Unter-65-Jährige: AstraZeneca nehmen - oder hinten anstellen
Vorbehalte gegen AstraZeneca führen dazu, dass Impfberechtigte in Niedersachsen in letzter Sekunde eine Impfung ausschlagen. Wer jünger als 65 Jahre ist, erhält aber zurzeit nur diesen Impfstoff.
"Ein Ausweichen auf einen anderen Impfstoff wird es nicht geben", stellte Regierungssprecherin Anke Pörksen am Dienstag in der wöchentlichen Pressekonferenz des Corona-Krisenstabs klar. Sie forderte die Impfberechtigten unter 65 Jahren deshalb dazu auf, vor ihrem Besuch im Impfzentrum klar zu sagen, dass sie nicht mit dem AstraZeneca-Vakzin geimpft werden möchten. Im Impfzentrum werde man kein anderes Vakzin bekommen.
Wer nicht will, muss warten
Die stellvertretende Leiterin des Corona-Krisenstabs, Claudia Schröder, ergänzte: "Wir machen allen, entsprechend der Priorität, ein Impfangebot, aber wenn das dann ausgeschlagen wird, sind platt die nächsten an der Reihe, die sich impfen lassen wollen." Entscheide sich die Person dann später doch dazu, sich impfen lassen zu wollen, könne es mit einem neuen Impfangebot dauern.
"Es gibt keinen Grund, den Impfstoff abzulehnen"
Laut Schröder stellen diese kurzfristigen Absagen die Impfzentren vor Probleme. Denn die freigewordenen Termine könnten in der Regel nicht mehr am selben Tag neu besetzt werden. Aus dem Bereich der ambulanten Pflege lehnten rund 40 Prozent der Berechtigten den AstraZeneca-Impfstoff ab. "Das ist fachlich völlig unbegründet und nicht nachvollziehbar", sagte Schröder. "Der Impfstoff ist wirklich gut und es gibt keinen Grund dafür, ihn abzulehnen." Sie gehe davon aus, dass es sich bei den Impf-Rückziehern um ein temporäres Problem handelt.
Überbuchungen sollen helfen
Zudem gebe es die Möglichkeit, die Impftermine zu überbuchen. Ähnlich wie etwa Fluggesellschaften oder Hotels es handhaben, könnten etwas mehr Termine vergeben werden, als Impfstoff zur Verfügung steht, um am Ende alles zu verimpfen, so Schröder. "Impfzentren, bei denen häufig Impfstoff ungenutzt bleibt, sollten die Möglichkeit nutzen."
Land drängt Kommunen zu mehr Tempo beim Impfen
Diese kurzfristigen Absagen sind laut Pörksen auch einer der Gründe dafür, dass das Impfen derzeit nicht so schnell vorangeht, wie sich die Landesregierung das wünscht. "Wir gehen von einem guten Willen und einer guten Einsatzbereitschaft in allen Bereichen aus, aber da geht noch was." Insgesamt müsse das Impfen jetzt schneller vorankommen und das Tempo von Woche zu Woche gesteigert werden. Ginge es nach dem Willen der Landesregierung, würden möglichst auch alle sieben Tage der Woche für Impfungen genutzt, sagte die Regierungssprecherin. Doch für die Personal- und Einsatzplanung in den 50 Impfzentren im Land sind die jeweiligen Landkreise und kreisfreien Städte zuständig.
Impfangebot für alle ab 80 Jahren bis Ende März
Derzeit sind laut Schröder in Niedersachsen mehr als eine halbe Millionen Dosen der drei zugelassenen Impfstoffe verimpft worden: 376.731 Menschen erhielten inzwischen eine Erstimpfung und 173.123 eine Zweitimpfung. Für alle Menschen ab 65 Jahren seien ausschließlichen die mRNA-Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna vorgesehen. Für sie hatte die Ständige Impfkommission (Stiko) eine Impfung mit dem AstraZeneca-Impfstoff aufgrund einer zunächst unzureichenden Datenlage nicht zugelassen. Bis Ende März werde man allen Menschen ab 80 Jahren ein Impfangebot machen können, sagte Schröder. Aber schon jetzt seien in einigen Kommunen erste Impfungen in der zweiten Prioritätsgruppe mit dem AstraZeneca-Impfstoff gestartet. Zunächst werden dort gruppenweise Menschen aus Institutionen wie Krankenhäusern, Behinderteneinrichtungen oder Ärztehäusern geimpft. Einzelpersonen aus der zweiten Kategorie können sich laut Pörksen derzeit noch nicht impfen lassen.
Pilotprojekt mit Impfung beim Hausarzt wird ausgebaut
Um mehr Menschen schneller impfen zu können, sollen künftig auch Haus- und Fachärzte in die Impfungen mit einbezogen werden. Dazu läuft derzeit ein Pilotprojekt. Nach einer Zwischenauswertung am Donnerstag soll dieses Verfahren in der kommenden Woche ausgeweitet werden, sagte Schröder. Wenn künftig größere Mengen des AstraZeneca-Impfstoffs geliefert würden, wolle man gut aufgestellt sein.
Bund-Länder-Gespräche am Mittwoch
Impfungen seien auch deshalb besonders wichtig, weil die Zahl der Neuinfektionen aktuell nicht weiter sinke, sondern stagniere, sagte Schröder. 291 Neuinfektionen und eine Sieben-Tages-Inzidenz von 67,7 sowie 51 weitere Todesfälle wurden am Dienstag registriert. Was dies für das weitere Vorgehen in der Pandemie und mögliche Lockerungen bedeutet, darüber beraten am Mittwoch die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten mit der Bundeskanzlerin. Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) wollte sich laut Pörksen im Vorfeld nicht an einem "Spekulations-Kuddelmuddel" beteiligen. "Wir haben ein großes Interesse, zumindest in Norddeutschland einvernehmliche Regelungen zu treffen", so Pörksen. Die Regierungssprecherin wies aber darauf hin, dass es angesichts der aktuell schwierigen Phase nicht nur um Lockerungen gehen werde, sondern auch um flankierende Maßnahmen. "Wir werden sehr vorsichtig vorgehen müssen, um nicht ganz schnell in eine höhere dritte Welle hineinzukommen", sagte Pörksen.
Schnelltest und Lehrer-Masken für die Schulen
Um bei einer möglichen Öffnung der Schulen für weitere Schülergruppen für mehr Sicherheit zu sorgen, hat das Land die Beschaffung von Schnelltests für Schulen ausgeschrieben. Ein Einsatzkonzept für die Testungen an Schulen befinde sich in der Abstimmung, sagte Schröder. Wann die Tests starten, ist noch unklar. Als weitere Sicherheitsmaßnahme für die Schulen hat Niedersachsen zudem mit der Auslieferung von fünf Millionen Corona-Schutzmasken für Lehrerinnen und Lehrer. Am Mittwoch will Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) über den Fahrplan für die Schul-Öffnungen entscheiden.
