Antisemitismus hat in Niedersachsen wieder zugenommen
In Niedersachsen haben im vergangenen Jahr antisemitische Vorfälle deutlich zugenommen. Der Landesbeauftragte gegen Antisemitismus fordert deshalb mehr aufklärende Arbeit bei Kindern und Jugendlichen.
Am besten müsse die Aufklärungsarbeit schon im Kindergarten beginnen, meint der Landesbeauftragte gegen Antisemitismus und für den Schutz jüdischen Lebens, Franz Rainer Enste. Niemand werde als Antisemit oder Rassist geboren. Zwar gebe es bereits viele Projekte, aber es seien immer noch zu wenige. Es müsse eine neue Empathiekompetenz geschaffen werden, forderte Enste bei der Vorstellung des Jahresberichtes für 2021. Dem Bericht zufolge leiteten niedersächsische Staatsanwaltschaften mehr als 250 Verfahren im Zusammenhang mit Antisemitismus ein. 2020 waren es noch 180 Ermittlungsverfahren, im Jahr 2019 waren es 225.
Respekt vor dem Anderssein lernen
Enste führt die Zunahme von Antisemitismus auch auf die Veränderungen in der Gesellschaft zurück. In den vergangenen Jahrzehnten sei alles globaler und digitaler geworden. Das sorge für Ängste bei den Einzelnen. Und Judenhass sei dafür offenbar immer noch ein Ventil. Enste fordert deshalb, dass möglichst früh der Respekt vor dem Anderssein gelernt wird. Im Nachhinein zu sagen, Antisemitismus habe keinen Platz in der Gesellschaft, ändere nichts an den Ursachen.
"Rote Linien werden weiter verschoben"
Für Rebecca Seidler von den israelitischen Kultusgemeinden in Niedersachsen liegt der Anstieg antisemitischer Straftaten auch an Verschwörungsgeschichten, die in den vergangenen Jahren vermehrt verbreitet würden. Antisemitismus komme immer häufiger auch aus der Mitte der Gesellschaft und trete immer unverblümter zu Tage. "Es wird salonfähiger und die roten Linien werden immer weiter verschoben", sagte sie dem NDR Niedersachsen.
Havliza: Kein Phänomen des extremen politischen Milieus
Auch nach Angaben von Justizministerin Barbara Havliza (CDU) ist Antisemitismus längst nicht mehr ein Phänomen des extremen politischen Milieus. "Es scheint immer weniger ein Tabu zu sein, auch offen antisemitische Handlungsweisen, antisemitische Äußerungen zu tun." Die Bekämpfung von Antisemitismus bleibe eine Schlüsselaufgabe.