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Badeunfälle: Wie schützt man sich vor dem Ertrinken?

Stand: 12.07.2023 18:00 Uhr

Immer wieder kommt es in Seen, Flüssen und im Meer zu Badeunfällen. Viele Schwimmende unterschätzen die Tücken des Wassers. Auch ein Kälteschock kann zum Ertrinken führen.

2022 sind in Deutschland nach Angaben der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) mindestens 355 Menschen ertrunken. Rund 87 Prozent der tödlichen Unfälle ereigneten sich in Binnengewässern. Allein 147 Personen ertranken in Seen. In Meer verloren weit weniger Menschen (18) ihr Leben. Leichtsinn und Unkenntnis über Gefahren sind meist die Ursachen für die Unfälle, so die DLRG. Große Sorge bereitet den Lebensrettern, dass immer weniger Kinder sicher schwimmen können.

Kälteschock: So reagiert der Körper auf kaltes Wasser

Problematisch ist vor allem die Kälte des Wassers. Ist die Luft schon warm, das Wasser aber noch kalt, muss der Körper mit großen Temperaturunterschieden fertig werden. Das Wasser muss gar nicht besonders kalt sein. Es reichen schon Temperaturen von 12 bis 16 Grad. Vor allem in Baggerseen kann es an tiefen Stellen deutlich kühler sein als an flachen.

Bei einem Kälteschock kommt es zum Konflikt zweier natürlicher Schutzmechanismen des Körpers. Beim kompletten Eintauchen ins Wasser kann der sogenannte Tauchreflex einsetzen. Die Atmung kommt zum Stillstand, der Puls verlangsamt sich. Außerdem reagiert der Kreislauf gleichzeitig auf die Wassertemperatur. Die Kälte lässt den Puls schneller schlagen und beschleunigt die Atmung. Der Körper bekommt also zwei unterschiedliche Impulse: Im schlimmsten Fall kommt es zu einem sogenannten Konflikt des autonomen Nervensystems. Die Folge: Der Mensch schnappt unter Wasser nach Luft. Die Lunge füllt sich mit Wasser. Das Herz hört auf zu schlagen. Innerhalb weniger Minuten ertrinken Betroffene.

Badeunfälle: Ältere Menschen besonders gefährdet

Jeder Mensch kann einen Kälteschock erleiden. Menschen höheren Alters oder mit Herz-Kreislauf-Vorerkrankungen sind in kaltem Wasser besonders gefährdet. Wer an Herzrhythmusstörungen leidet, sollte nur in warmem Wasser und unter Aufsicht schwimmen gehen.

Unterschied zwischen Kälteschock und Unterkühlung

Ein Kälteschock ist nicht zu verwechseln mit einer Unterkühlung. Dabei schützt sich der Körper vor der Kälte - ohne dass es zu einem Konflikt im Körper kommt. Dies ist mit blauen Lippen verbunden, weil sich die Blutgefäße zusammenziehen. Mit Aktivität der Muskeln versucht der Körper dies auszugleichen. Deshalb zittern Betroffene. Bei einem Absinken der Körpertemperatur unter 30 Grad kann es zu einer Bewusstlosigkeit kommen. Bei schwerer Unterkühlung besteht das Risiko für Herzrhythmusstörungen, die zum Herzstillstand führen können.

Adrenalin-Ausschüttung: Gefahr des Ertrinkens

Auch wenn Schwimmen eigentlich sehr gesund ist, wird durch die Kälte Adrenalin ausgeschüttet, was zu Herzrhythmusstörungen, Bewusstlosigkeit und Herzstillstand führen kann. Und: Für den Körper ist es eine Höchstleistung, die Temperatur in kaltem Wasser längere Zeit konstant zu halten. Um die lebenserhaltenden Organe zu schützen, wird zunächst die Blutversorgung in Armen und Beinen reduziert - das kann die Beweglichkeit einschränken und so zum Untergehen führen.

Strömungen, plötzliche Tiefe: Gefahren beim Baden werden häufig unterschätzt

Badeunfälle passieren häufig, weil die Gefahren unterschätzt werden beziehungsweise nicht gleich offensichtlich sind: Wenn "stehende Gewässer" wie Baggerseen nach wenigen Metern abfallen, kann das für Schwimmende tückisch sein. Die plötzliche bodenlose und möglicherweise kalte Tiefe kann gerade für Nichtschwimmerinnen und -schwimmer gefährlich werden. Sie geraten in Panik oder erleiden einen Kälteschock.

  • Gleiches gilt für Strömungen oder Strudel in der Brandung von Meeren oder in Flüssen. Dort können Strömungen selbst gute Schwimmer kilometerweit abtreiben. Die Rettungskräfte haben in solchen Fällen keine Chance, die Abgetriebenen wiederzufinden.
  • Auch Schlingpflanzen oder Fische unter der Wasseroberfläche, die sich um die Beine von Schwimmenden legen, können Panik auslösen.
  • Bugwellen von Schiffen können am Ufer ebenfalls zu einer tödlichen Gefahr werden.

