Emil Nolde und das Meer in allen Farben
Am 13. April 1956 stirbt der Maler Emil Nolde in Seebüll. Besonders die norddeutschen Landschaften sind ein Schlüsselmotiv in seinem umfangreichen Werk von Zeichnungen, Aquarellen und Ölbildern. Sein Verhältnis zum Nationalsozialismus war zumindest widersprüchlich.
Der kleine Emil Hansen wird am 7. August 1867 im kleinen Dorf Nolde bei Tondern als vierter Sohn von insgesamt fünf Kindern einer Bauernfamilie geboren. In der Familie lassen sich keine künstlerischen Begabungen und Ambitionen feststellen, obwohl die Mutter, die er immer bewundert hat, fantasievoll und sensibel war. So gestaltet sie zum Beispiel mit viel Liebe den Blumengarten, wie Nolde später auch.
Kein guter Schüler, aber zeichnerisch begabt
Als Kind besucht Emil Hansen die einklassige Volksschule. Dort fällt auf, dass er zeichnerische Begabungen hat. Doch ansonsten ist Nolde kein guter Schüler. Irgendwann zu Weihnachten wird sein großer Wunsch erfüllt: Er bekommt einen Malkasten. Nun muss er sich nicht mehr mit eigenen Farben aus Rote-Bete- und Holunderbeerensaft behelfen.
Nolde ist ein Autodidakt. Schon früh probiert er vieles aus: Er bemalt Stalltüren, Bauernkarren und kleine Tonfiguren. Der Vater verhindert anfangs den Wunsch des Sohnes nach künstlerischer Tätigkeit. Nach Abschluss der Schule mit 14 arbeitet er ein Jahr lang auf dem elterlichen Hof in der Landwirtschaft. Dann finden Vater und Sohn einen Kompromiss: Emil Nolde darf sich in einem künstlerischen Handwerk ausbilden lassen.
Von 1884 bis 1888 absolviert er eine Schnitzerlehre in der Sauermannschen Möbelfabrik in Flensburg. Als Lehrling darf er auch bei der Restaurierung des berühmten Brüggemann-Altars im Schleswiger Dom fehlende Hellebarden und Schwerter der Kriegsknechte schnitzen. Eine seiner letzten Arbeiten in Flensburg sind vier tiefsinnige Eulen für einen Schreibtisch, den Theodor Storm in Auftrag gegeben hatte.
In München, Karlsruhe und Berlin ist er als Facharbeiter tätig, bevor er 1892 Gewerbelehrer in St. Gallen wird. Erste zögernde Versuche: Bergmotive, die als Postkarten auf den Markt kommen und ihm überraschend 25.000 Franken einbringen. Der Weg ist frei für ein Studium, für eigene Arbeiten im Berliner Atelier oder später auf seinem Hof in Seebüll. Nach sechsjährigem Aufenthalt in der Schweiz gibt er die gesicherte Existenz wieder auf.
Der Reiz von Landschaften, vor allem norddeutscher
Noldes Anfänge sind behutsam. Die im Impressionismus wurzelnden Bilder zeigen Blumen, Gartenstücke, Landschaften, das Meer. Allein das Thema "Herbstmeer" wird 17 Mal variiert. Es sind Schlüsselmotive, zu denen Nolde auch noch nach Jahren wieder zurückkehrte. Nur wurden die Farben intensiver, greller, glühender.
1900 kehrt er in den Norden zurück, und zwar nach Kopenhagen. Er lebt in einem kleinen Zimmer und fühlt sich in der Großstadt völlig verloren, bis er der Schauspielerin und Musikerin Ada Vilstrup begegnet. Damit geht seine "vorbereitende Lebenszeit zu Ende", wie er es selbst ausdrückte. Als Zeichen dafür mag gelten, dass der Name Hansen nach der Hochzeit abgelegt und durch den Namen Nolde ersetzt wird.
