Russisches Gas: Wie können wir uns unabhängig machen?
Wie kann man es schaffen, sich vom russischen Gas, von russischem Öl und russischer Kohle unabhängig zu machen? Fragen an die Energie-Ökonomin Claudia Kemfert.
Frau Kemfert, seit fast fünf Wochen wütet der Krieg in der Ukraine. Was bedeutet dieser Krieg für Sie aus Energiesicht?
Claudia Kemfert: Aus Energiesicht bedeutet es, dass wir - wie wir schon sehr lange sagen - möglichst rasch von fossilen Energien aus Russland unabhängig werden müssen. Wir sind noch immer sehr abhängig: Über 50 Prozent unseres Gases, auch der Steinkohle beziehen wir aus Russland und über 30 Prozent des Öls. Das ist eine gefährliche Abhängigkeit, das wussten wir schon in der Vergangenheit. Deswegen muss es jetzt darum gehen, dass wir möglichst schnell wegkommen von diesen Energielieferungen aus Russland. Auf zwei Wegen geht das gut: Einerseits, dass man aus anderen Ländern Gas, Öl und Kohle bezieht. Das Andere ist, dass wir unsere heimischen Energieträger, insbesondere die erneuerbaren Energien, setzen, sie schneller ausbauen und alles dafür tun, dass wir mehr Energie einsparen.
Sie haben in Interviews gesagt: "Dies ist ein fossiler Krieg." Was macht Kohle, Öl, Gas im Krieg so gefährlich?
Kemfert: Wir sind inmitten eines fossilen Energie-Kriegs. Gefährlich daran ist, dass wir schon seit Jahrzehnten sehr viel Geld an Russland, an Putin überweisen. Das hat die Kriegskasse gut gefüllt. Aus diesem Grund müssen wir schnell davon wegkommen und mit diesem Russland keine Geschäfte mehr machen. Gefährlich macht es auch, dass es nicht nur eine einseitige Abhängigkeit ist: Wir beziehen große Mengen von fossiler Energie aus Russland, aber Russland ist auch sehr abhängig von den Einnahmen von uns, von Europa insbesondere, weil wir viel Geld dafür bezahlen. Deswegen ist es wichtig und auch richtig, dass wir so schnell wie möglich umsteuern.
Stichwort Geld: Könnte russisches Gas künftig in Rubel bezahlt werden, sollten wir uns darauf einlassen?
Kemfert: Wir sollten uns nicht darauf einlassen, denn wir haben bestehende Verträge. Da ist eine Währung angegeben und in der sollten wir auch bezahlen. Russland will den Rubel stärken. Das ist eine Folge der Sanktionen, dass Russland wirtschaftlich mehr und mehr geschwächt wird und deswegen diesen Hebel ziehen will. Darauf sollte man sich aber nicht einlassen, sondern wir sollten bei den Sanktionen bleiben und gleichzeitig alles dafür tun, dass wir künftig immer weniger Geld nach Russland überweisen, indem wir sehr schnell von fossiler Energie wegkommen.
Was passiert, wenn Putin selbst derjenige ist, der das Gas abdreht? Ist Deutschland hinreichend darauf vorbereitet?
Kemfert: Wir müssen uns auch auf diese Situation einstellen, weil es nicht unmöglich ist, dass Russland dies selber tut und wir dann nur noch reagieren können. Wir sind mittlerweile ausreichend vorbereitet, indem wir schon einiges dafür tun, dass wir von den einseitigen Lieferungen wegkommen. Aber über 50 Prozent des Gases können jetzt nicht mal eben schnell aus anderen Quellen bezogen werden. Was wir so schnell wie möglich tun müssen, ist, dass wir Gasbezüge, diversifizieren und aus Norwegen, aus Holland oder anderen Ländern um uns herum mehr beziehen.
Das Zweite ist, dass wir Energie einsparen müssen. Das geht nicht schnell, gerade weil wir Gas für die Wärme nutzen. Deswegen ist es so wichtig, dass möglichst viele beginnen, die Gasheizung, wenn sie alt ist, so schnell wie möglich auszutauschen, auf jeden Fall keine neue mehr einzubauen und energetisch zu sanieren. Das ist wirklich sehr dringend, dass wir das schnell hinbekommen.
Setzt die Bundesregierung da auch die richtigen Prioritäten?
Kemfert: Die Bundesregierung hat jetzt wenige Wochen Zeit gehabt, diesen energiepolitischen Fehlkurs der letzten Jahrzehnte zu beheben - zumindest die schlimmsten Auswirkungen. Das tut sie wacker und mit viel Energieeinsatz. Es geht auf jeden Fall in die richtige Richtung, dass wir Gas aus verschiedenen Quellen beziehen müssen. Aber ich würde mir wünschen, dass wir noch viel stärker den Hebel des Energiesparens voranbringen würden. Es geht darum, dass wir gerade im Gebäudebereich mehr tun müssen, um Gas einzusparen. Da muss die Bundesregierung einerseits informieren, aber auch dafür werben und vor allen Dingen auch finanzielle Unterstützung geben. Da würde ich mir wünschen, dass da noch mehr kommt.
Was kann denn jeder Einzelne tun? Der sogenannte Autofreie Sonntag war ja auch eine Aktion, die problemlos umgesetzt werden konnte. Wären solche Ideen sinnvoll?
Kemfert: Ja, alle Ideen sind gut. Der Autofreie Sonntag gehört dazu, oder das Tempolimit, was auch relativ schnell zumindest einen Teil der Ölbezüge mindern könnte. Das energetische Sanieren hatte ich schon erwähnt - das geht natürlich nicht so schnell. Aber die Heizung um zwei Grad herunterzudrehen, das ginge auch. Alles, was wir tun können, um fossiles Erdgas und Öl einzusparen, ist absolut richtig: Homeoffice nutzen, mit der Bahn oder mit dem Fahrrad fahren oder auf Elektromobilität umsteigen. Jegliche Optionen sind gut, egal, was wir machen - es darf nur keinen fossilen Energieverbrauch bedeuten.
Das Interview führte Claudia Christophersen.
