Eine Frau sitzt erschöpft auf einem Sofa © Colourbox Foto: -

Kopfschmerzen durch Medikamente: Was hilft?

Stand: 06.09.2022 13:27 Uhr

Medikamente gegen Kopfschmerzen können noch mehr Schmerzen hervorrufen. Häufige Symptome sind Dauerkopfschmerz und Abgeschlagenheit. Individuelle Therapien können bei medikamenteninduziertem Kopfschmerz helfen.

Medikamenteninduzierter Kopfschmerz (MIKS) wird auch Medikamenten-Übergebrauchs-Kopfschmerz (MÜK) oder auf Englisch Medication Overuse Headache (MOH) genannt. Er kann entstehen, wenn an mindestens 10 Tagen im Monat Schmerzmittel gegen Kopfschmerzen eingenommen werden. Vor allem Menschen, die unter einem primären Kopfschmerz, wie Migräne und Spannungskopfschmerzen leiden, sind häufig von einem Medikamenten-Übergebrauchs-Kopfschmerz betroffen.

Medikamenteninduzierter Kopfschmerz: Frauen häufiger betroffen

Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Die Meisten ahnen nichts von ihrem MÜK, sind oftmals gar nicht richtig diagnostiziert. Es gibt 367 unterschiedliche Hauptformen von Kopfschmerzen, von denen auch mehrere gleichzeitig auftreten können.

Ursachen: Jahrelange Medikamenteneinnahme

Die Betroffenen nehmen über einen längeren Zeitraum regelmäßig Medikamente gegen Kopfschmerzen ein. Besonders Patienten, die an mehr als 15 Tagen im Monat ein einfaches Schmerzmittel oder an mehr als 10 Tagen ein Triptan, Opiat oder Kombinationspräparat verwenden, können einen chronischen Kopfschmerz entwickeln. Die Schmerzen lassen trotz der Medikamente nicht nach, sie nehmen vielmehr zu. Der Körper reagiert immer empfindlicher, es werden immer mehr Medikamente gegen die Schmerzen eingenommen, ein Teufelskreis entsteht.

Vielen ist der Zusammenhang zwischen der Einnahmefrequenz ihrer Schmerzmittel und der Zunahme ihrer Kopfschmerztage pro Monat nicht klar. Sie gehen davon aus, dass das Schmerzmittel den Schmerz abschaltet und sie weiterleben können, wie gewohnt. Doch genau das funktioniert auf Dauer nicht.

Die langfristige Einnahme von Schmerzmitteln kann den Hirnstoffwechsel beeinflussen. Es kommt zu Gewöhnungs- und Erschöpfungsprozessen der Schmerzabwehr im Gehirn, die variable Schwelle der Schmerzwahrnehmung sinkt. Dadurch empfinden die Betroffenen zuvor als normal wahrgenommene Beschwerden als schmerzhaft. Werden daraufhin erneut Medikamente eingenommen, sinkt die Schwelle weiter und ein Teufelskreis entsteht.

Symptome: Dauerkopfschmerz, Abgeschlagenheit und Schlafstörungen

Von einem chronischen MÜK spricht man, wenn die Beschwerden an mindestens 15 Tagen im Monat auftreten. Am Ende dieser Kaskade entsteht ein Dauerkopfschmerz, der sich durch ein dumpfes, drückendes Gefühl im Kopf äußert, der schon beim Aufstehen beginnt und den ganzen Tag über anhält.

Viele Betroffene fühlen sich dadurch gereizt und abgeschlagen, leiden unter Konzentrations- und Schlafstörungen. Migräne-Attacken treten oft auch weiterhin auf und wechseln sich mit dem drückendem Dauerkopfschmerz ab. Die Symptome von Migräne- und Spannungskopfschmerz können sich auch vermischen. Eine Trennung der einzelnen Schmerzarten wird immer schwieriger.

Auslösende Medikamente: Frei verkäufliche und rezeptpflichtige Schmerzmittel

Sowohl frei verkäufliche als auch rezeptpflichtige Schmerzmittel können zu einem MÜK führen. Ursache für den übermäßigen Gebrauch ist oft die Angst vor Schmerzen, die zu einer vorsorglichen Einnahme von Schmerzmitteln führt. Grundsätzlich kommen alle Schmerzmittel als Auslöser eines MÜKs infrage, insbesondere aber Medikamente gegen Migräne wie Triptane und Ergotamine. Aber auch andere Schmerzmittel können einen MÜK auslösen, wie einfache Analgetika oder Opioide.

Bei der übermäßigen Einnahme von Schmerzmitteln kommt es zu Gewöhnungs- und Erschöpfungsprozessen der Schmerzabwehr im Körper, die variable Schwelle der Schmerzwahrnehmung sinkt. Dadurch empfinden die Betroffenen wahrgenommene Beschwerden immer stärker. Sie werden empfindlicher. Werden daraufhin erneut Medikamente eingenommen, sinkt die Schwelle weiter.

