Krank ohne Diagnose: Wenn die Psyche schuld sein soll
Wird für Beschwerden keine körperliche Ursache gefunden, heißt es oft, dass die Psyche schuld ist. Eine psychosomatische ganzheitliche Betrachtung kann helfen.
Tatsächlich können sich Stress, Trauer oder ungelöste Konflikte körperlich äußern und zu Schwindel, Schmerzen, Herzrasen oder Verdauungsstörungen führen. Doch auch wenn dieser Verdacht in vielen Fällen durchaus naheliegt, kann er zu gefährlichen Fehldiagnosen führen, wenn deshalb eine weiterführende Diagnostik unterbleibt.
Diagnose "Psychische Ursache" muss abgeklärt werden
Experten kritisieren, dass Betroffene zu oft in der „Schublade Psychische Ursache“ landen. Das könne ein Ausdruck von Hilflosigkeit sein, wenn weder Röntgenaufnahmen noch Laborwerte einen Hinweis auf die Ursache geben.
Aber nur weil zunächst keine Diagnose gefunden wird, heißt das nicht automatisch, dass die Psyche schuld ist.Eine seelische Ursache ist keine Ausschlussdiagnose, sondern muss gründlich durch eine psychosomatische Untersuchung abgeklärt werden.
Weitere Diagnostik wenn Psychotherapie nicht greift
Manche Menschen mit komplexen Schmerzerkrankungen leben jahrelang in der Annahme, ihre Psyche sei schuld an ihren Beschwerden – und doch bringt eine jahrelange Psychotherapie ihnen keine Linderung.
Spätestens, wenn sich zeigt, dass die Psychotherapie nicht greift und sich die körperlichen Beschwerden dadurch nicht besser bewältigen lassen, sollte eine weitere Diagnostik erfolgen. Psychosomatische Medizin blickt auf Körper und Seele.
Psychosomatik: Ganzheitliche Betrachtung von Körper und Seele
Um die tatsächliche Ursache zu finden, kann es sinnvoll sein, einen Facharzt für Psychosomatische Medizin hinzuziehen. Der Begriff Psychosomatik ist aus den griechischen Wörtern "Psyche" für Seele und "Soma" für Körper abgeleitet. Dieses Fachgebiet befasst sich also mit dem Zusammenspiel von Körper, Psyche und Krankheit.
Die Experten schauen sich alle körperlichen Vorbefunde an und führen zusätzlich eine psychologische Diagnostik mit Gesprächen und Fragebögen durch. So suchen sie nach plausiblen Auslösern für die Beschwerden und einem passenden psychosomatischen Krankheits-Modell, das die Symptome erklären kann.
Psychische und körperliche Therapie erfolgen simultan
Gerade bei unerklärlichen Beschwerden ist es entscheidend, den Menschen als Ganzes zu sehen. Wichtig ist deshalb, dass simultan sowohl eine psychische als auch eine körperliche Diagnostik und Therapie erfolgen. Dafür müssen Experten aus verschiedenen Fachrichtungen eng koordiniert zusammenarbeiten.
Häufige psychosomatische Beschwerden
Häufig wird bei folgenden Beschwerden, die Psyche als Ursache diagnostiziert:
• Kopfschmerzen
• Schwindel
• Nacken- oder Rückenschmerzen
• Gelenkschmerzen
• Magen-Darm-Beschwerden
• Herzrasen
• Hautausschlag
• Schweißausbrüche
• Atemnot
Panikattacken oder Depressionen durch Fehldiagnose
Wechselwirkungen zwischen Körper und Psyche können zum Teufelskreis werden. Selbst, wenn ursprünglich gar keine psychische Ursache für die Beschwerden vorhanden war, können sich durch die enorm belastende Unsicherheit im Laufe der Zeit zusätzlich psychische Probleme entwickeln, zum Beispiel Panikattacken oder Depressionen.
Umgekehrt kann die Psyche wiederum körperliche Beschwerden auslösen und verstärken. Auf diese Weise führt die enge Verzahnung von Körper und Psyche in einen Teufelskreis, der erkannt und unterbrochen werden muss, um den Betroffenen wirklich zu helfen.
