Grafik einer Krebszelle © Fotolia.com Foto: fotoliaxrender

Naturheilkunde bei Krebs: Wann ist Komplementärmedizin sinnvoll?

Stand: 20.08.2019 14:50 Uhr

Diagnose Krebs: Nach dem ersten Schock folgen belastende Therapien mit Operation, Bestrahlung und Chemotherapie. In dieser Situation hoffen viele Betroffene auf Hilfe durch Naturmedizin.

Das Angebot an komplementären, also ergänzenden Krebs-Therapien ist riesig, reicht von Vitaminen über Heilkräuter bis hin zu Yoga oder Meditation. Bei einigen Therapien ist der Nutzen eindeutig durch Studien belegt, bei vielen aber fehlen Daten zur Wirksamkeit.

Neue Leitlinie für Komplementärmedizin

Für den Laien, aber auch für viele Mediziner, ist dies nur schwer zu durchschauen. Orientierungshilfe soll nun eine neue S3-Leitlinie schaffen, die es erstmals für diese Komplementärmedizin gibt. Sie bietet Ärzten und Patienten Informationen, welche Behandlungsmethoden wissenschaftlich fundiert sind und welche nicht. Über 70 Krebs-Experten aus 46 Fachgesellschaften haben diese Leitlinie gemeinsam erarbeitet.

Die Therapien werden darin in drei Kategorien eingeteilt:

  • soll empfohlen werden, weil der Nutzen eindeutig belegt und sehr bedeutsam ist.
  • sollte empfohlen werden, weil der Nutzen belegt und bedeutsam ist.
  • kann empfohlen werden, weil es zwar Hinweise in Studien für eine Wirksamkeit gibt, der Nutzen aber noch nicht eindeutig belegt ist.

Dazu kommen Informationen, welche Therapien nicht empfohlen werden (Beispiele: Amygdalin, ein Stoff aus Aprikosenkernen, oder die Ozon-Sauerstoff-Therapie).

 

Komplementäre Krebstherapie ist keine Alternativmedizin

Beim Einsatz von Naturheilkunde in der Krebsmedizin geht es nicht um Alternativen zur klassischen Krebsmedizin, sondern um deren Ergänzung - und unter anderem darum, dass die schulmedizinischen Therapien besser vertragen werden. Wer schulmedizinische Therapien abbricht, gibt auch einen Teil seiner Heilungschancen auf. Daher sollten Chemotherapie und Bestrahlung nicht wegen einer naturheilkundlichen Therapie aufgegeben werden.

Ziele der Komplementärmedizin

Die unterstützenden Therapien werden beispielsweise bei den folgenden Beschwerden erfolgreich eingesetzt:

  • Übelkeit
  • Durchfall
  • Entzündungen der Mundschleimhaut
  • Gelenk- und Muskelschmerzen
  • Nervenstörungen: Nervenschmerzen und Missempfindungen (Polyneuropathie)
  • Infektanfälligkeit
  • Schlafstörungen
  • Schweißausbrüche
  • Schwäche
  • Konzentrationsschwierigkeiten

Darüber hinaus können komplementäre Naturheilverfahren in Einzelfällen die Wirksamkeit der Schulmedizin verstärken. Dass sie sogar das Rückfallrisiko verringern können, gilt insbesondere für Sport- und Bewegungstherapien.

Verfahren der Komplementärmedizin

Die Komplementärmedizin nutzt Verfahren aus fünf großen Bereichen:

  • Ernährung
  • Bewegung
  • Achtsamkeit
  • manuelle Therapien
  • Gabe von verschiedenen Substanzen

Die Auswahl der geeigneten Methode richtet sich nach der individuellen Situation und den aktuellen Beschwerden. Denn jedes wirksame Verfahren kann unter Umständen auch schaden. Es kommt aber nicht nur darauf an, welche naturheilkundlichen Therapien eingesetzt werden, sondern auch wann. Zum Beispiel haben einzelne Substanzen unerwünschte Wechselwirkungen mit wichtigen Krebsmedikamenten und dürfen nicht während der Chemotherapie eingenommen werden. Außerdem kann ein Erfolg des einzelnen Verfahrens in der individuellen Situation des Erkrankten nicht garantiert werden.

