Stand: 19.02.2019 08:35 Uhr

Wann Babyspeck gefährlich wird

Ein Kind misst seinen Bauchumfang © fotolia.com Foto: kwanchaichaiudom
"Babyspeck" verwächst sich leider nicht immer von allein.

Was der neunjährige Moritz und vorher schon der damals zwölfjährige Jan mit Unterstützung der Ernährungs-Docs geschafft haben, das ist für immer mehr Schüler ein Thema: "Ordentlich was abnehmen." Moritz wog 48 Kilo bei 1,38 Meter Größe und hatte bereits auffällige Nüchternblutzuckerwerte - eine Diabetes-Vorstufe. Jan brachte bei 1,60 Metern stolze 76 Kilo auf die Waage. Als er dann noch über häufige Kopfschmerzen klagte, maß Jans Mutter den Blutdruck: 154:94 mm/Hg. Viel zu viel! Höchste Zeit für die Notbremse.

"Schon drei Prozent der Kinder leiden an Bluthochdruck, weil sie übergewichtig sind", sagt Dr. Matthias Riedl. Der Hamburger Ernährungsmediziner betrachtet die Entwicklung mit Sorge: Fettleibigkeit ist stark auf dem Vormarsch. Altersdiabetes, also die ernährungsbedingte Variante der Zuckerkrankheit, kommt jetzt schon bei Kindern vor: Als bisher jüngste Patientin machte vor Kurzem eine Dreijährige in den USA damit Schlagzeilen. Riedl hat die Erfahrung gemacht: "Kindliches Übergewicht verwächst sich nicht von allein. Die Weichen müssen rechtzeitig gestellt werden." Denn sonst, warnt Riedl, werden aus dicken Kindern dicke, kranke Erwachsene.

Ärzte fordern Umdenken

Deutschlands Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) schlagen Alarm: Seit den 1980er-/1990er-Jahren hat der Anteil der übergewichtigen Kinder um die Hälfte zugenommen, der Anteil fettleibiger sogar um 100 Prozent. Kinder zwischen 6 und 11 Jahren konsumieren Studien zufolge im Schnitt etwa doppelt so viele Süßigkeiten und zuckergesüßte Getränke wie vom Forschungsinstitut für Kinderernährung (FKE) empfohlen - jedoch leider nicht einmal halb so viel Obst und Gemüse, wie gut für sie wäre. Wegen dieser besorgniserregenden Entwicklung haben sich der Kinerärzteverband und die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) schon 2018 in einem offenen Brief an die Bundesregierung gewandt. Sie fordern unter anderem Sonderabgaben auf gesüßte Getränke und Beschränkungen der an Kinder gerichteten Süßigkeiten-Werbung. Denn Familien haben es heutzutage nicht leicht, das allgegenwärtige Überangebot an Ungesundem zu umschiffen.

Für die ganze Familie
Eine Schüssel mit Zucchninistreifen in Nudelform , daneben liegt eine ganze Zucchini. © imago/Westend61 Foto: Sandra Roesch

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Vorsicht mit Diäten!

Klar ist: "Weniger essen", das allein hilft bei Fettleibigkeit nicht. Vielmehr kommt es darauf an, das Richtige zu konsumieren - beim Essen wie bei den Getränken. Insbesondere Zucker einsparen: Süßigkeiten, Nachtische - und ganz besonders Limo und andere Süßgetränke.

Radikales Abspecken ist bei Kindern allerdings nicht angesagt. Durch klug zusammengestelltes Essen und genügend Bewegung sollen Heranwachsende stattdessen im Laufe eines Jahres ihr Gewicht ungefähr halten, während sie in die Länge wachsen.

Ist mein Kind zu dick?

Was ist beim Schulkind die Obergrenze für Normalgewicht? "Eine grobe Orientierung gibt die Faustformel: Größe des Kindes in Zentimetern minus 100", sagt Riedl. Ein Achtjähriger etwa, der 1,28 Meter misst und 32 Kilo wiegt, hat also deutlich Übergewicht.

Noch vor der Pubertät gegensteuern

Moritz und Jan haben es noch rechtzeitig aus der Gefahrenzone geschafft. Denn je früher man das Ruder herumreißt, desto einfacher ist das Übergewicht zu besiegen - und desto besser die Gesundheitsprognose, desto länger die Lebenserwartung. "Man sollte früh gegensteuern", sagt Ernährungs-Doc Jörn Klasen, "denn mit der Zeit wird das Abnehmen immer schwieriger."

Übergewicht und seine Folgen

Studien zeigen: Übergewichtige Menschen sind nicht nur einem hohen psychosozialen Leidensdruck ausgesetzt. Sie sind auch anfälliger für Folgeerkrankungen, etwa

  • Herz- und Kreislauferkrankungen (Schlaganfall, Herzinfarkt, koronare Herzkrankheit)
  • Arteriosklerose
  • Diabetes mellitus Typ 2
  • Gelenkerkrankungen
  • Venenleiden (Krampfadern)
  • Atmungsstörungen im Schlaf (Schlaf-Apnoe)
  • hormonelle Beschwerden, verminderte Fruchtbarkeit (PCO-Syndrom)
  • Erkrankungen von Galle und Leber
  • erhöhtes Krebsrisiko (Gebärmutter, Brust, Prostata, Gallenblase, Darm)
  • Hauterkrankungen
  • Komplikationen bei Geburt und Stillzeit

Dieses Thema im Programm:

Markt | 31.05.2021 | 20:15 Uhr

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