Stand: 19.03.2019 09:18 Uhr

Chat: Bluthochdruck, Beinödem, Muskelverspannungen

Dr. Melanie Hümmelgen © NDR Foto: Frederik Brandt
Melanie Hümmelgen leitet die kardiologische Abteilung und ist stellvertretende Ärztliche Direktorin des Reha-Centrums Hamburg.

Bewegung als Medizin: Wie kann ich selbst vorbeugen oder meine Erkrankung lindern? Was kann ich etwa bei Bluthochdruck und einer erektilen Dysfunktion tun? Welche Möglichkeiten gibt es bei schmerzhaften Muskelverspannungen wie etwa einer Beckenverwringung? Und inwieweit hilft Bewegung bei geschwollenen Beinen? Um diese Themen ging es am Montag, den 18. März 2019, um 21 Uhr bei den Bewegungs-Docs.

Nach der Sendung hat Dr. Melanie Hümmelgen Fragen im Chat beantwortet. Das Protokoll zum Nachlesen.

Mimi S.: Bei mir kommt es leider immer wieder zu ISG-Blockaden im Becken. Habe eine erst vor acht Jahren entdeckte, angeborene Hüftdysplasie und weiß nicht, ob das mit reinspielt? Brauche regelmäßig Physio- und Osteopathietermine, doch manchmal verspannt sich mein Becken bereits auf der Rückfahrt im Auto wieder. Außerdem habe ich im Alltag häufig schmerzhafte Verspannungen im Rücken, Bauchraum, Nacken, Spannungskopfschmerzen. Durch Ihren Beitrag zur Beckenverwringung ist mir eingefallen, dass meine Osteopathin in der Vergangenheit schon öfter von einem verspannten oder sogar verkürzten Iliopsoas gesprochen hat. Was kann mir Ihrer Meinung nach helfen? Was kann ich im Alltag beachten, um weniger Verspannungen zu haben?

Dr. Melanie Hümmelgen: Sie leiden offenbar an komplexen und tiefschichtigen Problemen. Mit Sicherheit hängen Ihre Beschwerden alle zusammen, aber um Genaueres sagen zu können und Ihnen vor allem genauere Hilfestellung zu geben, müssten wir Sie untersuchen. Häufig kann man den Knoten aber lösen.

Elli: Wo kann ich den Stepper kaufen?

Hümmelgen: Das ist ein handelsübliches Gerät, das Sie sicher auch für sich finden können. Wenden Sie sich doch einfach mal an ein Sportfachgeschäft.

Jens B: Ich nehme blutdrucksenkende Mittel und mache viel Sport, um die Medikamente zu verringern und eventuell absetzen zu können. Wann können die Medikamente angepasst werden? Wie niedrig muss der Blutdruck sein? Ich bin 52 Jahre alt und männlich.

Hümmelgen: Blutdruckzielbereiche sind immer individuell und hängen von Ihren etwaigen anderen Erkrankungen ab. Da ist es immer ganz wichtig, individuelle Therapieempfehlungen zu geben und nicht pauschale Zielwerte. Im Prinzip gelingt es aber häufig durch Ausdauersport, den Blutdruck in den Griff zu bekommen und die Medikation reduzieren zu können. Dies muss aber immer mit Ihrem Hausarzt oder Kardiologen vor Ort besprochen werden. Manchmal gibt es ja auch noch andere Gründe für Ihre Medikamente, wie zum Beispiel einen Herzinfarkt, Durchblutungsstörungen, etc. All dies muss man im Blick behalten. Als Faustregel gilt, alle drei Monate den Blutdruck mit dem Arzt zu besprechen, am besten mit einer 24-Stunden-Messung und einem Belastungs-EKG.

Sandra: Ich habe Fibromyalgie und dadurch unter anderem sehr starke Muskelverspannungen. Ausdauer und Kraft leider durch mangelnde Bewegung auch nicht vorhanden. Was würden Sie an Sport/Übungen empfehlen?

Hümmelgen: Die Fibromyalgie ist eine komplexe und oft sehr belastende Erkrankung. Hier brauchen Sie sicherlich ein ganz spezifisches und auf Sie zugeschnittenes Therapiekonzept, das man nur mit Ihnen persönlich erarbeiten kann. Sie brauchen sicherlich einen Spezialisten vor Ort und eine gute Physiotherapeutin. Was die Grundlage für jede Bewegungstherapie ist, ist aber die Bewegung im Alltag. Und die gelingt bei der Fibromyalgie oft auch in der Eigenregie. Also, jeder Schritt zählt: spazieren gehen, Treppen steigen - ohne Maximalbelastung, mit geringer Intensität und jeden Tag ein Schrittchen mehr. Dies können Sie schon einmal in Eigenregie beginnen. Spezifischere Übungen müssen Sie mit einer Physiotherapeutin erlernen. Die Bewegungstherapie ist aber sicherlich die effektivste Therapie bei Ihrer Erkrankung - viel hilfreicher als jede Pille.

