Neurologe Dr. Peter Michels

Chat-Protokoll zum Thema verengte Herzschlagader

Stand: 21.10.2020 11:42 Uhr

Es ist ein Problem, das viele unterschätzen: Eine durch Ablagerungen verengte Halsschlagader ist bei jedem dritten Schlaganfall der Auslöser.

Neurologe Dr. Peter Michels
Dr. Peter Michels hat Ihre Fragen im Chat beantwortet.

Die Schwierigkeit dabei ist: Wenn die Arterie im Hals nicht mehr richtig durchlässig ist, spürt man davon lange nichts. Dennoch kann schon zu diesem Zeitpunkt ein Schlaganfall passieren. Kurze Probleme beim Sehen, vorübergehende Lähmungserscheinungen in Armen und Beinen oder Schwindel können erste Anzeichen sein. Wer sollte seine Halsschlagadern regelmäßig untersuchen lassen und was kann man tun, wenn die Arterie tatsächlich verengt ist? Am Dienstag, den 20. Oktober, war der Neurologe Dr. Peter Michels zu Gast in der Sendung Visite und hat anschließend Ihre Fragen zum Thema beantwortet. Das Protokoll zum Nachlesen. 

Lisa: Mein Mann war im Februar beim Kardiologen, wo auch regelmäßig seine Halsschlagader auf Durchlässigkeit geprüft wird. Es war alles in Ordnung und er bekam für nächstes Jahr wieder einen Termin. Sechs Wochen später kam er mit einem Schlaganfall ins Krankenhaus. Es waren nicht die seitlichen Adern verstopft - sondern die hinteren. Bei welchem Arzt werden auch mal routinemäßig die hinteren Adern untersucht, wenn die Gefahr dort so groß ist?

Dr. Peter Michels: Die hinteren Halsschlagadern werden routinemäßig vom Neurologen untersucht, was den Vorteil hat, dass der Neurologe auch gleichzeitig noch die Adern im Kopf untersuchen kann.

Akinom: Ab wie viel Prozent Verengung der Carotis wird es gefährlich? Sind Möglichkeiten bekannt, wie vorhandene Plaques geringer Dichte verringert werden können?

Michels: Wie viel Prozent ist eine schwierige Frage. Es geht weniger darum, genaue Prozente festzulegen, vielmehr ist die Frage, ob die Einengung bereits Symptome gemacht hat und ob die Einengung so hochgradig ist, dass weniger Blut ins Gehirn gelangt. Das beginnt bei etwa 60 Prozent Einengung. Zur zweiten Frage: Vorhandene Plaques kann man mit keiner Methode wirklich sicher zum Verschwinden bringen. Wir sind immer schon sehr zufrieden, wenn keine weitere Zunahme der Plaques auftritt.

Karl-Heinz: Wann wird ein Stent gesetzt und wann wird operiert?

Michels: In vielen Fällen ist beides möglich. Eine Operation kommt eher bei älteren Patienten, bei sehr starken Verkalkungen oder geschlängelt verlaufenden Arterien in Frage. Ein Stent wird zum Beispiel bei jüngeren Patienten, bei Patienten, die zum Beispiel schon am Hals operiert worden sind, oder nach Bestrahlung eingesetzt.

Unbekannt: Verengte Halsschlagader 50 Prozent bei 79-Jährigen operieren?

Michels: Vorausgesetzt, die Einengung hat keine Beschwerden gemacht, sollte nicht operiert werden.

Helena Maria: Ich habe Migräne mit Aura, Sehstörungen, Sprachstörungen ... Bin ich dadurch gefährdet oder merke unter Umständen nicht den Unterschied?

Michels: Durch Migräne sind Sie nicht gefährdet. Manchmal kann die Unterscheidung der Symptome schwierig sein. Das heißt, wenn zum Beispiel Sehstörungen oder halbseitige Gefühlsstörungen auftreten, sollten die bei einer Migräne innerhalb kurzer Zeit wieder verschwinden. Sonst müssten Sie ins Krankenhaus.

Inge: Ist ein Triglyceridwert von 497 auch ein Risikofaktor?

