Animation eines menschlichen Kopfes mit visualisierten Nervenbahnen © PantherMedia Foto: 80sChild

Fazialisparese: Therapien gegen die Gesichtslähmung

Stand: 28.10.2022 21:51 Uhr

Die Mimik starr, der Mundwinkel hängt, ein Auge schließt nicht mehr: Eine Fazialisparese kommt plötzlich und trifft in Deutschland etwa 20.000 Menschen pro Jahr. Doch es gibt Hoffnung, das "verlorene Lächeln" wiederzugewinnen.

Es kommt ohne Ankündigung. Plötzlich ist eine Gesichtshälfte gelähmt: Das Auge schließt nicht mehr, der Mundwinkel hängt herunter, man kann nicht mehr lachen und im schlimmsten Fall auch nicht richtig sprechen. All das sind typische Folgen einer Fazialisparese, einer Gesichtslähmung. Und die kann jeden treffen. Bei einer Fazialisparese ist der siebte der zwölf Hirnnerven, der sogenannte Fazialisnerv, geschädigt. Er entspringt beidseits im Hirnstamm und verläuft in die jeweilige Gesichtshälfte, wo er sich stark verzweigt. Über seine Äste steuert der Fazialisnerv die mimische Gesichtsmuskulatur.

Man unterscheidet zwei Arten von Gesichtslähmungen:

  • Zentrale Fazialisparese: Kommt es zu Schädigungen der für den Gesichtsnerv zuständigen Hirnareale, etwa infolge eines Schlaganfalls, einer Hirnhautentzündung oder eines Hirntumors, spricht man von einer zentralen Gesichtslähmung. In der Regel können Patienten mit zentraler Fazialisparese die Stirn bewegen (runzeln) und die Augen schließen.
  • Periphere Fazialisparese: Liegt eine Schädigung des Fazialisnervs nach Austritt aus dem Gehirn vor, spricht man von einer peripheren Gesichtslähmung.

Ursachen der peripheren Fazialisparese

  • Nervenschädigungen im Rahmen der Schwangerschaft
  • Diabetes mellitus
  • Multiple Sklerose
  • Borreliose
  • Infektionen mit dem Herpes Simplex Virus
  • Infektionen mit dem Herpes Zoster Virus
  • Mittelohrentzündungen
  • Tumorerkrankungen und -operationen (z. B. im Bereich der Ohrspeicheldrüse oder der Schädelbasis)
  • Verletzungen oder Frakturen in Bereichen, durch die der Fazialisnerv verläuft (z. B. Felsenbein)
  • Entzündungen aufgrund kühler Zugluft
  • Seltene Syndrome, wie das Moebius-Syndrom, sind ebenfalls mit Fazialisparesen vergesellschaftet (häufig beidseitig).

Darüber hinaus gibt es auch angeborene Fazialisparesen. In 60 bis 75 Prozent der Fälle lässt sich allerdings keine konkrete Ursache für die Gesichtslähmung finden. Diese sogenannte idiopathische Form verläuft immer einseitig, es ist also nur eine Gesichtshälfte betroffen.

Behandlung der Fazialisparese

Sofern eine konkrete Ursache für die Entzündung oder Schädigung des Gesichtsnervs bekannt ist, wird zunächst die Primärerkrankung behandelt. So werden zum Beispiel bei einer Mittelohrentzündung Antibiotika oder bei einer Virusinfektion Virostatika eingesetzt. Eine Entzündung des Fazialisnervs wird in der Regel mit Kortison behandelt, um eine möglichst schnelle Abschwellung des Nervs zu erreichen und weitere Komplikationen zu vermeiden.

Begleitend werden oft krankengymnastische Gesichtsgymnastik und logopädische Behandlungen verordnet, wenn sich die Lähmung auf die Sprechfähigkeit auswirkt. Sind der Lidschluss und die Blinzelfunktion gestört, kann das Auge austrocknen. Um langfristig eine Erblindung zu vermeiden, muss das betroffene Auge durch Medikamente und über Nacht mit sogenannten Uhrglasverbänden feuchtgehalten werden.

Prognose der Fazialisparese

In den meisten Fällen klingen spontane Gesichtslähmungen wieder ab. Bei rund 70 Prozent der Betroffenen regeneriert sich die Mimik vollständig. Aber es gibt nicht wenige Menschen, bei denen die mimischen Funktionen nicht vollständig zurückkehren.

Operationen zur Wiederherstellung der Mimik

Gelingt es unter Ausschöpfung aller konservativen Therapiemaßnahmen innerhalb von sechs Monaten nicht, die Nervenregeneration so anzuregen, dass sich die motorische Mimik vollkommen erholt und ist möglicherweise mit bleibenden Einschränkungen zu rechnen, kann unter Umständen eine Operation verhindern, dass sich die mimische Muskulatur zurückbildet und unwiederbringlich in Fettgewebe umgewandelt wird.

Nerventransplantate

Bei der Nerventransplantation werden Hautnerven idealerweise aus dem Unterschenkel entnommen und als Transplantate zwischen den gesunden Fazialisnerv der nicht betroffenen Gesichtshälfte und den Muskeln der gelähmten Seite eingesetzt. Zusätzlich können auf der gelähmten Seite Äste des Kaumuskelnervs angezapft und mit der Muskulatur des Mund- oder Augenkomplexes verbunden werden.

Die Operation muss im Zeitfenster von sechs bis maximal 18 Monaten nach Einsetzen der Gesichtslähmung durchgeführt werden, um die noch bestehende Gesichtsmuskulatur zu retten. Ist die Gesichtsmuskulatur bereits zu stark zurückgegangen, kann nur noch eine Transplantation von Muskeln, zum Beispiel aus dem Oberschenkel, helfen.

Plastische Operationen zur Wiederherstellung wichtiger Gesichtsfunktionen

Ein weiteres Operationsverfahren zur Erleichterung mimischer Funktionen ist das Implantieren von Platingewichten ins Augenoberlid und eine Straffung des Unterlides. Betroffenen, die das Auge nicht selbständig schließen können, wird durch solche Eingriffe der Lidschluss ermöglicht. Aufhängeplastiken, Straffungsoperationen und Brauenanhebungen haben damit nicht nur einen kosmetischen Effekt, sondern können wichtige Funktionen des Gesichts wiederherstellen. Dazu gehören zum Beispiel die Fähigkeit, Flüssigkeiten sicher in der Mundhöhle zu behalten (orale Kontinenz), aber auch eine deutliche Aussprache und die freie Nasenatmung. 

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