U.F.: Ich habe zwischen Ober- und Unterkörper zwei Kleidergrößen Unterschied. Die Beine sehen aus wie ein Lipödem, das sagt auch der Hautarzt. Der hat aber nur mal kurz hingeschaut. Ich habe aber keine Schmerzen in den Beinen und abends keine geschwollenen Knöchel. Auch kann ich nicht erkennen, dass sich das in den letzten zehn Jahren verschlimmert hat. Kann es auch noch etwas anderes sein, was man durch abnehmen in den Griff bekommt?

Hümmelgen: Für eine genaue Diagnose müsste ich Sie selbst untersuchen. Für ein Lipödem spräche, wenn es an beiden Beinen und nicht nur an einem vorkommt. Wenn Sie diese Beinveränderungen schon direkt nach der Pubertät gemerkt haben und vielleicht in Ihrer Familie eine Schwester, Cousine etc. haben, die ebenfalls unter einem Lipödem leiden, ist die Diagnose sicher in Betracht zu ziehen. Die genaue Diagnose kann aber nur durch eine ärztliche Untersuchung erfolgen. Viele Lipödem-Patienten sind nicht per se übergewichtig, sondern haben eine Fetteinlagerung nur an den Beinen. Wenn man allerdings übergewichtig ist, sollte man als Erstes natürlich abnehmen, um das Normgewicht anzustreben. Ist man normgewichtig wie viele Lipödem-Patienten, wird man durch Abnehmen alleine die Erkrankung aber kaum beeinflussen können. Hier bedarf es anderer Therapieansätze.

Sabine: Wie oft und wie lange müsste ich auf dem Crosstrainer trainieren, um meinen Blutdruck zu senken? Lieber auf geringer Stufe oder auch mal Intervall?

Hümmelgen: Bewegungstherapie bei Bluthochdruck ist immer eine sehr individuelle Therapie. Sie hängt natürlich auch von Ihrem sonstigen Fitnesszustand, Alter, Begleiterkrankung, etc. ab. Davon wird es abhängen, welche Intensitätsstufe wir für Sie wählen würden, ob Sie Intervalltraining machen dürften - und wenn ja, mit welcher Intensität, zum Beispiel High Intensity, etc. Gibt es etwa Begleiterkrankungen, wie chronische Herzerkrankungen, Erweiterung der Schlagader, gibt es ganz andere Empfehlungen, als wenn man 40 Jahre alt ist "nur" Bluthochdruck hat. Wichtig für die Bluthochdrucktherapie ist ein hoher Ausdaueranteil, der an Ihren Fitnesszustand angepasst wird in Intensität und Umfang. Sind unsere Patienten sehr untrainiert oder schon älter oder zum Beispiel schwer herzkrank, müssen wir manchmal ein Intervalltraining machen mit sehr niedriger Intensität, weil die Patienten gar nicht 30 Minuten am Stück Sport machen könnten. Sie sehen also, Intervalltraining setzen wir ein auch als High Intensity Training, um schneller Trainingseffekte zu haben. Manchmal ist das Intervalltraining aber einfach nur eine Unterbrechung, weil man noch gar nicht in der Lage ist, länger Sport zu treiben. Pauschal gilt beim Bluthochdruck aber: maximale Belastung eher vermeiden und dafür länger mit geringerer Intensität. Sprechen Sie mit Ihrem Arzt und lassen Sie sich einen detaillierten Trainingsplan erstellen.

Lea: Sollte man eine Kompressionsstrumpfhose (mit Kompression im Bauchbereich) den ganzen Tag tragen? Auch während der Aktivität?

Hümmelgen: Gerade während der Aktivität ist es für Patienten mit Lip-/Lymphödem wichtig, die Kompressionsstrümpfe zu tragen. In der Aktivität hilft uns die Muskelpumpe, die Flüssigkeit gegen die Schwerkraft nach oben zu pumpen. Die Kompressionsstrumpfhose hilft, dieses Ergebnis zu halten. Wichtig ist, die Strumpfhose am besten noch liegend im Bett anzuziehen und dann aktiv durch den Tag zu gehen. Einzige Ausnahme sind natürlich Aktivitäten im Wasser. Da dürfen Sie natürlich die Strumpfhose auch ausziehen.

