Carsten Brosda, Senator für Kultur und Medien in Hamburg, im Porträt. © dpa Foto: Jonas Klüter

Carsten Brosda über die Zukunft der Theater und Orchester

Stand: 29.10.2021 17:10 Uhr

Der Bundesverband der Theater und Orchester, der Deutsche Bühnenverein, hat sich am Donnerstag zur Jahreshauptversammlung in der Hamburger Staatsoper zusammengefunden. Ein Gespräch mit dem Präsidenten Carsten Brosda.

Herr Brosda, bei der letzten Jahreshauptversammlung sind Sie zum Präsidenten gewählt worden - nun also die erste unter Ihrer Führung: Harmonisch oder hitzig - wie ist es gestern zugegangen?

Carsten Brosda: Harmonisch, aber sehr konzentriert. Das war auch das erste Treffen mal wieder in der großen Runde. Die letzte Jahreshauptversammlung in Hannover, bei der ich gewählt worden bin, war ja überwiegend digital und es waren nur wenige Menschen tatsächlich im Raum.

Das tat schon gut, weil wir große Themen auf der Tagesordnung hatten, etwa eine neu Satzung oder einen überarbeiteten Kodex. An den Themen ist in den vergangenen Monaten sehr intensiv gearbeitet worden und es ist immer schön, wenn man das denn gemeinsam zu einem Ergebnis bringen kann.

Ein Kernthema war der sogenannte wertebasierte Verhaltenskodex - Leitlinien, die der Bühnenverein 2018 verabschiedet hat, um Machtmissbrauch und sexueller Belästigung den Kampf anzusagen. Sie hatten angekündigt, diesen mit Leben füllen zu wollen. Inwieweit ist das gelungen?

Brosda: Naja, im ersten Schritt ihn mal zu erweitern und auf die Höhe der Zeit zu bringen. Wir haben in Oldenburg, als wir im Verwaltungsrat zusammensaßen und den 175. Geburtstag des Bühnenvereins miteinander begangen haben, vereinbart, dass wir uns den Kodex, angesichts der vielen Debatten, die wir im letzten Jahr über Vorfälle an Theatern und Bühnen gehabt haben, noch mal angucken wollten. Denn er umfasst nicht alles, weil er 2018 eine Reaktion auf die #MeToo-Debatte war und wir noch ganz andere Themen haben, die an den Bühnen auch eine Rolle spielen können wie an jedem anderen Arbeitsplatz auch. Viele Diskriminierungsfragen, von Rassismus bis hin zur Gestaltung von Arbeitsstrukturen und dergleichen mehr. Insofern haben wir uns in einem halben Jahr sehr intensiv angeguckt, welche Themen uns wichtig sind für eine solche ethische Übereinkunft. Die haben wir mit der völligen Neufassung des wertebasierten Verhaltenskodex beschlossen. Und jetzt geht es mit dem Zielpunkt Jahreshauptversammlung in Oldenburg im kommenden Juni daran, daraus einen Werkzeugkasten zu entwickeln, mit dem wir die Umsetzung befördern wollen. Was muss ein Träger tun, dem ein Theater gehört, damit sich die Theaterleitung entsprechend um diese Themen kümmert? Wie kann ich das im Betrieb vereinbaren? Welche Schulungsangebote müssen wir entwickeln? Das wird eine Riesenaufgabe sein, die wir vor uns haben. Insofern war das zwar ein wichtiger Beschluss, aber ein Zwischenschritt in einem Prozess, der weitergeht.

Ein Anliegen in der Vergangenheit war, die paritätische Besetzung aller Gruppenvorstände und Gremienpositionen in absehbarer Zeit umzusetzen. Wie weit sind Sie damit gekommen?

Brosda: De facto haben wir das schon an vielen Stellen in der Vergangenheit gemacht. Und wir haben das auch in die neue Satzung reingeschrieben. Tatsächlich haben die Gruppen jetzt zwei Vorsitzende, und wir haben die Parität dort auch festgeschrieben. Das ist gut und richtig und auch notwendig, um das Signal nach außen zu setzen, dass das hier die Repräsentanz eines sehr lebendigen Teils unseres kulturellen Lebens ist.

