Vorwürfe gegen Volpi - Krise beim Hamburg Ballett weitet sich aus

Stand: 13.05.2025 17:08 Uhr

Es gibt neue Vorwürfe gegen Demis Volpi, den Nachfolger von John Neumeier als Leiter des Hamburg Balletts. Diesmal kommen sie aus Düsseldorf - wo Volpi zuvor tätig war. Dem NDR liegt exklusiv ein Brief der dortigen Tänzerinnen und Tänzer vor. Auch dort soll ein Klima der Angst geherrscht haben.

Der Brief aus Düsseldorf ist eine Solidaritätsbekundung mit den Hamburger Tänzerinnen und Tänzern - aber nicht nur das. In dem Brief untermauern 17 derzeitige und ehemalige Tänzer aus Düsseldorf die Kritik am neuen Hamburger Ballettchef. Volpi, der vier Jahre lang in gleicher Funktion am Rhein tätig war, habe auch dort ein Arbeitsumfeld geschaffen, das von "inkonsequenter Kommunikation, mangelnder Transparenz und einer Atmosphäre der Angst und Unsicherheit geprägt war".

"Für viele wurde die Erfahrung nicht nur entmutigend, sondern auch traumatisch, was sich negativ auf ihr Selbstvertrauen, ihre Motivation und ihr allgemeines Wohlbefinden auswirkte", heißt es in dem Brief an Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda (SPD) weiter.

Ballettindentant Demis Volpi in schwarzer Kleidung lehnt in einem Theater Foyer an einer holzgetäfelten Wand © Kiran West Foto: Kiran West
AUDIO: Krise beim Hamburg Ballett - neue Vorwürfe aus Düsseldorf (4 Min)

Vorzeitige Abgänge auch in Düsseldorf

Die Arbeitsatmosphäre sei so belastend gewesen, dass auch beim Ballett am Rhein langjährige Tänzerinnen und Tänzer vor Ablauf ihrer Verträge gekündigt hatten - dies sei ein in der Ballettszene äußerst ungewöhnlicher Vorgang. Eine Tänzerin aus Düsseldorf erzählte NDR 90,3, dass Volpi - im Gegensatz zu seinem Auftreten in der Öffentlichkeit - oft sehr laut und unangenehm werden könne.

Zwar sage er gerne, das seine Tür immer offen stehe, aber wenn man sich dann bei ihm mit Kritik gemeldet habe, dann sei man sehr schlecht behandelt und nicht mehr besetzt worden. Hinter verschlossenen Türen, unter vier Augen, sei er dann sehr abwertend mit Tänzerinnen und Tänzern umgegangen, so die Tänzerin aus Düsseldorf.

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Vorwürfe decken sich mit der Kritik aus Hamburg

Auch in Hamburg hatten kürzlich fünf der elf Ersten Solisten gekündigt - und mehr als die Hälfte der Ballettcompagnie einen Brandbrief an Brosda, in dem sie von einem "toxischen Arbeitsklima" berichteten, unterzeichnet.

Die Düsseldorfer Tänzerinnen und Tänzer wollen ihren Brief vor allem als Anstoß zu einer Debatte verstanden wissen: "Wir hoffen, dass unsere Stimmen zu einer breiteren Diskussion über die Verantwortung und Erwartungen an Personen in einflussreichen kulturellen Positionen beitragen können."

Ballettindentant Demis Volpi in schwarzer Kleidung lehnt in einem Theater Foyer an einer holzgetäfelten Wand © Kiran West Foto: Kiran West
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Kulturbehörde überrascht, aber um Aufklärung bemüht

Von den jetzt erhobenen Vorwürfen aus Düsseldorf zeigte sich die Hamburger Kulturbehörde überrascht: Weder die Findungskommission noch der Senator hätten davon Kenntnis gehabt, teilte ein Sprecher auf NDR Anfrage mit: "Demis Volpi wurde im Gegenteil von mehreren Seiten sehr empfohlen und seine erste Saison am Hamburg Ballett verlief sehr erfolgreich. Insofern überraschen die Vorwürfe, die wir sehr ernst nehmen. Selbstverständlich müssen wir aber versuchen, die Vorwürfe zunächst intern aufzuklären." 

Volpi, der sich zu den neuen Vorwürfen vorerst nicht äußern will, hatte zum Beginn der laufenden Saison die Leitung des von John Neumeier zu Weltruhm gebrachten Hamburg Ballett übernommen - nach 51 Jahren. Bei seiner ersten Premiere in Hamburg "The Times Are Racing" hatte Volpi Stehende Ovationen vom Hamburger Publikum bekommen.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Der Morgen | 13.05.2025 | 10:05 Uhr

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