Risikofaktoren: Chronische Beschwerden und Erkrankungen

Es gibt mehrere Faktoren, die neben der regelmäßigen Einnahme von Schmerzmitteln das Risiko für die Entwicklung eines MÜKs steigern:

  • regelmäßige Einnahme von angstlösenden, entspannenden Medikamenten (Tranquilizern)
  • chronische Beschwerden des Bewegungsapparats
  • chronische Beschwerden des Verdauungssystems
  • Angsterkrankungen und/oder Depression
  • Rauchen

Diagnose: Kriterien der Internationalen Kopfschmerzgesellschaft

Bei der Diagnose helfen die Kriterien der Internationalen Kopfschmerzgesellschaft (IHS):

  • Die Kopfschmerzen sind an mindestens 15 Tagen pro Monat präsent.
  • Schmerzmittel wurden seit mehr als drei Monaten an mindestens zehn Tagen pro Monat (Ergotamin, Opioide, Kombinationsschmerzmittel) oder an mindestens 15 Tagen pro Monat (alle anderen Schmerzmittel) eingenommen.
  • Während des Schmerzmittelübergebrauchs haben sich die Kopfschmerzen entwickelt oder deutlich verschlechtert.
  • Nach dem Absetzen der übermäßig gebrauchten Medikamente klingt der Kopfschmerz ab oder kehrt zu seinem früheren Muster zurück. Ganz sicher lässt sich die Diagnose daher erst nach einer Medikamentenpause stellen.

Therapie: Medikamenten-Pause und Kopfschmerz-Behandlung

Bei einem ausgeprägtem MÜK bietet eine Medikamenten-Pause in Kombination mit einer umfassenden, individuellen Therapie der Kopfschmerzen einen Ausweg. Dazu gehören eine Basistherapie und neue Medikamente zur Prophylaxe.

Die wichtigste Therapiemaßnahme ist das Absetzen der auslösenden Arzneimittel für einen bestimmten Zeitraum. Die Schmerzmittelpause soll das Schmerzverarbeitungssystem quasi neu starten, damit es wieder normal funktioniert. Dieser Medikamentenpause ist nicht mit einem Entzug wie bei einer Drogenabhängigkeit vergleichbar, da Schmerzmittel mit Ausnahme der Opioide keine klassische körperliche Abhängigkeit verursachen. Dennoch treten durch das Absetzen mehr oder weniger starke Entzugserscheinungen auf. Deshalb ist es entscheidend, dass eine Ärztin oder ein Arzt die Pause begleitet und die Entzugserscheinungen bei Bedarf behandelt. Da sowohl der MÜK als auch die Medikamentenpause mit einer hohen psychischen Belastung verbunden sind, ist auch eine psychotherapeutische Begleitung sinnvoll.

Medikamentenentzug als Therapie

Ein Medikamentenentzug ist grundsätzlich ambulant, in einer Tagesklinik (teilstationär) oder stationär möglich. Bei Opioiden, oder Tranquilizern ist ein abruptes Absetzen nicht sinnvoll. Hier wird die Dosis schrittweise reduziert. Triptane, Ergotamine und alle anderen Schmerzmittel lassen sich dagegen einfach absetzen.

Ein stationärer Entzug erfolgt unter ärztlicher Begleitung in einer spezialisierten Kopfschmerzklinik über mehrere Tage. In der Schmerzmittelpause werden Medikamente verabreicht, die müde machen und eine Distanz zu den Schmerzattacken aufbauen. Außerdem gibt es Medikamente, die Kopfschmerz und Migräne vorbeugen und die Botenstoffe im Gehirn in Balance bringen. Noch wichtiger als Medikamente ist die Basistherapie: Zudem lernen die Betroffenen lernen alternative Formen der Schmerzbehandlung wie Stressbewältigung oder progressive Muskelentspannung kennen. Dem Leben wird eine neue Struktur zu gegeben; ein regelmäßiger Tag-Nacht-Rhythmus, regelmäßige angepasste Mahlzeiten  beugen z.B.  Kopfschmerz vor, lindern ihn und helfen beim Umgang mit Attacken. Qi-Gong, Atem-Meditation, regelmäßige Bewegung, Muskelaufbau und Dehnung können ebenfalls helfen. Psychologische Begleitung soll die Sicherheit vermitteln, dass es auch ohne Schmerzmittel geht und dass es alternative Bewältigungsstrategien gibt. Nehmen die Patienten dieses Wissen und diese Strategien mit in ihren Alltag, beugt dies auch einen möglichen Rückfall vor.

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Visite | 06.09.2022 | 20:15 Uhr

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