Natürlich sind Sie um das Thema Corona nicht herumgekommen. Die Debatte ums Impfen, die Frage nach 2G, 3G - das sind Themen, die die Veranstaltungsbranche stark beschäftigen. Welche Position nehmen Sie hier als Verband ein?

Brosda: Es zeigt sich in so einem Thema, dass der Verband auch ein Forum ist, in dem man sich austauschen kann, weil es - wie überall in der Gesellschaft - zu diesen Fragen nicht nur eine Position gibt. Es gibt Häuser, die schon sehr früh die 2G-Regel eingeführt haben. Es gibt andere, die finden, dass solche Regelungen Ausschluss betreiben. Wir haben so unterschiedliche Positionen in diesem Feld, dass wir an der Stelle vor allen Dingen den Austausch organisieren und ein bisschen von den Erfahrungen mit den jeweiligen Modellen berichten können. Die allermeisten stellen fest, dass immer weniger der Besucherinnen und Besucher mit einem Testergebnis kommen und immer mehr mit einem Impf- oder Genesungsnachweis, und wir insofern in eine sichere Struktur hineingehen, was das angeht. Aber wir können da keine Resolution fassen - außer der Resolution, dass wir uns alle einig sind, dass je mehr und je schneller sich Menschen in unserem Land impfen lassen, wir uns der Normalität auch des kulturellen Lebens wieder widmen können, weil wir irgendwann einen so hohen individuellen Schutz durch die Impfung haben, dass wir keine pandemischen Ausbrüche mit Konsequenzen erleben müssen, wie wir sie in anderthalb Jahren leider allzu häufig gesehen haben.

Hier in Hannover gibt es die Aktion #rettedeintheater. Da geht es um die Spielstättenförderung, die zum Teil nicht verstetigt wird. Inwiefern war das Finanzielle ein Thema bei Ihnen?

Brosda: Es war natürlich ein Thema, wie wir jetzt aus der Pandemie eigentlich rauskommen und wo wir aktuell stehen. Das haben wir intensiv diskutiert mit Blick auf die Fragen: Kommt das Publikum wieder? Wie sind die finanziellen Möglichkeiten von Ländern und Kommunen in den kommenden Jahren, die häufig Träger von Theatern sind? Es war eine hohe Übereinkunft da, dass wir uns sehr anstrengen werden müssen, um die Relevanz kultureller Angebote dann auch überall in die Köpfe hineinzubringen, weil wir fest davon überzeugt sind, dass gerade die Bühnen, die Orchester, die Festivals in den kommenden Jahren, wenn wir als Gesellschaft eine ganze Menge zu diskutieren haben werden, uns dabei helfen können, diese Diskussionen inspiriert miteinander zu führen. Insofern sind auch die Beschlüsse zur Modernisierung des Verbandes - die Satzung oder die Beschlüsse zu der Frage, wie wir eigentlich zusammenarbeiten wollen, wesentliche Voraussetzungen dafür, dass wir jetzt selbstbewusst in eine gesellschaftliche Debatte darüber gehen können, warum es sinnvoll ist, dass Theater, Orchester und Festivals unserer Gesellschaft etwas wert sind und sich das auch in entsprechender Förderung ausdrückt. Insofern war das ein Thema, aber es war kein Angstthema, sondern es verband sich eher mit den anderen großen Aufgaben, die wir haben: Wie kriege ich das Publikum nach der Pandemie wieder? Wie gehe ich mit den Lernergebnissen um, die wir in den letzten Jahren mit digitalen Technologien gehabt haben? Wie sorge ich dafür, dass die Art und Weise, wie wir an den Bühnen produzieren, wie wir arbeiten, künftig nachhaltig und klimaneutral ist? Insofern werden wir in den nächsten Jahren große Umbrüche erleben, und für die brauchen wir die Partnerschaft der Theaterleitungen, der Orchesterleitung und der Trägerinnen und Träger, also auch der Kulturpolitik. Das geht nicht gegeneinander - das geht miteinander. Und das hinzubekommen, wird eine wesentliche Aufgabe für die nächste Strecke werden.

Das Gespräch führte Alexandra Friedrich

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Journal | 29.10.2021 | 18:00 Uhr

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