Der Flüchtling und das Dorfmädchen: Eine Liebe fürs Leben
Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 machen sich Millionen Deutsche aus den Ostgebieten auf den Weg nach Westen. Auch der elfjährige Eckehard Raabe und seine Familie flüchten und finden eine Heimat in Rossin bei Anklam. Hier beginnt ein neues Leben und eine Liebe, die bis heute hält.
Eckehard Raabe ist elf Jahre alt, als er mit seiner Familie Anfang 1945 die Heimat, den Ort Beelitz im Kreis Pyritz, 20 Kilometer hinter Stettin in Hinterpommern verlassen muss. Er erinnert sich, dass sie noch schnell ein Schwein geschlachtet und eingepökelt haben. Das und das Nötigste kommen auf den Pferdewagen. Mit dem beginnt für Eckehard Raabe und seine Familie eine lange Irrfahrt Richtung Westen, auf der sie hin- und hergeschickt werden.
Traumatische Erlebnisse auf der Flucht
Noch in den letzten Kriegstagen muss der Elfjährige erleben, wie seine Mutter vor seinen Augen von SS-Leuten erschossen wird. Ein Trauma, das ein Leben lang bleibt. Im Frühjahr 1945 landen die Raabes endlich in einem kleinen Dorf bei Anklam - in Rossin. Hier im Schloss kommen sie unter - Eckehard Raabe, sein Bruder, sein Vater und die Oma. Nach dem Krieg leben 24 Flüchtlingsfamilien im Schloss. Große Räume werden mit Vorhängen unterteilt, damit mehrere Familien unterkommen können. Meist schlafen sie auf Strohsäcken.
Die Rossiner rücken für die Flüchtlinge zusammen
Auch einheimische Familien in Rossin müssen für die Flüchtlinge aus den deutschen Ostgebieten zusammenrücken. Daran erinnert sich Christel Raabe, die hier geboren wurde und damals fünf Jahre alt war. "Da war der Bürgermeister Österreich, der hat die Hand drauf gehabt und gesagt, 'hier ist noch was frei und hier ist noch was frei'. Wir waren sechs Personen und mussten auch eine Flüchtlingsfamilie aufnehmen. Die hatten eben nur ein Zimmer."
Flüchtlinge und Einheimische werden zu Gemeinschaft
Ab den 1950er Jahren bekommen die Flüchtlinge die Möglichkeit, sich eigene Häuser zu bauen oder auszubauen. In Rossin wird dafür der alte Kuhstall abgerissen und die Ziegelsteine neu vermauert. Eckehard Raabes Vater baut die alte Stellmacherei wieder auf. Alte Rossiner und Zugezogene wachsen zu einer Dorfgemeinschaft zusammen. Alle 14 Tage ist Tanz im Saal vom Schloss.
65 Jahre verheiratet
Eckehard Raabe geht zur Schule, lernt Tischler und Stellmacher, später noch Schlosser. Christel macht eine Lehre als Köchin. Als die Beiden älter werden, spielen sie im Saal des Schlosses zusammen Theater. "Da war eine große Milchbank für 20 Kannen, da haben wir drauf gesessen. Und da hat sich etwas entsponnen", erinnern sich beide heute noch. "Wer hat gedacht, dass wir so ein altes Ehepaar werden, dass wir so viele Jahre schaffen." Christel und Eckehard Raabe - das Dorfmädchen und der Flüchtling - sind nun seit 65 Jahren verheiratet.
