Chat-Protokoll: Komplementäre Krebstherapie

Wie weit hilft die Ernährung bei Krebs? In Ratgebern werden die verschiedensten Anti-Krebs-Diäten oder Fastenkuren angepriesen. "Geheimtipps" verbreiten sich als Mund-zu-Mund-Propaganda. Viele solcher Tipps sind allerdings nutzlos, manche sogar gefährlich: zu radikal, zu einseitig. Die Onkologin Prof. Dr. Jutta Hübner hat im Visite Chat Fragen zum Thema Komplementäre Krebstherapie beantwortet. Das Protokoll zum Nachlesen.
Rene: Oft ist zu lesen, dass eine gezielte Ernährung die Nebenwirkung einer Chemotherapie reduzieren kann, wie etwa Antioxidantien zum Schutz vor freien Radikalen. Behindert man damit nicht auch die gewünschte Wirkung der Chemotherapie, d.h. die Wirkung des Zytostatikums an den Tumoren selbst? Falls ja, welche Nährstoffe sollten gemieden werden?
Dr. Jutta Hübner: Die Frage ist völlig berechtigt. Eine sehr große Menge von Antioxidantien kann wahrscheinlich die Wirkung von Chemo- und Strahlentherapie vermindern. In der Ernährung ist genug drin, aber zusätzlich sollte man diese Nahrungsergänzungsmittel nicht einnehmen.
Margot: Ich hatte 2017 Brustkrebs und nehme seitdem 200er Selen täglich. Nun sagt meine Hashimoto-Ärztin, das sei zu viel. Was sagen Sie?
Hübner: Ihre Ärztin hat möglicherweise recht. Ich würde Ihnen empfehlen, dass Sie einmal den Selen-Spiegel bestimmen lassen und sich dann mit Ihrer Ärztin abstimmen.
Henrik: Soll man zur Vorbeugung von Krebs öfters einige Gesundheitschecks machen? Denn meistens kommt man spät drauf, dass man Krebs hat. Welche Checks empfehlen Sie zu machen, auch für junge Personen?
Hübner: Wir empfehlen außer den vorgesehenen Früherkennungen (z.B. Brustkrebs, Darmkrebs ...) keine regulären Check-ups. Sie bringen keinen Vorteil.
Monika: Nach der Chemotherapie ist mein Immunsystem so schwach, dass ich seit zehn Wochen mit einer Gürtelrose kämpfe. Kann ich mein Immunsystem stärken, um die Heilung zu beschleunigen? Und wenn ja, wie?
Hübner: Wahrscheinlich braucht es hier wirklich eine schulmedizinische Therapie, um die Viren der Gürtelrose zu bekämpfen. Für Ihr Immunsystem gilt dann das, was wir in der Sendung gezeigt haben: gesunde Ernährung mit allen Nährstoffen und viel Bewegung, möglichst an der frischen Luft.
Gb: Ich bin Brustkrebs-Patientin und bekomme Tamoxifen. Spricht das gegen z.B. Selen oder Mariendistel? Tamoxifen kann ja die Leber schädigen.
Hübner: Selen sollten Sie nur einnehmen, wenn ein Mangel besteht. Dann ist es zu Tamoxifen erlaubt. Die Mariendistel kann die Leber schützen. Ich würde aber erst mal abwarten, ob Ihre Leber überhaupt reagiert. Mariendistel kann zu Tamoxifen eingenommen werden.
Gina: Macht es Sinn Ubichinol einzunehmen bei Krebs?
Hübner: Nein, diese Substanz kann ihr Körper ausreichend selbst herstellen.
Ninasch1976: Mein Tumormarker nach Brustkrebs schwankt immer im Normbereich. Vor drei Monaten war er bei 17 und nun bei 19 bis 30. Ist wohl alles ok. Muss ich mir Sorgen machen, wenn er im Normbereich schwankt?
Hübner: Nein, solche Schwankungen sind völlig normal. Das ist einer der Gründe, warum wir die regelmäßige Kontrolle der Tumormarker eigentlich gar nicht empfehlen.
Claudia: Bei meinem Freund wurde ein Karzinom in der Prostata festgestellt. Ende Juli beginnt die Strahlentherapie. Kann er sich im Vorfeld darauf vorbereiten, um den Körper zu stärken, es gut zu überstehen?
Hübner: Ja, das kann er auf jeden Fall. Auch im Vorfeld ist Bewegung sehr gesund. Grade bei Behandlung der Prostata kann Training des Beckenbodens hilfreich sein. Außerdem würde ich auch hier gesunde Ernährung empfehlen.
Susi: Nachdem mir zwei Lungenlappen wegoperiert wurden, bekomme ich gerade eine adjuvante Chemotherapie, die mich sehr mit Übelkeit und Erschöpfung belastet. Empfehlen Sie auch dabei Sport oder Bewegung?
Hübner: Auf jeden Fall sollten Sie wegen der Übelkeit mit Ihren Ärzten reden. Wahrscheinlich gibt es die Möglichkeit, Ihnen mit zusätzlichen Medikamenten zu helfen. Gerade gegen die Erschöpfung hilft Bewegung. Allerdings vorsichtig dosiert. Für Sie könnte ein Sportangebot für Krebspatienten hilfreich sein, wenn es das in Ihrer Nähe gibt. Bitte fragen Sie Ihre Ärzte.
