Frau mit schmerzverzerrtem Gesicht © colourbox Foto: peopleimages.com

Was hilft gegen Schmerzattacken einer Trigeminusneuralgie?

Stand: 29.04.2025 16:42 Uhr | vom Bayerischer Rundfunk-Logo

Einschießende, starke Schmerzen und Schmerzattacken im Gesicht sind typische Symptome einer Trigeminusneuralgie. Oft lässt sich die Ursache eindeutig bestimmen. Unterschiedliche Therapien helfen.   

von Bernd Thomas

Es genügt eine kleine Bewegung, ein Kauen oder Schlucken und eine starke, fast unerträgliche Schmerzattacke fährt ins Gesicht. Ursache kann eine Trigeminusneuralgie sein, eine seltene, chronische Schmerzerkrankung des Trigeminusnervs. Die fortschreitende Krankheit schränkt die Lebensqualität der Patienten oft stark ein.   

Symptome: Blitzartige, starke Nervenschmerzen im Gesicht

Wiederkehrende, stechende, blitzartig einschießende, starke Schmerzattacken in einer Gesichtshälfte sind typische Symptome einer Trigeminusneuralgie. Sie halten Sekundenbruchteile bis maximal ein bis zwei Minuten an. Ebenfalls typisch ist, dass kleine, harmlose Bewegungen und Berührungen wie Zähneputzen, Essen oder selbst ein Windhauch die Schmerzen auslösen.

In schweren Fällen können bis zu 100 Attacken pro Tag auftreten. Auch spontane Schmerzen ohne Auslöser sind möglich, ebenso wie Dauerschmerzen bei vereinzelten Patienten. Durch die Attacken kann es zu Kontraktionen der Gesichtsmuskulatur kommen.  

Trigeminusnerv: dreigeteilter Nerv im Gesicht   

Der Trigeminusnerv leitet Sinnesempfindungen und Schmerzsignale aus dem Gesicht zum Gehirn, ist aber auch an der motorischen Steuerung der Kaumuskulatur beteiligt. Er besteht aus drei Hauptästen, die am sogenannten Ganglion Gasseri am Hirnstamm wurzeln. Sie versorgen jeweils die Regionen um die Augen, den Oberkiefer und den Unterkiefer. Besonders oft von Schmerzattacken betroffen sind die Versorgungsgebiete der beiden unteren Nervenäste.    

Meist ältere Patienten und episodenartiger Verlauf 

Die Krankheit tritt am häufigsten zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr auf. Aber auch Jüngere können an einer Trigeminusneuralgie erkranken. Der Verlauf ist oft episodenartig. Das bedeutet, die Schmerzen können für Tage, Wochen und sogar Monate wieder verschwinden. Sie nehmen im Laufe der Erkrankung an Intensität zu. 

Frauen leiden mit rund 60 Prozent rund ein Fünftel öfter an einer Trigeminusneuralgie als Männer mit rund 40 Prozent. Die Inzidenz, also die Häufigkeit der Neuerkrankungen pro Jahr liegt zwischen vier bis 42 von 100.000 Menschen.  

Diagnose  

Gesichtsschmerzen können viele Ursachen haben. Wichtig ist deshalb eine eindeutige Diagnose. Immer wieder werden Patientinnen und Patienten mit einer Trigeminusneuralgie falsch behandelt, oft zahnmedizinisch, obwohl keine Zahnprobleme vorliegen. Das lindert weder die Schmerzen noch beseitigt es die Ursachen einer Trigeminusneuralgie. Die Diagnose sollte, nach Überweisung durch den Hausarzt, von Neurologinnen und Neurologen gestellt werden.

Eine Trigeminusneuralgie lässt sich aufgrund der typischen, triggerbaren Schmerzen durch klinische Untersuchungen eindeutig diagnostizieren. Ein zusätzliches MRT dient vor allem dazu, einen Tumor als Ursache auszuschließen. Wichtig ist auch die Abgrenzung von anderen Erkrankungen, wie zum Beispiel einer Trigeminusneuropathie. Bei einer Neuropathie ist der Trigeminusnerv selbst geschädigt. Das wiederum kann durch Zahnprobleme und -behandlungen geschehen.  

Trigeminusneuralgie: Auslöser der Schmerzen 

Bei der klassischen Trigeminusneuralgie ist die Hauptursache der Schmerzen ein Blutgefäß, das den Nerv komprimiert, erklärt Prof. Dr. Jens Lehmberg, Neurochirurg der München Klinik Bogenhausen. Das passiert an der besonders sensiblen Stelle, an der der Nerv in den Hirnstamm eintritt. Der Druck des Gefäßes verformt und schädigt damit Strukturen im Nervengewebe, das die reizleitenden Zellen umhüllt. Dadurch kommt es zu plötzlichen, überschießenden Entladungsreaktionen der innenliegenden, schmerzleitenden Nervenzellen, wie bei einem epileptischen Anfall.  

Blutgefäße werden im Laufe des Lebens länger, was den Druck auf besonders sensible Strukturen erhöhen kann. Das erklärt auch, warum die Trigeminusneuralgie vorwiegend im fortgeschrittenen Alter auftritt, so Prof. Jens Lehmberg.     