Michels: Für Triglyceride gibt es keinen eindeutigen Beweis, dass Verengungen der Halsschlagader ausgelöst würden. Allerdings ist ein Wert von 497 extrem hoch und kann daher andere Komplikationen verursachen.

Ulla: Auf welchen Wert soll der Cholesterinspiegel bei erblicher Vorbelastung gesenkt werden?

Michels: Beim Cholesterin muss unterschieden werden zwischen HDL ("gutes" Cholesterin) und LDL ("schlechtes" Cholesterin). Das LDL sollte unter 100, besser unter 70, liegen.

Mameghani: Machen Tabletten wie Rosuvastatin Ablagerungen in der Halsschlagader rückgängig?

Michels: Es kann nicht sicher gesagt werden, ob Ablagerungen durch Statine rückgängig gemacht werden, aber die Gabe von Statinen stabilisiert die Gefäßwand und verhindert Schlaganfälle.

Altona_Tob: Ich habe seit einer Woche genau diese Symptome. Kann ich damit direkt ambulant in die Klinik kommen oder sollte ich besser zunächst zum Hausarzt?

Michels: Mit Schlaganfallsymptomen sollten Sie immer direkt in die Klinik kommen.

Trude: Erste Ablagerungen an der Halsschlagadergabelung vorhanden, ebenso familiäre Hypercholesterinämie. Jetzt soll ich Statine nehmen, auf Salizylsäure reagiere ich allergisch mit heftigem Anschwellen sämtlicher Schleimhäute. Gibt es eine Alternative?

Michels: Bei einer familiären Hypercholesterinämie sind Statine sicher indiziert. Wenn Sie ASS nicht vertragen, gibt es als Alternative zum Beispiel Clopidogrel.

Elisabeth: Gibt es Alternativen bei Statin-Unverträglichkeit?

Michels: Die Alternativen hängen von der Höhe der Blutfettwerte ab. Es gibt zum Beispiel Ezetimib und ganz neue Medikamente, sogenannte PCSK9-Inhibitoren. Diese Medikamente sollten allerdings nur vom Spezialisten verordnet werden.

Vera: Ich bin 54 Jahre alt und seit einiger Zeit schlafen mir immer wieder die Hände ein, ohne dass ich zum Beispiel darauf liege. Vor zwei Tagen ist ganz plötzlich vom Nacken bis in die Ellbogen eine Art Muskelkater in wenigen Sekunden in meinen Oberkörper "gefahren". Der Zustand war nach wenigen Minuten wieder vorbei. Gelegentlicher Schwindel für wenige Sekunden taucht immer wieder auf. Mein Vater hatte beide Seiten der Halsschlagader verengt.

Michels: Wenn beide Hände einschlafen und die Symptome mit muskelkaterartigen Schmerzen verbunden sind, handelt es sich sehr wahrscheinlich nicht um Durchblutungsstörungen des Gehirns.

Ks: Hatte kürzlich einen Schwankschwindel direkt nach dem Aufstehen und nach Drehen des Kopfes. Kein Befund beim HNO-Arzt, allerdings Verschleiß der Halswirbelsäule (HWS). Kann man es dabei belassen? Nach Massage der HWS keine weiteren Schwindelanfälle mehr.

Michels: Wenn nur kurzzeitig Schwindel ohne weitere Symptome aufgetreten ist, ist eine Durchblutungsstörung des Gehirns sehr unwahrscheinlich.

Unbekannt: Habe einen LDL-Wert von 115 mg/dl, würden Sie daher ein Medikament verordnen? 

Michels: Wenn das LDL der einzige Risikofaktor ist, würde ich zunächst eine Ernährungsumstellung (zum Beispiel mediterrane Diät) empfehlen statt die Einnahme von Statinen.

Peter R.: Meine linke Halsschlagader ist zu 30 Prozent verengt (Sonographie). Jährlich Kontrolle durch Neurologen. Häufig habe ich Kopfschmerzen, Schwindel und beim Neigen des Kopfes das Gefühl von "Ohnmacht". Ferner hatte ich drei Herzinfarkte und ich habe vier Bypässe. Muss ich wegen der Halsschlagader nochmals operiert werden?

Michels: Eine 30-prozentige Einengung ist nie eine Indikation zur Operation. Einengungen unter 60 Prozent sollten nur medikamentös behandelt werden.