Leitlinie empfiehlt Bewegung für jeden Krebspatienten

Als einfaches und hochwirksames Mittel in der komplementären Krebstherapie nennt die aktuelle Leitlinie Bewegung.

  • Körperliche Aktivität kann die Nebenwirkungen einer Chemotherapie oder antihormonellen Therapie messbar reduzieren. Bewegung hat auch direkten Einfluss auf die Entstehung von Krebserkrankungen, ihren Verlauf und das Rückfallrisiko.
  • Eine onkologische Sporttherapie soll das Immunsystem stärken, die Leistungsfähigkeit und die Lebensqualität erhöhen. Dabei kommen Ausdauersportarten und Muskelkräftigung zum Einsatz. Auch Yoga, Tai-Chi und Qigong werden Krebskranken häufig empfohlen - sie können laut Leitlinie zur Senkung depressiver Verstimmung und Angstsymptomen führen.

Ernährung in der komplementären Krebstherapie

  • Eine Ernährungstherapie soll einem Mangel an Vitaminen und Mineralstoffen vorbeugen. Eine wichtige Rolle spielt dabei Vitamin D. Die Vitamin D-Versorgung soll bei allen Krebs-Patienten zu Beginn der Therapie durch einen Bluttest überprüft und bei einem Mangel ausgeglichen werden.
  •  Neue Studien zeigen, dass Vitamin-Kombi-Präparate (Vitamin C, A, E) die Wirksamkeit von Chemo- und Strahlentherapie beeinträchtigen können.
  • Bei fortgeschrittener Krebserkrankung gilt es außerdem, gefährlichen Gewichtsverlust und Mangelernährung zu vermeiden. Eine gesunde, abwechslungsreiche Ernährung ist dabei hilfreich. Vom Fasten während der Krebsbehandlung wird abgeraten.
  • Bei Fatigue kann Kaffee oder auch schwarzer Tee helfen.
  • Nach einer Krebserkrankung kann bei Übergewicht eine Gewichtsnormalisierung dazu beitragen, das Risiko für einen Rückfall zu verringern.

Achtsamkeit in der komplementären Krebstherapie

Eine geöffnete Frauenhand, Zeigefinger und Daumen berühren sich. © Photocase Foto: wishzones
Meditation und Achtsamkeitstraining kann während der Krebstherapie unterstützend helfen.

Die sogenannte Mind-Body-Medizin nutzt das Zusammenwirken von Körper und Geist, um die negativen psychischen Folgen einer Krebserkrankung zu reduzieren, die Selbstheilungskräfte zu stärken und Angstsymptome zu senken. Dazu gehören:

  • Hypnose
  • Meditation
  • Psychologische Beratung, Stressmanagement und Mentales Training 
  • Entspannungsmethoden wie Autogenes Training oder Muskelrelaxation

Manuelle Therapien in der komplementären Krebsmedizin

Neben vielfältigen manuellen Therapien aus der Physiotherapie kommt insbesondere Akupunktur zum Einsatz. Sie hilft laut Studien vielen Brustkrebskranken bei Gelenkschmerzen. Auch Fatigue (Erschöpfung) wird gemindert.

Substanzen der komplementären Krebstherapie

  • Der Effekt von Mistelextrakt auf die Stärkung des Immunsystems ist wissenschaftlich umstritten. Eine Misteltherapie kann jedoch subjektiv die Lebensqualität steigern.
  • Ingwerwurzel-Extrakt wird bei Übelkeit und Erbrechen (Nebenwirkung der Chemotherapie) eingesetzt.
  • Ginseng kann zur Verbesserung von Fatigue eingesetzt werden

Mit dem Arzt offen über komplementäre Therapie sprechen

Viele der Erkrankten verschweigen ihren Ärzten den Gebrauch von Komplementärmedizin auf biologischer Basis. Der betreuende Arzt, Onkologe und Hausarzt sollte jedoch immer wissen, welche Therapien der Krebskranke zusätzlich anwendet. Denn zusätzliche Behandlungen können die Haupttherapie beeinträchtigen oder den Krebs sogar verschlimmern. Nicht alles hilft bei jedem Krebs und in verschiedenen Stadien der Erkrankung. Schädlich ist eine Zusatztherapie auch, wenn sie nichts nützt, den Erkrankten aber finanziell belastet.