Klassische, sekundäre und idiopathische Trigeminusneuralgie 

Neben der klassischen Trigeminusneuralgie, der häufigsten Form, gibt es noch die sekundäre und die idiopathische. Die Schmerzen einer sekundären Trigeminusneuralgie, von der auch häufiger jüngere Menschen betroffen sind, gehen auf Erkrankungen wie Multiple Sklerose, einen Tumor oder zum Beispiel Fehlbildungen von Gefäßen zurück.  

Lassen sich trotz typischer Symptome keine konkreten Ursachen finden, sprechen Mediziner von einer so genannten idiopathischen Trigeminusneuralgie, einer Neuralgie ohne erkennbare Ursache. Da die Erkrankung mitunter auch gehäuft in Familien auftritt, werden genetische Faktoren für die Entstehung nicht ausgeschlossen.    

Herkömmliche Schmerzmittel wirkungslos 

Gängige Schmerzmittelblockieren entweder Schmerzrezeptoren oder bestimmte Enzyme und damit Prozesse, die die Schmerzempfindung auslösen. Da die Schmerzattacken einer Trigeminusneuralgie durch Reaktionen im Nerv selbst ausgelöst werden, helfen herkömmliche Schmerzmittel nicht.  

Therapie: Zu Beginn Medikamente  

Eine Trigeminusneuralgie wird konservativ mit dem Medikament Carbamazepin behandelt, das eigentlich aus der Therapie gegen Epilepsie kommt. Es verhindert, dass die Nervenzellen schnelle Stromimpulse abfeuern. Allerdings sind Müdigkeit, Schwindel und Übelkeit häufige Nebenwirkungen. Weitere Medikamente können ergänzend oder bei akuten Schmerzattacken zusätzlich eingesetzt werden. In Phasen ohne Schmerzattacken können die Medikamente wieder reduziert werden. Die Wirkung der Medikamente kann mit der Zeit nachlassen. 

Minimalinvasive Jannetta-Operation kann Ursache beheben  

Das einzige Verfahren, das die eigentliche Ursache der klassischen Trigeminusneuralgie beseitigt, ist die minimalinvasive Jannetta-Operation oder mikrovaskuläre Dekompression, kurz MVD. Bei diesem Eingriff wird das Gefäß, das auf den Trigeminusnerven drückt, durch eine Schlinge oder künstliches Material so gelagert und fixiert, dass der Nerv dauerhaft entlastet wird. Anschließend wird die kleine Eröffnung des Schädels, durch die der Eingriff vorgenommen wird, wieder verschlossen. Nur wenige Tage Klinikaufenthalt sind notwendig. Rund 98 Prozent der Patienten sind anschließend schmerzfrei oder verspüren eine deutliche Schmerzlinderung. Bei etwas weniger als zehn Prozent der Patientinnen und Patienten kommt es im Laufe der Zeit zu einem Rückfall mit neuerlichen Schmerzen. Das wiederum hängt oft mit dem Zeitpunkt des Eingriffs zusammen. Die Operation sollte nicht zu spät durchgeführt werden.               

Nichtinvasive strahlenmedizinische Radiochirurgie   

Ist die minimalinvasive Jannetta-Operation zum Beispiel aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich, gibt es eine Reihe weiterer Therapieoptionen. Sie alle zielen auf unterschiedliche Weise darauf ab, bestimmte Bereiche der Nervenwurzel zu veröden und damit Schmerzen zu verhindern.   
Die strahlentherapeutische Radiochirurgie ist ein nichtinvasives Verfahren. Mit einer hochpräzisen Strahlenquelle, zum Beispiel dem so genannten Gamma- oder auch dem Cyber-Knife, wird die Wurzel des Trigeminusnervs einmalig bestrahlt. Allerdings kann es Tage bis Monate dauern, bis die schmerzlindernde Wirkung eintritt.  

Minimalinvasive Verfahren zur Verödung 

Außerdem gibt es noch weitere, solche als Ablation bezeichnete Therapieverfahren. Sie alle werden minimalinvasiv mit einer Punktion durchgeführt, ohne dass dabei aber die Schädeldecke eröffnet werden muss. Die Thermokoagulation zum Beispiel nutzt zur Verödung die Hitze einer Radiofrequenz-Sonde, die Glyzerinhizolyse eine chemische Behandlung und die Ballonkompression mechanischen Druck. Erfolge und Nachhaltigkeit dieser Therapien liegen unter denen einer Jannetta-Operation.            

Umfassende Beratung und Therapieentscheidung in Zentren

Entscheidend für Patientinnen und Patienten ist, sich in spezialisierten Zentren beraten und behandeln zu lassen, die eine große Palette an Verfahren anbieten. Je mehr Eingriffe vorgenommen werden, desto größer ist auch die Erfahrung, welche Methode für welchen Patienten optimalen Erfolg und Nachhaltigkeit verspricht.   

Akupunktur und weitere Therapien  

Auch für Akupunktur zur Behandlung einer Trigeminusneuralgie gibt es eine Reihe Studien, die auf positive Effekte hinweisen. Grundsätzliche Belege fehlen bisher aber noch. Zudem können multimodale Schmerztherapie-Konzepte mit ihren unterschiedlichen Therapiebausteinen eine hilfreiche, unterstützende Rolle spielen.   

Expertinnen und Experten im Beitrag

Prof. Dr. med. Jens Lehmberg 

Facharzt für Neurochirurgie, München Klinik Bogenhausen 

 

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Mann mit schmerzverzerrtem Gesicht hält sich den Kopf (Bild: colourbox.de) © colourbox.de

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Dieses Thema im Programm:

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