Erdnussallergie: Orale Desensibilisierung kann helfen

Stand: 02.05.2023 14:13 Uhr

Eine Erdnussallergie schränkt das Leben der Betroffenen stark ein – und kann schlimmstenfalls lebensbedrohlich sein. Eine neue Immuntherapie soll helfen.

Bei einer Erdnussallergie kann bereits der Kontakt mit geringsten Mengen der Nüsse zu einem anaphylaktischen Schock führen mit akuter Atemnot und Stillstand des Herz-Kreislauf-Systems. Mit einer oralen Desensibilisierung können Betroffene nun auf ein risikoärmeres Leben hoffen.

Symptome: Wie reagieren Allergikerinnen und Allergiker auf Erdnüsse?

Gelangen Erdnusspartikel durch Essen, Einatmen oder Kontakt mit geschädigter Haut in den Körper, werden Erdnussproteine bei Allergikerinnen und Allergikern von speziellen Antikörpern als Feind eingeordnet. Die Antikörper verbinden sich mit den Erdnussallergenen, dadurch platzen Mastzellen und setzen schlagartig riesige Mengen des Botenstoffs Histamin frei. Als Symptome können stark juckende Rötungen und Schwellungen der Haut, Nesselsucht (Urtikaria), das Anschwellen der Lippen oder Erbrechen auftreten.

Das weitet die Blutgefäße: Es kommt zu Schwellungen, der Blutdruck sinkt und lebenswichtige Organe wie Herz, Lunge und Gehirn werden nicht mehr mit Sauerstoff versorgt. Es kommt zum Herz-Kreislaufstillstand. Nur die sofortige Gabe von Adrenalin hilft: Es stellt die Blutgefäße wieder eng, erhöht den Blutdruck wieder und sorgt dafür, dass die Atemwege abschwellen. Betroffene müssen darum immer ein Notfallset mit einer Adrenalinspritze bei sich tragen, damit sie sich zur Not selbst helfen können.

Erdnussallergie mit Erdnussprotein bekämpfen

Die Immuntherapie wird als orale Desensibilisierung durchgeführt: Dabei nehmen die Betroffenen in einem Zeitraum von sechs Monaten regelmäßig das Medikament Palforzia ein - das Pulver enthält Erdnussproteine. Unter ärztlicher Kontrolle wird die Dosis regelmäßig gesteigert. So gewöhnt sich der Körper nach und nach an die für ihn gefährlichen Stoffe. Die Behandlung gilt als erfolgreich, wenn eine Dosis von 300 Milligramm Erdnussprotein vertragen wird - das entspricht in etwa dem Gehalt von ein bis zwei Erdnüssen.

Diese geringe Menge bedeutet für Erdnuss-Allergikerinnen und -Allergiker, dass sie Warnhinweise auf Verpackungen ignorieren können, da "Spuren", also geringe Mengen Erdnussprotein, für sie nicht mehr gefährlich sind. Besonders für Eltern von allergischen Kindern kann das eine große Erleichterung sein, da von Erdnussspuren beispielsweise in Kita- oder Schulessen keine Gefahr mehr ausgeht.

Immuntherapie bisher vorwiegend für Kinder

In Deutschland leiden etwa 0,5 bis 1 Prozent der Menschen an einer Erdnussallergie. Von der Immuntherapie konnten vorerst vorwiegend Kinder zwischen 4 bis 17 Jahren profitieren, da Untersuchungen zeigten, dass der Erfolg bei Erwachsenen nicht so groß ist. Etwa 60 bis 70 Kinder deutschlandweit werden bisher mit dem Medikament Palforzia behandelt - die meisten davon in Norddeutschland. Aber auch für Erwachsene kann die Immuntherapie geeignet sein, die Kosten bei Erwachsenen werden allerdings noch nicht von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen.

Kinder früh an Erdnüsse gewöhnen

Damit Erdnussallergien gar nicht erst entstehen, empfiehlt sich ein möglichst frühzeitiger Kontakt mit Erdnüssen. Eine neue Studie zeigt: Wenn Kinder schon sehr früh, also mit der ersten Beikost im Alter von vier bis sechs Monaten, an Erdnussprodukte gewöhnt werden, sinkt die Gefahr, dass sich eine Erdnussallergie entwickelt, um 77 Prozent. Natürlich dürfen Babys und Kleinkinder keine ganzen Erdnüsse essen - viel zu groß ist die Erstickungsgefahr. Besser ist es, mit Erdnussbutter oder Erdnussmehl anzufangen.

Neurodermitis-Kinder mit erhöhtem Risiko für Erdnussallergie

Besonders an Neurodermitis erkrankte Kinder sollten mit der ersten Beikost an Erdnüsse gewöhnt werden. Sie sind besonders gefährdet, eine Erdnussallergie zu entwickeln, denn über ihre rissige Haut nehmen sie oft schon Erdnusspartikel aus der Luft oder über einen Kuss auf, bevor ihr Körper das Erdnussallergen über den Mund kennenlernt. Normalerweise lernt der Körper beim Essen: Nahrungsmittel sind nicht gefährlich und er muss sich nicht dagegen wehren. Wenn die Kinder aber zuerst über die Haut in Kontakt mit dem Nahrungsmittelallergen kommen, reagiert der Körper eher mit einer "falschen" Immunantwort, und es entwickelt sich eine Allergie.

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Visite | 02.05.2023 | 20:13 Uhr

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