Abenteuer Diagnose: Antikörper-assoziierte Enzephalitis
Eine Entzündung des Gehirns (Enzephalitis) wird meist durch Bakterien oder Viren ausgelöst. Doch sehr selten kann auch eine Fehlreaktion des eigenen Immunsystems dafür verantwortlich sein.
Bedeutsam für die Diagnostik autoimmuner Enzephalitiden sind Antikörper gegen Rezeptoren oder Eiweißstoffe auf der Oberfläche von Nervenzellen, die sich im Blut und in der Gehirnflüssigkeit (Liquor) der Patienten finden können. Diese Antikörper attackieren und zerstören Nervenzellen im Gehirn, weil sie die gesunden Zellen mit Tumorzellen verwechseln.
Die DPPX-Antikörper-assoziierte Enzephalitis ist eine extrem seltene Form einer durch Autoantikörper ausgelöste Hirnentzündung, von der weltweit nur eine Handvoll Fälle beschrieben sind.
Psychiatrische Symptome
DPPX steht für "Dipeptidyl-peptidase-like protein-6", ein Eiweiß an der Oberfläche von Nervenzellen. Die klinischen Zeichen der Erkrankung sind vielfältige und unspezifische psychiatrische Symptome wie Stimmungsveränderungen und Reizbarkeit, Halluzinationen oder Wahnstörungen, Persönlichkeitsveränderungen, Bewusstseinstrübungen sowie epileptische Anfälle, Psychosen und Gedächtnisstörungen
Typisch ist die sogenannte zentrale Übererregbarkeit mit unkontrollierten Muskelzuckungen und einem generellen Muskelzittern (Tremor). Aufgrund der Seltenheit der Erkrankung und unspezifischen Symptomatik wird die Diagnose in der Regel erst sehr spät gestellt.
Umfassende Diagnostik notwendig
Bei zunehmenden Gedächtnisstörungen sowie Störungen von Verhalten und Affekt sollte die Enzephalitis allerdings immer als mögliche Ursache bedacht und eine umfassende Diagnostik eingeleitet werden. Dazu zählen neben bildgebenden Untersuchungen (MRT) auch eine Darstellung der Hirnströme (EEG) sowie des Hirnstoffwechsels mit Hilfe der Positronen-Emissions-Tomografie (PET) sowie eine ausführliche laborchemische Untersuchung zum Ausschluss anderer Diagnosen wie viraler Infekte oder Stoffwechselstörungen.
Neben dem Blut sollte auch das Hirnwassers (Liquor) untersucht werden, da sich die Antikörper manchmal nur dort nachweisen lassen. Die DPPX-Antikörper-assoziierte Enzephalitis spricht gut auf eine das Immunsystem dämpfende Therapie mit Cortison an. Bei ausbleibendem Therapieerfolg können andere Substanzen zur Modulation des Immunsystems wie Rituximab oder Cyclophosphamid zum Einsatz kommen.
Prof. Dr. Jens Schmidt
Oberarzt der Klinik für Neurologie
Universitätsmedizin Göttingen, Georg-August-Universität
Robert-Koch-Straße 40
37075 Göttingen
neurologie.umg.eu/
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