Unbekannt: Was halten Sie von einer Knoblauch/Zitronen-Kur als Alternative für eine Statin-Therapie von 5 mg bei einem Patienten mit niedrigem Risiko? Es liegen anscheinend sehr gute Ergebnisse mit einer solchen 2 x Drei-Wochen-Therapie vor.

Michels: Entscheidend ist die Frage, ob das Cholesterin gesenkt wird. Ob das durch Ernährung oder Statine erreicht wird, ist vermutlich egal.

Unbekannt: Ist ein Cholesterinwert von 260 und ein LDL von 190 behandlungsbedürftig? Triglyceride und HDL-Werte sind normal. Ansonsten liegen keine Risikofaktoren vor. 

Michels: Ein LDL-Wert von 190 sollte unbedingt behandelt werden, auch ohne weitere Risikofaktoren, da nicht nur das Risiko für Einengungen der Halsschlagader erhöht ist, sondern vor allem für Herzinfarkte.

segel: Ist gelegentliches Ohrensummen ein Indiz für schlechte Durchblutung im Gehirn? Verringert ein Statin die Ablagerung immer? Welches Statin ist richtig?

Michels: Ein Ohrgeräusch kann, wenn es pulssynchron ist, selten Hinweis auf eine eingeengte Halsschlagader sein. Ein dauerhaftes nicht pulssynchrones Ohrgeräusch hat mit der Durchblutung des Gehirns nichts zu tun. Statine verhindern die Ablagerung nicht immer, da Cholesterin nicht der einzige Risikofaktor ist.

Doris C.: Ich habe schon seit einigen Jahren eine verengte Halsschlagader. Ich nehme aber schon seit 40 Jahren Kortison ein. Besteht die Gefahr eines Schlaganfalls?

Michels: Wenn die Einengung mehr als 50 Prozent beträgt, aber noch nie Beschwerden verursacht hat, beträgt das Schlaganfallrisiko ungefähr ein Prozent im Jahr. Das ist so gering, dass man eine Operation nicht empfehlen würde.

Holger M.: Mir wurde ein Verschluss der Halsschlagader diagnostiziert. Die Ärzte sagten, man müsse damit leben, besteht da nicht ein erhöhtes Risiko für einen Schlaganfall und muss der Verschluss bleiben?

Michels: Wenn eine Halsschlagader komplett verschlossen ist, wird diese in der Regel nicht behandelt, da die drei weiteren Halsschlagadern offensichtlich genug Blut ins Gehirn transportieren.

Jerti: Habe seit vielen Jahren eine stabile 70-Prozent-Stenose in der Halsschlagader. Wie kann es angehen, dass die Stenose, wie bei dem einen Patienten, sich zurückbildet? Ich nehme Statine und ASS und habe einen LDL von circa 50. Bei mir gibt es aber keine Reduzierung.

Michels: Der Normalfall ist, dass eine Stenose bestenfalls nicht zunimmt. Der im Beitrag gezeigte Rückgang einer Einengung ist eine sehr seltene Ausnahme.

Heike: Bei einer Blutkontrolle wurde bei mir im Rahmen der Familienanamnese der Lipoprotein(a)-Wert kontrolliert und festgestellt, dass er sich um die 500 bewegt statt 75. Welche Konsequenzen hat das für mich und was kann man tun, um diesen Wert zu senken? Meine Eltern und meine Großeltern hatten alle Schlaganfälle.

Michels: Sie sollten sich an einen Lipidologen (Fettstoffwechsel-Spezialist) wenden, da erhöhte Lipoprotein-Werte nicht mit den üblichen Medikamenten behandelt werden können.

Unbekannt: Eine vordere Halsschlagader bei mir bildet einen Knick und die andere vordere bildet eine Schleife, also kein geradliniger Verlauf. Plaque ist altersgemäß. Ich bin 61 Jahre alt. Sollten prophylaktisch Stents gesetzt werden? Und sind in jedem Fall Blutfettsenker notwendig?

Michels: Knick- und Schleifenbildungen sind in der Regel ungefährliche Varianten. In keinem Fall sollten prophylaktisch Stents gesetzt werden.