Unseriöse Krebstherapeuten erkennen

Immer wieder werden Fälle von unseriösen Therapeuten bekannt. Bei alternativen Krebstherapien ist in folgenden Fällen große Vorsicht geboten:

  • Der Anbieter besteht darauf, dass alle schulmedizinischen Behandlungen wie Chemo- und Strahlentherapie abgebrochen werden.
  • Wenn im Gespräch Angst gemacht wird, dass ohne eine komplementäre Therapie die bisherige Krebstherapie erfolglos ist.
  • Betroffene sollen sich rasch entscheiden oder nicht mit ihrem behandelnden Arzt über die zusätzliche Therapie sprechen.
  • Wenn ein Geheimnis daraus gemacht wird, welche Medikamente gegeben werden.
  • Wenn Zielsetzung, Dauer und Erfolgskontrolle der komplementären Therapie nicht erklärt werden.
  • Wenn die Therapie mit hohen Kosten verbunden ist.
  • Der Anbieter besteht auf einen langfristigen privaten Behandlungsvertrag.
  • Die Wirksamkeit der Therapie wird allein mit Referenzen, Empfehlungen und Fallberichten "belegt", aber ohne anerkannte wissenschaftliche Publikationen.
  • Die Therapie wirkt angeblich gegen alle Krebserkrankungen in allen Stadien und gegen andere schwere Erkrankungen wie AIDS und Multiple Sklerose.
  • Die Methode wird als natürlich, sanft und zugleich nebenwirkungsfrei angepriesen.
  • Angeblich wurde eine Vielzahl von Erkrankten geheilt, die von Schulmedizinern bereits aufgegeben wurden.
  • Der Anbieter verweist auf eine Verschwörung schulmedizinischer Ärzten und der Pharmaindustrie, die den Durchbruch einer alternativen Methode verhindern soll.

Expertinnen und Experten zum Thema

 

Weitere Informationen
- © Csaba Deli Foto: Csaba Deli

Mit Immuntherapien den Krebs bekämpfen

Bei der Behandlung von Krebs spielen Immuntherapien eine immer größere Rolle. Sie sollen das Abwehrsystem aktivieren. mehr

Elektronisches Plasma © PantherMedia Foto: Pixelbabe

Plasma-Pen: Wirksame Therapie gegen chronische Wunden

Plasma ist ionisiertes Gas, das zum Beispiel in Blitzen entsteht. Plasma-Energie wird auch in der Medizin genutzt - im Kampf gegen chronische Wunden und in der Krebsforschung. mehr

Chinesischer Raupenpilz © NDR

Wie Heilpilze helfen können

Chinesische Heilpilze wie Reishi, Fu Ling und Cordyceps sollen das Immunsystem stärken und den Blutzucker senken. In welchen Fällen können Pilze heilen? mehr

Dieses Thema im Programm:

Visite | 20.08.2019 | 20:15 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Medizinische Therapie

Krebs

Mehr Gesundheitsthemen

Brokkoli-Sprossen wachsen auf einer Kokosmatte © imago / Zoonar / Nataliia Zhekova Foto: Nataliia Zhekova

Gesunde Sprossen: Was steckt in Alfalfa, Kresse, Brokkoli?

Sprossen und Keimlinge sind extrem reich an gesunden Nährstoffen und Vitaminen. Gegen Bakterien und Pilze braucht es Hygiene. mehr

Gesundheits-Themen

Ratgeber