Schwimmdistanzen werden unterschätzt

Schwimmer unterschätzen häufig die Distanzen und überschätzen die eigene Leistungsfähigkeit. Sind sie einmal zu weit herausgeschwommen, haben sie bei Erschöpfung kaum noch eine Chance. Selbst erfahrene Schwimmer sind irgendwann müde und ausgekühlt. Besonders gefährlich ist das Schwimmen in fließenden Gewässern, denn dort sind die tatsächlich zu schwimmenden Distanzen, abhängig von der Fließgeschwindigkeit, um ein Vielfaches länger, als es den Anschein hat.

Baderegeln vor dem Schwimmen unbedingt beachten

Grundsätzlich gilt: Dinge, die Menschen überfordern können, sind an Land gefährlich - im Wasser aber noch viel gefährlicher. Fühlt man sich nicht gut, krank, hat zu viel gegessen, ist erschöpft oder müde, sollte man nicht ins Wasser gehen.

Frauenbeine im Meer. © Photocase Foto: Aloha Jutti
Besonders bei hohen Temperaturen sollte man vorsichtig ins Wasser gehen, um den Körper an die Kälte zu gewöhnen.

Vor dem Schwimmen gilt auch für Menschen ohne Vorerkrankungen: langsam abkühlen, damit sich der Körper an die Kälte gewöhnen kann. Erst Hände und Füße abkühlen und dann einmal untertauchen. Ist die Temperatur gut auszuhalten, kann man losschwimmen. Auch die alte Regel "Nicht mit vollem Bauch ins Wasser" sollte man unbedingt beachten. Weil der Körper nach dem Essen mit der Verdauung beschäftigt ist, kann ein plötzlicher Kältereiz zu Übelkeit und Erbrechen führen. Es besteht die Gefahr am Erbrochenen zu ersticken. Alkohol-Konsum macht unvorsichtig und schränkt die Wahrnehmung ein. Schwimmerinnen und Schwimmer sollten möglichst in überwachten Gewässern baden gehen. Dann kann man das kühle Nass auch genießen.

"Toter Mann" hilft bei Erschöpfung oder Krämpfen

Für sicheres Schwimmen in freien Gewässern sollte jeder die Position "Seestern" oder "toter Mann" beherrschen - entspanntes Liegen auf dem Rücken, bei einem ruhigen Atem ohne Kraftanstrengung. Das hilft, um auch bei Erschöpfung oder Krämpfen eine ganze Weile sicher über Wasser bleiben.

Wie erkenne ich Ertrinkende?

Häufig fällt es niemanden auf, wenn jemand kurz davor ist, zu ertrinken. Die Menschen in Not sind derart erschöpft und meistens so in Panik, dass sie nur darauf achten, ihre Atemwege freizuhalten. Bei einem Schockzustand schreit und winkt die Person außerdem nicht, da sie darauf fixiert ist, nicht unterzugehen. Das ist reflexgesteuert. Dazu kommt: Wenn Wasser eingeatmet wird, verkrampfen sich die Stimmritzen. So soll kein weiteres Wasser in die Lunge kommen. In der Folge können Betroffene nicht atmen und nicht rufen.

Folgende Anzeichen deuten darauf hin, dass eine schwimmende Person in Not ist:

  • der Kopf taucht immer wieder unter Wasser
  • Betroffene bleiben senkrecht auf einer Stelle
  • panisches Plantschen
  • Betroffene schreien nicht

Maßnahmen zur Rettung vor dem Ertrinken

Ist jemand im Wasser in Not geraten muss sofort Hilfe geholt werden. Folgendes sollten Ersthelfende tun:

  • Notrufnummer 112 verständigen
  • der betroffenen Person einen Gegenstand zuwerfen, an dem er sich festhalten kann (zum Beispiel einen Rettungsring, Fußball, Luftmatratze)
  • nur nach sorgfältiger Abwägung, wenn die Situation und die eigene Konstitution es zulassen, selbst ins Wasser gehen, um den Ertrinkenden ans Ufer zu holen. Die eigene Sicherheit geht vor.
  • sobald die Person wieder an Land ist, sofort mit Erste-Hilfe-Maßnahmen wie der Herzdruckmassage beginnen

Drei Rettungsschwimmer gucken aufs Meer am Strand von Cuxhaven. © NDR
Am sichersten ist es, an bewachten Stränden baden zu gehen.

An bewachten Stränden können ausgebildete Rettungsschwimmer mit Boards oder Rettungskanus schnell helfen. Das gilt besonders für Situationen, in denen Ertrinkende in Panik oder nicht ansprechbar sind oder bei ihrer Rettung nicht mithelfen oder sich sogar wehren. Die Rettungsschwimmer üben solche Situationen immer wieder und wissen genau, was zu tut ist. Baderegeln, bewachte Badestellen sowie viele sicherheitsrelevante Zusatzinformationen sind auf der DLRG-Website zu finden. Smartphone-Nutzer können sich alternativ die kostenlose DLRG-App downloaden.

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Aktuell | 12.07.2023 | 16:00 Uhr

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