Eine medzinische Gerätschaft wird präsentiert.

Lübecker Institut erforscht zukunftsweisende Nanomedizin

Stand: 22.06.2021 11:58 Uhr

In der Krebstherapie oder als winzige Schwimmer in der Blutbahn: In Lübeck erforscht die neu gegründete Fraunhofer-Einrichtung für Individualisierte und Zellbasierte Medizintechnik (IMTE) den Einsatz von Nano-Technologie.

von Astrid Wulf, NDR Info

Im Grunde ist es Rost, was die Forscherinnen und Forscher der Lübecker Fraunhofer-Einrichtung Krebspatientinnen und -patienten in die Blutbahn schleusen wollen. Genauer gesagt: Eisenoxid-Moleküle. "Die grundsätzliche Idee ist, dass wir die Partikel dahin bringen, wo der Tumor ist. Wenn wir dann im Tumorgewebe sind, können wir dort ganz zielgenau die Partikel erwärmen. Und nur im Tumor werden die Partikel warm und zerstören das Tumorgewebe", erklärt Mandy Ahlborg vom Fraunhofer IMTE.

Schonende Krebstherapie

Solch eine Krebstherapie wäre frei von Bestrahlung und Chemotherapie und damit viel schonender für die Patientinnen und Patienten. Und die Eisenoxid-Teilchen verschwinden irgendwann wieder von selbst. "Die Partikel selber sind nicht schädlich für den Körper, die werden auch wieder über den Körper ausgeschieden. Je nach Partikel dauert das eine ganze Weile, aber durch natürliche Vorgänge im Körper werden die Partikel abgebaut."

Alternatives Kontrastmittel zu Röntgenstrahlen

Durch Magnetfelder werden die Eisenoxid-Partikel nicht nur erhitzt, sie machen die Partikel auch auf einem Bildschirm sichtbar - wie ein Kontrastmittel. Das Verfahren heißt "Magnetic Particle Imaging" und ist wiederum eine schonende Variante etwa zu Röntgenstrahlen, sagt Thorsten Buzug, Direktor des Fraunhofer IMTE. "Im Katheter-Labor zum Beispiel ist es so, dass sehr viel Röntgenstrahlung verwendet wird, um beispielsweise einen Stent zu platzieren, wenn es eine Einengung in einem Gefäß gibt. Hier denken wir, dass wir mit dem Einsatz der Nano-Partikel ein bildgebendes Verfahren haben, mit dem wir dreidimensionale Bildgebung machen können, die frei von jeglicher Dosis ist und dem Patienten viel schonender ermöglicht, diese Art von chirurgischen Instrumenten zu platzieren."

Einsatz der Technik erst in einigen Jahren

Auch wenn bereits erforscht sei, dass Eisenoxid für den menschlichen Körper unbedenklich ist, könnte es noch einige Zeit dauern, bis die Technik zum Einsatz kommt, schätzt Buzug. "Die Anwendung am Menschen steht kurz bevor, wir sind dabei, die entsprechenden Ethik-Anträge zu stellen. Wobei man aber sagen muss, dass der Schritt in den Markt durchaus noch fünf bis zehn Jahre dauern kann. Denn die Nano-Partikel, diese Kontrastmittel, müssen gleichzeitig mit der Technik zugelassen werden. Und Zulassungsprozesse sind sehr kompliziert, kostspielig und brauchen die meiste Zeit in der Entwicklung."

Schwimmer, die sich in Blutgefäßen bewegen

Winzige Schwimmer aus der Nanomedizin auf einer 2-Cent-Münze. © NDR
Die Schwimmer, hier in der Mitte einer 2-Cent-Münze, sind gewunden und winzig.

Die Forscherinnen und Forscher an der neuen Fraunhofer-Einrichtung in Lübeck arbeiten zudem an Nano-Technologie im größeren Format: immer noch winzige Schwimmer, deren gewundene Form an Schrauben erinnert. Laut Physikerin Anna Bakenecker könnten sie sich, magnetisch gesteuert, irgendwann in Blutgefäßen fortbewegen, wo sie zum Beispiel Medikamente an bestimmte Stellen im Körper transportieren oder im Gehirn gefährliche Aneurysmen verschließen. Viele Einsatzmöglichkeiten wären denkbar. "Eine weitere Möglichkeit ist, dass man verstopfte Gefäße damit wieder freibekommen kann. Man kann auch, wenn man etwas größer wird, etwa Videokameras installieren und dann wirklich Dinge von innen sehen und nach außen übertragen."

Bisher ist es der Forscherin gelungen, Schwimmer in einer Größe von einem Millimeter zu entwickeln. Da geht aber noch mehr beziehungsweise weniger. "Wir denken, dass wir einige Mikrometer entwickeln können. Dann sind die Schwimmer etwa so lang wie ein Haar dick ist. Das ist aber noch Zukunft."

Neben der Nano-Medizintechnik wird am Fraunhofer IMTE noch in anderen Bereichen geforscht, unter anderem zu minimalinvasiven, roboterunterstützten Operationstechniken sowie automatischer Langzeitbeatmung. Für die Forschung gab es einen Förderbescheid vom Land über gut 12 Millionen Euro, weitere 29 Millionen sollen bis 2026 fließen.

Dieses Thema im Programm:

NDR Info | | 22.06.2021 | 09:25 Uhr

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