Legendärer Frachtsegler: Die "Passat"
Sie ist eine maritime Legende - obwohl sie seit mehr als einem halben Jahrhundert nicht mehr über die Meere segelt: Die Viermastbark "Passat" ist der einzige in Deutschland verbliebene Flying-P-Liner - jene legendäre Reihe von Frachtseglern der Hamburger Reederei F. Laeisz, deren Namen allesamt mit einem P begannen und die vor allem für den Getreide- und Salpeterhandel mit Südamerika gebaut wurden. Auf der ganzen Welt waren die Schiffe berühmt für ihre Schnelligkeit und Zuverlässigkeit.
Wahrzeichen Travemündes: Die "Passat"
Jungfernfahrt um das Kap Hoorn
Am 20. September 1911 lief die "Passat" bei der Hamburger Werft Blohm + Voss vom Stapel. Drei Monate später, am Heiligabend, startete die Viermastbark zu ihrer Jungfernfahrt von Hamburg um das Kap Hoorn nach Valparaiso in Chile. Sie erwies sich als schneller Segler, die mit Geschwindigkeiten von bis zu 18 Knoten mit der zunehmenden Dampfschiffahrt konkurrieren konnte.
Mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs saß die Viermastbark im Hafen von Iquique in Chile fest. Erst 1921 kehrte sie nach Europa zurück und gelangte als Reparationsleistung in den Besitz Frankreichs. Der französische Staat hatte keine Verwendung für das Segelschiff, und so kaufte die Reederei F. Laeisz ihr Schiff zurück und setzte es erneut in der Salpeterfahrt ein.
Dramatisch verliefen die Jahre 1928 und 1929: Am 28. August 1928 kollidierte die "Passat" auf dem Ärmelkanal mit einem französischen Dampfer, nur acht Monate später erneut mit einem britischen Dampfschiff. Beide Unfälle überstand sie mit Beschädigungen, konnte aber nach kleineren Reparaturen in Rotterdam wieder in See stechen.
Unter finnischer Flagge
Schlimmer traf es die Reedereri Laeisz: Die anhaltende Wirtschaftskrise zwang das Unternehmen, einen Teil seiner berühmten Flying-P-Liner zu verkaufen. 1932 ging die "Passat" in den Besitz des finnischen Reeders Gustaf Erikson über und transportierte fortan Weizen von Australien nach Europa. Ab 1944 lag sie in Stockholm als Getreidespeicher vor Anker, eine letzte Reise unter finnischer Flagge führte das Schiff 1947 noch einmal nach Australien und zurück. Anschließend diente die "Passat" wie ihr Schwesterschiff "Pamir" als Lagerraum.
Im Dezember 1950 sollten die beiden P-Liner in Antwerpen abgewrackt werden. Doch der deutsche Kapitän Helmut Grubbe, der selbst einmal auf der "Passat" gearbeitet hatte, setzte sich dafür ein, die beiden Schiffe zu Segelschulschiffen umzubauen und überzeugte den deutschen Reeder Heinz Schliewen von seiner Idee.
Das zweite Leben der "Passat"
Und so wurde die "Passat" ab 1951 umgebaut und modernisiert, dabei erhielt sich auch einen Diesel-Hilfsmotor. Im Februar 1952 stach sie als frachttragendes Segelschulschiff mit 54 Kadetten an Bord zu ihrer ersten Reise in See, die sie nach Südamerika führte. Doch schon im Dezember 1952 war nach der zweiten Reise wieder Schluss: Die Reederei Schliewen war Konkurs gegangen, die "Passat" wurde in Kiel aufgelegt und 1954 zwangsversteigert.
Untergang der "Pamir" und Beinahe-Katastrophe auf der "Passat"
Eine Stiftung übernahm die beiden Schwesterschiffe. Fünf weitere Reisen nach Argentinien und Uruguay unternahm die "Passat" in den darauffolgenden Jahren. 1957 dann der große Schock: Die "Pamir" ging in einem schweren Sturm unter, 80 der 86 Besatzungsmitglieder fanden den Tod. Nur wenige Wochen später entging auch die "Passat" knapp einer Katastrophe, als in einem Orkan die Ladung verrutschte. Mit 50 Grad Schlagseite lief das Schiff Lissabon als Nothafen an und konnte nach einem Umladen nach Hamburg weitersegeln. Dort wurde sie endgültig ausgemustert - die Zeit der frachtfahrenden Segelschiffe war vorbei.
Travemündes Wahrzeichen
1959 kaufte die Hansestadt Lübeck das Schiff. Am Priwallufer in Travemünde ging die "Passat" 1960 endgültig vor Anker, die Segel wurden verkauft. Sie ist heute das schwimmende Wahrzeichen des Osteebades und dient als Museumsschiff, Jugendherberge und maritime Kulisse für Trauungen. Nur ein einziges Mal hat die "Passat" seit 1960 ihren Liegeplatz verlassen: 1997 wurde sie in Lübecker Flender Werft für rund 3,7 Millionen Euro saniert. Schlepper zogen sie ein Jahr später zurück nach Travemünde, Zehntausende säumten das Ufer und begrüßten das betagte Schiff. Rund 350.000 Euro kostet der Erhalt des 115 Meter langen Windjammers jährlich, ein Betrag, der sich aus Spenden und durch die Stadt Lübeck finanziert.