Ada und Emil Nolde kaufen ein Fischerhaus auf der Ostseeinsel Alsen, die heute zu Dänemark gehört. Die Winter verbringen sie in einem Atelier in Berlin. Ab 1909 kommen sie während der Sommermonate an die rauere Westküste. Nach einer schweren Krankheit malt Emil Nolde dort die berühmten Ölbilder "Abendmahl" und "Pfingsten".

In den Jahren 1903 und 1904 unternehmen Ada und Emil Nolde eine Reise nach Ostasien. Die berückende Farbenpracht der Landschaften hinterlässt deutliche Spuren im Werk des Künstlers. Von 1906 bis 1907 ist er kurzzeitig Mitglied der Künstlergruppe "Brücke". 1926 schließlich kauft Emil Nolde den Hof in Seebüll in der Nähe von Niebüll.
Widersprüchliches Verhältnis zum Nationalsozialismus
Arbeit, das hieß für ihn die Suche nach immer neuen Ausdrucksmitteln, das Vibrieren einer ganzen Farbskala in der Luft, wie bei dem Gemälde "Erntetag", die derb und schwarz hingeschriebenen Steinzeichnungen.
Die Grafiken als Ausdruck innerer Spannungen, die Welt der Gegensätze mit ihren Fratzen, Trollen, Kobolden, Gespenstern und Masken. Mit seinen Bildern stieß er auf Ablehnung und Verständnislosigkeit beim Publikum. Seinen Kritikern antwortete er: "Harmlose Bilder sind selten was wert."
Der Außenseiter des deutschen Expressionismus hatte keinen Platz im Kunstleben des Dritten Reiches.
Trotz auch öffentlich geäußerter Sympathie mit den Ideen der Nationalsozialisten - Emil Nolde wetterte immer wieder gegen Rassenvermischung und verstieg sich zu deutschtümelnden oder chauvinistischen Aussagen - galt Emil Nolde ab 1941 als entarteter Künstler. In der Münchner Ausstellung "Entartete Kunst" werden 29 Werke diffamiert, darunter "Das Leben Christi".
Seine Bilder verschwinden in den Magazinen. 1.052 Werke werden von den Nationalsozialisten beschlagnahmt. 1941 wird er aus der Reichskulturkammer ausgeschlossen, man belegte ihn mit einem polizeilich überwachten Malverbot. Der Schriftsteller Siegfried Lenz griff diese Zeit in seinem Roman "Deutschstunde" auf. In dieser Zeit bis 1945 entstanden 1.300 ungemalte Bilder, heimlich skizzierte Entwürfe zu Bildern, die später vollendet werden sollten. Kleinformatige Aquarelle und Pinseltuschzeichnungen.
Beachtliches Spätwerk in hohem Alter
Nach 1945 folgte Anerkennung auf Anerkennung: Professorentitel, Grafikpreis auf der Kunstbiennale von Venedig, der Orden "Pour le Mérite". Aus vielen der kleinen ungemalten Bilder entstand noch ein eindrucksvolles Spätwerk an großen Gemälden.
1946 stirbt Ada Nolde. Emil Nolde überlebt sie um zehn Jahre an der Seite seiner zweiten Frau. Mit 81 heiratet er die 26-jährige Jolanthe Erdmann, die Tochter eines befreundeten Komponisten und Pianisten. Am 13. April 1956 stirbt der Maler in Seebüll.
Die Beziehung zu Ada, die Beziehung seines Lebens, lebt weiter im Haus Seebüll, dem Sitz der Stiftung-Ada-und-Emil-Nolde. Die beiden haben dort eine gemeinsame Ruhestätte in einem wundervollen Garten. Dieser Garten war ihnen stets ein Herzensanliegen.
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Fassung des Artikels hieß es fälschlicherweise, Alsen sei eine dänische Ostseeinsel. Das ist heute so. Zu der Zeit, als das Ehepaar Nolde das Fischerhaus kaufte, gehörte die Insel zum Deutschen Reich.
