Aschenbrödel" entstanden fast zu gleicher Zeit und unter ähnlichen Bedingungen; beide Ballette haben außerdem französische Überlieferungen zur Grundlage. Poulenc baute sein Szenario auf Fabeln von La Fontaine auf; das "Aschenbrödel" - Libretto beruht auf Charles Perraults Version des Märchens, das in vielen Sprachen erzählt wurde.
Subtiler Widerstand
Poulenc schrieb seine Ballettmusik 1940 bis 1942 während der deutschen Okkupation, die Premiere fand am 8. August 1942 an der Pariser Opéra statt. Und niemand merkte, dass der Komponist ein antideutsches Liedchen in die Partitur eingebaut hatte! Auch mit dem Stoff ging Poulenc ging bewusst auf Distanz zur Kollaborationsregierung in Vichy: er siedelte die Handlung im 17. Jahrhundert an, denn "keine andere Geschichtsepoche war spezifischer französisch".
Russisches Märchenballett
Nach dem Erfolg von "Romeo und Julia" erhielt Sergei Prokofjew vom Leningrader Kirow-Theater den Auftrag zu einer neuen Ballettmusik. Ein fertiges Libretto zum "Aschenbrödel"-Stoff lag vor. Nach dem Überfall deutscher Truppen auf die Sowjetunion unterbrach der Komponist die Arbeit am Ballett zugunsten patriotischer Werke, doch 1944 war die Partitur vollendet, im Folgejahr wurde der abendfüllende
Dreiakter am Moskauer Bolschoi-Theater uraufgeführt. Dmitri Schostakowitsch lobte das Stück; für ihn stand es "in der glanzvollen Tradition des russischen Balletts". Die Dirigentin Marie Jaquot hat einzelne Nummern daraus zu einer Suite arrangiert.
Bitterböse Aneignung
Was bei Poulenc eine kleine Pointe blieb, machte Schostakowitsch in seinem ersten Cellokonzert zum Prinzip. Das virtuose, hintersinnige Werk, längst ein Liebling der internationalen Cello-Elite, gewann seine unverwechselbare Eigenart überwiegend aus Zitaten und Anspielungen: einem Gassenhauer, einem ostjüdischen Freilach und einem georgischen Liebeslied, das Stalin besonders liebte. Schostakowitsch kleidete es allerdings in ein ruppiges Gewand.
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