Stand: 19.09.2019 13:04 Uhr

Rüffer: Pränataltest hat selektiven Charakter

Eine Frau hält einen sogenannten Praena-Test in ihren Händen. © dpa picture alliance Foto: Tobias Kleinschmidt
Zu den pränatalen Bluttests auf das Downsyndrom gibt es eine kontroverse Debatte.

Gesetzliche Krankenkassen müssen künftig in Ausnahmefällen Bluttests bezahlen, mit denen bei Ungeborenen das Downsyndrom festgestellt werden kann. Das hat der gemeinsame Bundesausschuss von Ärzten, Krankenkassen und Kliniken am Donnerstag beschlossen. Anspruch auf Kostenübernahme haben demnach nur Frauen mit Risikoschwangerschaften, die sich umfassend ärztlich beraten lassen.

Der Bundesausschuss als oberstes Beschlussgremium des Gesundheitswesens in Berlin hatte schon zuvor signalisiert, eine Anerkennung als mögliche Kassenleistung sei im Einzelfall als medizinisch begründet anzusehen.

"Der Blick auf Behinderung verändert sich"

Die behindertenpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Corinna Rüffer aus Osnabrück, sagte auf NDR Info noch vor dem Beschluss des Ausschusses, dass die Entscheidung zu kompliziert sei, um sie einfach durchzuwinken. Es gehe um eine existenzielle Frage der Zukunft unserer Gesellschaft, erklärte die Bundestagsabgeordnete im Interview. Es könne nicht Aufgabe des Bundesausschusses sein, so eine komplexe Entscheidung zu treffen. Viele andere pränatale Tests stünden kurz vor der Zulassung: "Dadurch verändert sich natürlich der Blick auf Schwangerschaft, der Blick auf Behinderung, der Blick auf Leistungsfähigkeit."

Der Bundesausschuss sollte deshalb das Verfahren nicht einfach weiter durchziehen, sondern erst einmal ruhen lassen und darauf warten, bis der Bundestag seine Orientierung beendet und abgewogen habe, ob es eine gesetzliche Veränderung in diesem Bereich geben müsse oder nicht.

Kommentar
Ein Ultraschall-Untersuchung während der Schwangerschaft. © dpa picture alliance Foto: Daniel Karmann

Am Ende steht die persönliche Entscheidung

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Trisomie 21: Steigt durch den Test der Druck auf Familien?

"Ich bin sehr skeptisch, was den Test anbelangt", sagte Rüffer weiter. Er habe ja keinen weiteren medizinischen Nutzen. Das Downsyndrom sei keine Krankheit, die man heilen könnte. Im Endeffekt stünden Frauen, wenn sie ein vermeintlich positives Ergebnis haben, also eine hohe Wahrscheinlichkeit bestehe, dass ein Kind mit Trisomie 21 geboren werden würde, vor der Entscheidung: "Möchte ich das Kind trotzdem austragen oder nicht?" Insofern habe der Test einen selektiven Charakter. "Das ist eine Fragestellung, mit der wir uns gesellschaftlich auseinandersetzen müssen, weil so viele andere Tests vor der Zulassung stehen."

Rüffer befürchtet, dass durch solche Tests der Druck auf Familien wachsen könne, ein Kind zu bekommen, das den gesellschaftlichen Erwartungen entspreche.

"Andere Länder sind schon viel weiter"

"Wir haben uns gesellschaftlich in Deutschland leider noch nicht genug damit beschäftigt. Da sind andere Länder sehr viel weiter". Deshalb sei es wichtig, dass der Bundesausschuss jetzt mit Rücksicht auf den Gesetzgeber, also den Bundestag, diese Entscheidung ruhend stelle und respektiere, dass es sich um eine komplizierte Frage handele.

Auch wenn der Ausschuss grünes Licht für den Bluttest als Kassenleistung gebe, müsse die Debatte weitergehen. "Wir werden den Prozess, den der Bundestag angestoßen hat, nicht von der Ausschuss-Entscheidung abhängig machen. Dazu ist die Frage viel zu wichtig."

Dieses Thema im Programm:

NDR Info | Infoprogramm | 19.09.2019 | 07:20 Uhr

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