Kommentar: Trösten, auffangen, hüten - Kita-Streik ist berechtigt
Ausgerechnet am Weltfrauentag werden arbeitende Mütter wieder belastet, weil manch eine Kita geschlossen hat. Aber Kita-Personal hat allen Grund zu streiken - und ein Streik soll ja unbequem sein.
Ein Kommentar von Sophie Mühlmann
Jetzt auch das noch! - so haben bestimmt unzählige Mütter und Väter gestöhnt, als sie sich den Arbeitstag freischaufeln, wichtige Akten mit nach Hause schleppen und Termine absagen mussten. Der Kita-Streik ist ein Kraftakt für Corona-geplagte Familien - noch einer. Wie oft mussten sich während der Pandemie berufstätige Eltern schon verbiegen, waren wochenlang ans Haus gefesselt und ausgebremst, weil ihrem Kind die Nase lief. Jeder Tag ohne die gefürchteten zwei Striche auf dem Lollitest war ein guter Tag, und gerade Omikron hat ganze Kitagruppen wie Dominosteine hintereinander in ständig neue Quarantänestrecken geschubst.
Bessere Bedingungen, mehr Geld, mehr Anerkennung
Die Nerven liegen einfach blank, und nach zwei Jahren Covid-Alarm platzt nun sicher manchen Eltern wegen des oben draufgesattelten Arbeitskampfes der Kragen. Dennoch: Die Forderungen sind berechtigt. Das Kita-Personal braucht dringend bessere Arbeitsbedingungen, mehr Geld, mehr Anerkennung. Im Erziehungsbereich fehlt es schon jetzt an Fachkräften, der Job muss attraktiver werden, sonst stehen Kitas in zehn Jahren leer da.
Überdurchschnittlich viele Corona-Infektionen in Sozialberufen
Die Verhandlungen standen schon vor zwei Jahren an, aber weil damals gerade das Virus ausbrach, hatte die Gewerkschaft ver.di sie ausgesetzt. Aufgeschoben darf aber nicht aufgehoben sein - trotz Pandemie. Oder auch gerade wegen dieser Zeit, in der die Anforderungen an Erzieherinnen und Erzieher noch gestiegen sind. Sie mussten trösten, auffangen, hüten - und ihr Arbeitsplatz wurde plötzlich sogar gefährlich. Bei einem heulenden Kleinkind ist an Aerosolrisiko oder Maskenpflicht kaum zu denken. Und laut einer AOK-Studie sind die Infektionszahlen in den Sozialberufen tatsächlich höher als in jedem anderen Bereich - höher sogar als in der Krankenpflege.
Ein Streik soll ja unbequem sein
Klar ist es symbolträchtig, wenn ausgerechnet am Weltfrauentag arbeitende Frauen noch zusätzlich belastet werden, weil die Kitas dicht bleiben. Natürlich passt ein Streik nie - aber er soll ja gerade unbequem sein.