KARSCH: Ich empfinde seit einigen Tagen rechtsseitig unter der Schädeldecke kurzzeitig ein Stechen, das in Sekundenschnelle wieder verschwindet. Kann das ein Hinweis auf eine sich anbahnende Verstopfung von Hirnkapillaren sein?

Michels: Schmerzen sind in der Regel kein Hinweis auf eine Durchblutungsstörung des Gehirns.

Rosi H.: Ich habe Verengungen beidseitig und das Medikament Rosuvastatin erhalten, das ich wegen Unverträglichkeit abgesetzt habe. Mein Cholesterin liegt bei 210. Was soll ich tun?

Michels: Bei Unverträglichkeiten gegen ein Statin kann ein anderes Statin versucht werden. Wenn es erneut zu Unverträglichkeiten kommt, sollte ein Lipidologe über die anderen Behandlungsmöglichkeiten mit Ihnen sprechen.

Diana: Meine linke Halsschlagader ist komplett verschlossen. Ist es normal, dass ich seitdem bei Anstrengung Beschwerden habe auf der linken Gesichtshälfte?

Michels: Ein Verschluss der linken Halsschlagader macht keine Beschwerden in der linken Gesichtshälfte.

baja: Ist das Screening der Halsschlagadern eine Vorsorgeuntersuchung? Ab welchem Alter?

Michels: Das Screening der Halsschlagader ist keine von den Krankenkassen übernommene Vorsorgeuntersuchung, sondern eine sogenannte IGeL-Leistung. Sinnvoll kann eine Untersuchung bei Vorliegen von Risikofaktoren (hoher Blutdruck, Rauchen, Zuckerkrankheit, erhöhte Blutfettwerte, genetische Anlage) etwa ab dem Alter von 55 bis 60 Jahren sein.

Leander: Seit einigen Monaten habe ich gelegentlich ein über mehrere Tage andauerndes schmerzhaftes Druckgefühl an der linken Halsseite. Oftmals gefolgt von Kopfschmerzen. Könnte das mit einer verengten Halsschlagader zu tun haben? 

Michels: Normalerweise verursachen Einengungen der Halsschlagader keine Kopfschmerzen. Eine seltene Ausnahme bei jüngeren Patienten können Dissektionen sein.

Marita: Ich bin 68 Jahre alt und hatte vor einem Jahr einen Schlaganfall (vorübergehende Sprachstörungen). Seitdem werde ich mit Medikamenten gegen Diabetes und hohen Cholesterin behandelt, sehr erfolgreich. Ich leide unter einer hochgradigen Arteria cerebri posterior Stenose im P2-Segment rechts. Diese wurde ein halbes Jahr vorher trotz neurologischer Untersuchung und MRT nicht erkannt (Grund: Schwindelattacken). Ich lebe in ständiger Angst vor einem neuen Schlaganfall, werde jedes halbe Jahr per Ultraschall mit Kontrastmittel untersucht (keine Besserung). Könnte hier eine OP helfen?

Michels: Bei der Einengung von Adern im Kopf ist man wesentlich zurückhaltender in der Behandlung mit Operationen, weil das Risiko hier deutlich erhöht ist. Bei einer A. cerebri posterior Stenose kommt eine Operation nicht in Frage.

Unbekannt: Ich wurde mit einem Hornersyndrom vor Kurzem ins Uniklinikum Eppendorf (UKE) überwiesen. Eine ausgeprägte Stenose der Halsschlagader wurde diagnostiziert und wird mit ASS seitdem behandelt. Seit nunmehr zwei Wochen höre ich zusätzlich meinen Puls, meistens am Abend. Ist dieses ein Anzeichen einer Besserung oder Verschlechterung und sollte ich dieses nochmals vor der geplanten Nachuntersuchung vom Arzt untersuchen lassen?

Michels: Die Kombination eines Hornersyndroms mit der Stenose der Halsschlagader spricht für das Vorliegen einer Dissektion. Bei Veränderung der Symptome sollte auch im kurzfristigen Verlauf eine Ultraschalluntersuchung erfolgen.

Dieses Thema im Programm:

Visite | 20.10.2020 | 20:15 Uhr

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