EU-Parlament macht Weg für mehr Wolfsabschüsse frei
Wölfe sollen in der EU künftig leichter abgeschossen werden können. Eine Mehrheit der Abgeordneten des Europäischen Parlaments stimmte am Donnerstag in Straßburg im Eilverfahren dafür, den Status der Tiere von "streng geschützt" auf "geschützt" abzusenken - eine Voraussetzung für ihre einfachere Jagd in Deutschland.
Die Maßnahme muss noch von den EU-Mitgliedsstaaten angenommen werden, was aber als wahrscheinlich gilt. Denn diese hatten sich bereits mehrheitlich für eine Absenkung ausgesprochen. Viele Länder wollen Wölfe vermehrt abschießen, um ihre Weidetiere zu schützen.
Konkret soll die sogenannte Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH) in Bezug auf den Wolf geändert werden. So hätten die Mitgliedsstaaten mehr Spielraum im Umgang mit ihren Wolfspopulationen - unter der Bedingung, einen "günstigen Erhaltungszustand" als übergeordnetes Ziel zu wahren.
Schwarz-Rot will "rechtssichere Entnahme" von Wölfen
Auch im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung ist festgehalten, dass die Entscheidung auf EU-Ebene unverzüglich in deutsches Recht übernommen werden soll. Man sorge für eine "rechtssichere Entnahme" von Wölfen und nehme diesen umgehend ins Jagdrecht auf. Auch der Bundesrat hatte zuletzt auf einen leichteren Abschuss gedrängt.
Bund begrüßt EU-Entscheidung
Der neue Bundeslandwirtschaftsminister Alois Rainer (CSU) hat die Entscheidung des EU-Parlaments begrüßt, den Weg für einen schnelleren Abschuss von Wölfen freizumachen. "Das heutige Votum des Europäischen Parlaments ebnet den Weg für einen praktikablen Umgang mit dem Wolf", erklärte Rainer am Donnerstag. Er kündigte "klare und praktikable Regeln" an, die den Bundesländern "rechtssichere Entnahmen" von Wölfen ermöglichen.
Schleswig-Holstein prüft Auswirkungen auf Landesrecht
Das Ministerium für Landwirtschaft, ländliche Räume, Europa und Verbraucherschutz (MLLEV) in Schleswig-Holstein teilte mit, es müsse nun sorgfältig geprüft werden, welche konkreten Auswirkungen die Entscheidung des EU-Parlamentes auf das Landesrecht sowie auf das bestehende Wolfsmanagement haben wird.
Positive Reaktionen aus Niedersachsens Landespolitik
Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer (Grüne) nannte die Herabstufung des Schutzstatus des Wolfes in der sogenannten FFH-Richtlinie überfällig. Er betonte zugleich, dass der Wolf eine geschützte Art bleibe und Wölfe nun nicht wahllos abgeschossen werden dürften. "Wichtig ist, dass Entnahmen zukünftig rechtssicher, EU-konform und einfacher möglich sind", sagte Meyer.
"Guter Tag für den ländlichen Raum"
Auch die umweltpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion in Niedersachsen, Thordies Hanisch, begrüßte die Entscheidung des EU-Parlaments ausdrücklich: "Mit diesem Schritt bekommen Deutschland und Niedersachsen mehr Handlungsspielraum und Möglichkeiten, den Wolf in ein regionales Bestandsmanagement zu überführen." Man zähle auf die wirksame Zusammenarbeit von Bund und Ländern, um die jetzt bestehenden Möglichkeiten unverzüglich in nationales Recht umzusetzen, so Hanisch.
Der agrarpolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Niedersächsischen Landtag, Marco Mohrmann, sagte: "Heute ist ein guter Tag für Weidetierhalter, ihre Tiere und den ländlichen Raum überhaupt." Niedersachsen brauche alle Möglichkeiten des Bestandsmanagements für den Wolf.
Kritik von Grünen und Naturschutzorganisationen
Kritik zu dem Beschluss kommt unter anderem von den Grünen. Sie bemängeln, es gebe keine wissenschaftliche Grundlage für die Entscheidung. Nutztiere wie Schafe könnten auch ohne mehr Abschüsse besser geschützt werden. "Wo heute der Wolf ins Visier genommen wird, wankt morgen der Schutz von Otter, Biber, Luchs, Kegelrobbe und Bär", sagte die umweltpolitische Sprecherin der Europafraktion der Grünen, Jutta Paulus.
Der Europaabgeordnete Sebastian Everding von der deutschen Tierschutzpartei empfindet das gesamte Vorgehen als "skandalös". "Wir befinden uns im rasantesten Artensterben der Erdgeschichte und die EU hat auf ein von Menschen zu verantwortendes Problem - Weidehaltung ohne ausreichenden Herdenschutz - nur das Töten einer streng geschützten Art als Antwort", so Everding.
"Entscheidung entgegen der Empfehlungen von Fachleuten"
Auch Naturschutzorganisationen kritisieren die Schutzstatus-Herabstufung des Wolfes. Der International Fund for Animal Welfare (Ifaw), die Eurogroup for Animals und Humane World for Animals stuften die Entscheidung als besorgniserregenden Präzedenzfall für den europäischen Naturschutz ein, wie der Ifaw in Hamburg mitteilte.
Die Herabstufung des Schutzstatus sei eine rein politisch motivierte Entscheidung und entgegen den Empfehlungen von Fachleuten, sagte Frederik Eggers vom Naturschutzbund Deutschland (NABU) in Niedersachsen. "Nicht-selektive Abschüsse werden die Zahl der Nutztierrisse nicht verringern. Nur flächendeckender, standortangepasster Herdenschutz bietet wirksamen Schutz", so Eggers.
Diskussion über den Wolf emotional geführt
Die Diskussion über den Wolf wird emotional geführt. Risse von Nutztieren wie Schafen und Rindern häufen sich und sind nach Angaben von Landwirten für die Weidetierhaltung ein spürbares Problem. Herdenschutzmaßnahmen zur Abwehr von Wölfen werden demnach zunehmend überwunden. Es gibt Berichte, nach denen Wölfe teils sogar bis in Ställe vordringen sollen.
Wolf war in Deutschland ausgerottet
Nach Angaben der Artenschutzorganisation WWF wurde der Wolf in Westeuropa und damit auch in Deutschland Mitte des 19. Jahrhunderts ausgerottet. Er überlebte demnach nur im Osten und Süden Europas. Der sächsischen Fachstelle Wolf zufolge erfolgte in den 1970er und 1980er Jahren ein Umdenken und der Wolf wurde in vielen europäischen Ländern unter Schutz gestellt.
Laut Bundesumweltministerium wurden im Monitoringjahr 2023/2024 rund 1.600 Wölfe in Deutschland nachgewiesen - Tendenz steigend. Das Europäische Umweltbüro (EEB) - ein Dachverband von Umweltorganisationen - schätzt, dass es mittlerweile in Europa wieder mehr als 20.000 Tiere gibt.
