Nichts spricht gegen eine Zuckersteuer
Zusätzliche Steuern auf zuckerhaltige Getränke, Alkohol und Tabak könnten nach neuen Untersuchungen ein wirksames Mittel gegen Krankheiten sein. Eine britische Fachzeitschrift hat das entsprechende Ergebnis von fünf internationalen Studien veröffentlicht. Demnach können höhere Preise die Nachfrage nach ungesunden Produkten vor allem bei einkommensschwachen Gruppen senken. In Großbritannien wird jetzt eine solche Zuckersteuer eingeführt. Sollte Deutschland nachziehen?
Ein Kommentar von Peter Mücke, NDR Info

Noch bevor das Thema Zuckersteuer ernsthaft diskutiert werden konnte, hallt jetzt schon wieder der Empörungsschrei "Bevormundung" durch die Republik. Bei der FDP und großen Teilen der Union gehören solche angeblich der Freiheit des Bürgers dienenden Reflexe zur politischen Selbstdefinition, auch wenn dahinter wohl eher eine kühle wirtschaftsfreundliche Politik stecken dürfte. Dass aber selbst bei der neuen Grünen-Spitze die Angst vor der Schmähung "Verbotspartei" inzwischen so groß ist, dass sie von einer Zuckersteuer nichts wissen will, ist dann doch überraschend.
Immer mehr Übergewichtige
Aber was spricht eigentlich gegen eine Steuer auf übersüßte Lebensmittel? Dass zu viel Zucker schädlich ist, bestreitet wohl nicht mal mehr der härteste Lebensmittel-Lobbyist. Fast überall auf der Welt steigt die Zahl übergewichtiger Menschen, häufig sind schon Kinder betroffen. In Deutschland gilt jeder vierte Erwachsene und jeder zehnte Jugendliche als fettleibig. Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes sind die Folge. Schon heute sind in Deutschland 6,7 Millionen Menschen an Typ-2-Diabetes erkrankt, Tendenz steigend.
Gesünder leben spart Geld
Schon aus volkswirtschaftlicher Sicht sollte also eigentlich jedes Mittel recht sein, die Gesundheit der Bürger zu schützen. In Deutschland gehen 70 Prozent der Ausgaben im Gesundheitswesen auf Lebensstil-bedingte Erkrankungen zurück - wobei dazu nicht nur falsche Ernährung, sondern auch Bewegungsmangel und Krankheiten gehören, die durch Stress ausgelöst werden.
Fest steht: Es könnte viel Geld gespart werden, wenn alle ein bisschen gesünder leben würden. Dazu kann - neben vielen anderen Maßnahmen - auch eine Zuckersteuer beitragen.
Das Beispiel Großbritannien
Beispiel gefällig? In Großbritannien wird in diesen Tagen eine solche Steuer eingeführt. Für mehr als 50 Gramm Zucker pro Liter Getränk werden umgerechnet 20 Cent fällig. Bei mehr als 80 Gramm erhöht sich die Abgabe auf 27 Cent. Zum Vergleich: In Deutschland stecken in Fanta und Sprite sogar 90 Gramm Zucker pro Liter. Die Reaktion der britischen Getränkeindustrie ließ nicht lange auf sich warten: Pünktlich zur Einführung der Steuer senkten die Hersteller den Zuckeranteil in den Limos knapp unter den Grenzwert. Was aber nach deren Interpretation natürlich nichts mit der neuen Abgabe zu tun hat.
Ähnliche Erfahrungen haben Frankreich, Irland, Portugal, Belgien, Norwegen, Estland, Mexiko, Saudi-Arabien, Singapur und Südafrika gemacht. Auch dort gibt es Sonderabgaben auf zuckerhaltige Getränke mit dem Ergebnis, dass entweder der Absatz zurückgegangen ist oder die Hersteller ihre Rezepte geändert haben.
Auch Lebensmittel-Ampel muss her
Sicher, die Zuckersteuer allein wird das Problem von Fettleibigkeit und Zivilisationskrankheiten nicht lösen. Genauso wichtig wäre die Einführung einer Ampel-Kennzeichnung auf allen Lebensmitteln. Denn zu viel Zucker steckt nicht nur in Cola und Co., sondern auch in scheinbar unverdächtigen Lebensmitteln - etwa in Knusper-Müsli, Fruchtjoghurt oder Fertig-Pizza. Aber auch eine solche Lebensmittel-Ampel hat vor allem die Union bisher erfolgreich verhindert. Die angebliche Freiheit des Bürgers scheint weiten Teilen der Politik wichtiger zu sein als das Recht auf Information, Schutz und Aufklärung.
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