Stand: 04.03.2008 20:15 Uhr

Herzkatheter - Zu viele Eingriffe in Deutschland?

Der Herzkatheter macht die Durchblutung des Herzens sichtbar. Mit seiner Hilfe können Ärzte verstopfte Adern wieder durchgängig machen, mit einem aufblasbaren Ballon und metallenen Gefäßstützen. Der Herzkatheter gehört zu den größten Errungenschaften der modernen Medizin, doch Experten warnen: In Deutschland werden die teuren Untersuchungen mit dem Herzkatheter besonders oft durchgeführt, und das sei nicht immer im Interesse des Patienten. Aber die teuren Geräte müssen sich amortisieren, die routinierte Untersuchung per Katheter spart Zeit und nicht zuletzt haben viele Ärzte Angst vor juristischen Konsequenzen, wenn sie nicht alle medizinisch möglichen Diagnosetechniken ausschöpfen und deshalb eine Erkrankung übersehen könnten. Auch der Wunsch ängstlicher Patienten, ganz sicher zu gehen, kann den übermäßigen Einsatz des Herzkatheters fördern.

 

Wann ist der Herzkatheter-Einsatz sinnvoll?

Bei einem akuten Herzinfarkt ist ein Kathetereingriff unumstritten die beste Therapie. Starb früher noch jeder dritte Infarktpatient im Krankenhaus, sind es heute - durch den Katheter - nur noch fünf Prozent. Und: Der Katheter kann Herzschmerzen lindern. Doch 85 Prozent aller Herzkathetereingriffe in Deutschland werden nicht beim akuten Herzinfarkt oder beim sogenannten akuten Koronarsyndrom durchgeführt, sondern bei Patienten mit einer Angina pectoris. Dabei finden die Ärzte enge Stellen in den Herzkranzarterien ohne Herzinfarkt. Wissenschaftliche Studien zeigen: In diesen Fällen kann der Katheter nur die Symptome lindern, aber nicht das Risiko eines Herzinfarkts und die Sterblichkeit senken.

Welche Alternativen gibt es?

2007 hat eine neue Studie bewiesen, dass Medikamente und eine Umstellung der Lebensweise einen Infarkt mindestens ebenso effektiv, dabei aber preiswerter und gesünder, verhindern können wie eine Behandlung mit dem Herzkatheter. Danach schützt eine optimale medikamentöse Behandlung der Grunderkrankung stabile Patienten besser vor Infarkt und Tod als die Aufdehnung von Engstellen mit dem Katheter. Und die Herzkatheteruntersuchung birgt auch Risiken: Es kann zu Gefäßverletzungen, Herzrhythmusstörungen oder schlimmstenfalls sogar zum Infarkt kommen. Das häufigste Problem ist aber eine Nierenschädigung durch das Kontrastmittel. Bei jeder hundertsten Untersuchung kommt es zu ernsthaften Komplikationen. Das ist bei einer notwendigen Untersuchung und Behandlung gut zu akzeptieren, bei einer eigentlich überflüssigen Untersuchung aber nicht.

Virtuelle Verfahren wie Kardio-Kernspin und Kardio-Computertomographie sind bisher keine Alternative zum Herzkatheter und werden meist nur bei schwerkranken Patienten eingesetzt, für die eine Katheteruntersuchung zu belastend wäre. Und: Wird dabei eine Erkrankung festgestellt, ist für die Behandlung trotzdem ein Kathetereingriff nötig. Bei der Entscheidung für oder gegen den Katheter kommt es also auf den Einzelfall an. Geben mindestens zwei der Parameter klinische Symptome, Ruhe-EKG, Belastungs-EKG, Echokardiografie, Belastungs-Echokardiografie, Laborwerte und nuklearmedizinische Untersuchung (Myocardszintigrafie) Anlass zur Sorge, sollte eine Katheteruntersuchung durchgeführt werden - als Routine-Verfahren ist sie aber nicht geeignet.

Interviewpartner im Studio:

PD Dr. Gerian Grönefeld
Zentrum Innere Medizin und Neurologie
1. Medizinische Abteilung - Kardiologie
Asklepios Klinik Barmbek
Rübenkamp 220
22291 Hamburg
Tel. (040) 18 18 82 48 11
Fax (040) 18 18 82 48 19

Interviewpartner im Beitrag:

Prof. Dr. Peter Baumgart
Klinik für Innere Medizin I
Clemenshospital Münster
Düesbergweg 124
48153 Münster
Tel. (0251) 976 24 51
Fax (0251) 976 24 52
E-Mail: p.baumgart(at)clemenshospital.de

Autor des Fernsehbeitrags:
Dr. Tilman Hassenstein

Dieses Thema im Programm:

Visite | 04.03.2008 | 20:15 Uhr

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