Comeback für das verbotene Fracking?

Stand: 05.05.2022 20:38 Uhr

Fracking war lange ein Tabu. Die Erdgas-Fördermethode ist verboten - das Thema war politisch tot. Aber mit dem Wunsch nach Unabhängigkeit von russischem Erdgas wird wieder über Fracking nachgedacht.

von Hilke Janssen

Martin Busch hatte eigentlich gehofft, dass er sein rotes Protest-Kreuz nie wieder braucht. "No Fracking" steht in weißen Buchstaben auf dem leicht vergilbten Holzkreuz. Der Sprecher der Bürgerinitiative "Walle gegen Gasbohren" aus dem Landkreis Verden hat es nach Jahren zum ersten Mal wieder in der Hand. Denn die Diskussion um die umstrittene Erdgas-Fördermethode nimmt wieder Fahrt auf.

Wäre es fahrlässig, Fracking zu diesem Zeitpunkt ausschließen?

So fordert die FDP im niedersächsischen Landtag, "dass wir erneut über die Chancen, die im Fracking liegen, ergebnisoffen diskutieren". Zurzeit komme Gas aus Regionen der Welt, in denen beispielsweise Menschenrechte nicht eingehalten werden, sagte FDP-Fraktionschef Stefan Birkner dem NDR in Niedersachsen. Deshalb habe Deutschland die Verantwortung, vorhandene Ressourcen, "sofern es verantwortbar ist, auch mit Fracking zu fördern". Auch die Unternehmerverbände Niedersachsen (UVN) halten zumindest eine Diskussion darüber für unbedingt notwendig. Politisch werde doch gefordert, dass es keine Denkverbote geben dürfe, sagte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer Benedikt Hüppe dem NDR. "Da finde ich es fahrlässig, wenn wir jetzt schon wieder Fracking ausschließen."

Die Angst vor giftigen Stoffen im Grundwasser

Beim Fracking wird ein Gemisch aus Wasser, Sand und Chemikalien unter hohem Druck in die Erde gepresst, um Risse im Gestein zu verursachen. So wird Erdgas freigesetzt. In Niedersachsen wurde diese Methode seit den 60er Jahren in konventionellen Lagerstätten bereits mehr als 300 Mal angewendet. 2016 wurde Fracking dann bundesweit verboten - auch weil Bürgerinitiativen wie die von Martin Busch jahrelang massive Proteste organisiert hatten. Seit Beginn der Erdgasförderung rund um Verden und Rotenburg gab es dort immer wieder leichte Erdbeben. Die Erschütterungen verursachten mehrfach Risse in Hauswänden. Darüber hinaus haben die Fracking-Gegner Angst davor, dass giftige Stoffe ins Grundwasser gelangen könnten.

Es könnten 10 Milliarden Kubikmeter Gas gefördert werden

Neutral betrachtet ist das Fracking-Potential interessant: Fast das gesamte deutsche Erdgas-Vorkommen schlummert in niedersächsischem Boden. Bisher werden pro Jahr 5 Milliarden Kubikmeter Erdgas gefördert. Mit Fracking, schätzt die Industrie, könnte es mittelfristig doppelt so viel werden - also 10 Milliarden Kubikmeter. Das wäre dann gut ein Zehntel des deutschen Jahresbedarfs.

Die Landesregierung schließt Fracking weiter aus

Die Landesregierung trotzt der Verlockung: SPD-Energieminister Olaf Lies sagte dem NDR: Fracking im tief liegenden Schiefergestein sei "unvorstellbar". Es trage weder zum Klimaschutz bei, noch sei es eine sinnvolle Brücke zu den Erneuerbaren. "Wir würden damit nur das fossile Zeitalter verlängern", so Lies. Auch CDU-Wirtschaftsminister Bernd Althusmann schließt die umstrittene Technik aktuell aus. "Im Moment sehe ich keine Notwendigkeit und vor allem auch keinen politischen Willen auf Bundesebene. an diese Verbots-Technologie neu heranzugehen", sagte Althusmann im Interview mit dem NDR.

Fracking setzt gesellschaftliche Akzeptanz voraus

Die Erdgas-Industrie selbst ist in der Debatte übrigens zurückhaltend. Einzelne Unternehmen wollen sich gar nicht äußern. Der Bundesverband Erdgas, Erdöl und Geoenergie (BVEG) weiß, wie heikel das Thema Fracking ist. Von dort heißt es, Voraussetzung fürs Fracking wäre die gesellschaftliche Akzeptanz. Wenn man Martin Busch von der Anti-Fracking-Initiative mit seinem roten Protest-Kreuz sieht, ist das zumindest in der Region rund um Verden kaum vorstellbar.

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Dieses Thema im Programm:

Hallo Niedersachsen | 05.05.2022 | 19:30 Uhr

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