Daniel Cohn-Bendit: "Man muss die CDU vergessen"
Unter dem Titel "Wir sind alle deutsche Juden" feierte am Sonntag eine Dokumentation beim Filmfest Hamburg Premiere, in der Daniel Cohn-Bendit seinen jüdischen Wurzeln nachspürt. Im Studio von NDR Kultur sprach er als Grüner der ersten Stunde auch über die Bundestagswahl und Sondierungsgespräche.
"Nous sommes tous juifs allemands - wir sind alle deutsche Juden" - im Mai 1968 erklang dieser Ruf bei einer Demonstration auf den Straßen von Paris, als Solidaritätsbeweis für Daniel Cohn-Bendit, der damals wegen seiner Rolle bei den Studentenprotesten aus Frankreich ausgewiesen worden war. Daniel Cohn-Bendit, der als Sohn deutsch-jüdischer Eltern, die vor den Nationalsozialisten geflohen waren, in Frankreich geboren wurde, wurde später einer der führenden Figuren der Grünen: Von 1994 bis 2014 war er Mitglied im Europäischen Parlament.
Cohn-Bendit: "Lindner, Baerbock und Habeck müssen über sich hinauswachsen"
Im Zuge seines Gespräches über den Dokumentarfilm beim Filmfest Hamburg hat Cohn-Bendit NDR Kultur besucht und über den Film gesprochen. NDR Kultur Moderatorin Eva Schramm hat die Gelegenheit genutzt, ihn zur vergangenen Bundestagswahl zu befragen.
Wie fanden Sie die Idee von FDP und Grünen, sich als erstes zu beraten, bevor beide Parteien dann mit der Union und der SPD sprechen?
Daniel Cohn-Bendit: Genial! Es ist ja eine uralte Idee, auch von Robert Habeck. Dass Lindner darauf angesprungen ist, war genial, denn genau das ist die neue Situation. Das ist auch das Problem für die Grünen und die FDP. Christian Lindner, Annalena Baerbock und Robert Habeck müssen für einen positiven Kompromiss über sich hinauswachsen. Wenn sie einen Kompromiss nur mit Bauchschmerzen schmieden, wird es nichts.
Man muss die CDU vergessen. Es ist vorbei. Und diese Ideen, Armin Laschet durch Söder zu ersetzen, das sind Klimmzüge, die nichts bringen. Die Idee, dass die CDU in die Opposition geht, ist ja nicht so schlimm. Das ist nicht der Untergang der Christdemokraten, das gehört mal dazu. Die CDU tut so, als ob ihnen genetisch die Macht gehören wird.
Die Digitalisierung, Bürgerrechte - diese Gemeinsamkeiten zwischen FDP und Grünen werden schon des Öfteren betont. Sehen Sie noch weitere?
Cohn-Bendit: Na ja, denken Sie das weiter. Grüne und FDP wollen Deutschland modernisieren. Die Grünen sprechen von der ökologisch-sozialen Modernisierung der Wirtschaft der Gesellschaft. Die FDP spricht von der digitalen Modernisierung, von der Entschlackung der Staates. Eine Modernisierung, die diese beiden Beine hat, ist dann natürlich etwas. Das wäre eine Erzählung, die Deutschland weiterbringt. Und wenn sie sich an diese gemeinsame Erzählung der Modernisierung halten, ökologisch, sozial, digitalisierend, dann glaube ich, haben sie einen Ansatz, um alle möglichen Kompromisse zu finden.
Dokumentarfilm über Daniel Cohn-Bendit am 11. Oktober in Das Erste
"Wir sind alle deutsche Juden" (Originaltitel: "Nous sommes tous juifs allemands"), der Film mit Daniel Cohn-Bendit, feierte am Sonntag Deutschlandpremiere beim Filmfest Hamburg und ist auch am Montag dort zu sehen um 19.30 Uhr in der Hapag-Lloyd-Zentrale. Ab Freitag, den 8. Oktober, kann man ihn sich in der ARD-Mediathek anschauen, am Montag, den 11. Oktober läuft er ab 23.35 Uhr im Ersten.
