Schule: Corona-Pandemie verschärft Problem mit Fehlzeiten
Mehrere Kommunen schlagen Alarm. Der Bedarf an Beratung für Schülerinnen und Schülern zum Thema Schulverweigerung sei während der Corona-Pandemie gestiegen, heißt es.
Das betreffe vor allem Kinder, die schon vorher Schwierigkeiten hatten, regelmäßig und konsequent am Unterricht teilzunehmen. Bei Kindern, die bereits vor der Pandemie von Entwicklungsrisiken betroffen waren, müsse eine gute Begleitung und Unterstützung für die nächste Zeit gesichert werden, sagte Andrea Hanke, Dezernentin für Soziale Infrastruktur der Region Hannover. Befragungen zufolge fehlten rund drei bis vier Prozent aller Schülerinnen und Schüler wiederholt für längere Zeit in der Schule. Statistische Daten dazu gibt es kaum. Laut einer repräsentativen Forsa-Umfrage im Auftrag der Robert Bosch Stiftung aus dem Jahr 2021 berichteten 26 Prozent der bundesweit befragten Lehrkräfte von einem Anstieg von Schulabsentismus seit dem Frühjahr 2020.
Tendenzen auch in Wilhelmshaven, Harburg und Braunschweig
Auch andere Kommunen sehen erhebliche Probleme. "Unser Eindruck als Schulträger ist, dass sich das Thema Schulabstinenz in der Pandemie verschärft hat", teilte die Stadt Wilhelmshaven auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa) mit. Der Landkreis Harburg registrierte im vergangenen Jahr 517 Schulversäumnis-Meldungen. Im Homeschooling-Jahr 2020 waren es 349. Vor der Pandemie im Jahr 2019 hatte die Kommune 399 Schülerinnen und Schüler registriert, die nicht regelmäßig am Unterricht teilnahmen. "Grundsätzlich befinden sich Schülerinnen und Schüler, die nicht regelmäßig zur Schule gehen, in schwierigen Lebenslagen", sagte eine Behördensprecher. Diese hätten sich im Verlauf der Pandemie verschlechtert. Die Stadt Braunschweig erwartet, dass als langfristige Corona-Folge vor allem Kinder aus bildungs- und finanzschwächeren Familien keine oder schlechter qualifizierte Schulabschlüsse erlangen werden.
AWO-Experte: "Kinder bleiben lange unter dem Radar"
Ursachen für längere Fehlzeiten von Schülerinnen und Schülern sind häufig familiäre Probleme, Mobbing oder psychische Erkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen. "Das Phänomen Schulvermeidung hat zugenommen", sagte Thomas Thor, Leiter der Fachstelle Schulvermeidung der Arbeiterwohlfahrt (AWO) Region Hannover. Die betroffenen Schülerinnen und Schüler erhalten nach Thors Beobachtung in der Regel zu spät Hilfe. "Die Kinder bleiben lange unter dem Radar", so Thor. Die Omikron-Variante hat das Coronavirus in Niedersachsens Schulen getragen, viele Schüler bleiben mit positiven Tests zu Hause. Da fällt es häufig nicht gleich auf, wenn Kinder aus anderen Gründen fehlen.
Viele Schüler haben in der Pandemie Rückzugstendenzen entwickelt
Experte Thor geht davon aus, dass die Folgen der Pandemie erst in den kommenden Jahren sichtbar werden. "Viele unserer Klienten haben in den vergangenen zwei Jahren Rückzugstendenzen entwickelt, sie sind sehr ungeübt im Austragen von Konflikten", so Thor. Einige hielten es nicht mehr mit 30 Kindern in einem Raum aus. Die AWO bietet verschiedene Projekte für Schulvermeider an. Im Projekt Konnex werden Jugendliche individuell beraten und begleitet. Ein weiteres Projekt namens Glashütte ist ein außerschulischer Lernort: Derzeit erhalten hier sieben 13- bis 17-Jährige vier Stunden am Tag Unterricht sowie sozialpädagogische und ergotherapeutische Unterstützung.
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