Alexandra B.: Meine Tochter ist 18 Jahre alt und hat seit einigen Jahren ein linkes dickes Bein. Besuche bei Fachärzten ergaben, dass sie wohl ein Lymphödem hat. Fünf bis sieben Zentimeter Unterschied zwischen dem rechten und linken Bein. Mann verschrieb ihr flachgestrickte Strümpfe und Lymphdrainage. Beides erzielte keinerlei Verbesserung. Meine Tochter nahm dann freiwillig innerhalb von fünf Monaten 30 Kilo durch viel Sport ab. Der Umfang beider Beine reduzierte sich, blieb aber weiterhin unsymmetrisch. Ihre Physiotherapeutin hat so einen Fall zuvor noch nie gesehen. Meine Tochter ist zurzeit im Dienst der Bundeswehr und somit viel unterwegs. Der Zustand ist weder schlechter noch besser. Das Bein ist am Abend manchmal etwas geschwollen, aber ansonsten hat sie keinerlei Beschwerden. Was kann das sein und was kann man tun, damit das Bein in Form kommt?

Hümmelgen: Ihre Tochter sollte sich auf jeden Fall von einer Angiologin untersuchen lassen, denn hier scheint doch ein komplexerer Sachverhalt zu sein. Man muss ausschließen, dass in der Vergangenheit eine Thrombose stattgefunden hat, vielleicht gibt es eine Abflussstörung, etc. In der Regel haben Patienten, die bei der Bundeswehr arbeiten, einen guten Zugang zu Experten im Bundeswehrkrankenhaus. Ich kann Ihre Tochter nur ermuntern, noch einmal in eine Spezialambulanz zu gehen. Rein passive Ansätze wie Kompressionsstrümpfe und Lymphdrainage werden aber allein nicht zum Erfolg führen, wenn sie nicht eingebunden sind in ein Bewegungsprogramm wie bei unserer Patientin im Film. Das ist der häufigste Fehler. Allein vom Strümpfeverschreiben ist noch kein Bein schlanker geworden.

Babs: Wie kann man Spezialisten für Fibromyalgie am ehesten erkennen und finden? Gibt es Spezialpraxen oder -zentren?

Hümmelgen: Um die Fibromyalgie kümmern sich vor allem unsere orthopädischen und rheumatologischen Kollegen. Experten finden Sie sowohl Niedergelassene als auch in den Kliniken. Fragen Sie die Kollegen, ob sie Erfahrung mit dem Krankheitsbild haben. In der Regel antworten sie sehr ehrlich darauf.

Finny: Ich habe ehrlich gesagt nicht verstanden, warum man die Frau nicht intensiver auf ihrem Trampolin trainieren lassen hat? Darauf kann man doch auch intensiv laufen, joggen usw.?

Hümmelgen: Für unsere Patientin im Film waren andere Therapieansätze deutlich geeigneter. Auf dem Trampolin hat sie schon ganz lange trainiert und die Beschwerden sind ja eher schlechter als besser geworden. Der Stepper und die Eigenübungen, die wir extra für sie entwickelt haben, eingebettet in diese komplexe, multimodale Therapie, haben deutlich mehr erreichen können.

Sabine: Ich habe ein Lipödem und Neurodermitis und bekomme extremen Juckreiz beim Tragen der Kompressionsstrümpfe, gerade wenn ich dann damit noch Sport mache und es heiß wird, halte ich es vor Juckreiz kaum aus. Auch schuppt die Haut trotz abendlichen Eincremens sehr. Gibt es eine Alternative zu den Strümpfen?

Hümmelgen: Die Kombination aus Lipödem und Neurodermitis quält Sie sicherlich sehr. Das Hauptproblem bei den Kompressionsstrümpfen ist häufig die Hautpflege. Im Prinzip würden wir uns wünschen, dass Sie die Haut eincremen und einfetten, gerade als Neurodermitispatientin ist das besonders wichtig. Aber das Eincremen erschwert, wie Sie sicher leidvoll wissen, das Anziehen der Strümpfe noch mehr. Aber wenn Sie die Haut nicht eincremen, wird sie noch mehr jucken und spannen. Haben Sie es mit alleinigem Eincremen am Abend versucht? Eine Alternative zu Strümpfen wäre Wickeln. Dies kann man aber in der Regel nicht alleine, es ist sehr aufwendig und die Wickel verrutschen oft. Wichtig ist, dass Sie eine Kompression finden, die Sie ertragen, denn nichts ist gewonnen, wenn Sie vor lauter Juckreiz keinerlei Strümpfe tragen - und das ist ja häufig die Realität bei Patienten. Manchmal hilft ein Materialwechsel. Lassen Sie sich im Sanitätshaus noch mal beraten oder wechseln Sie gegebenenfalls die Kompressionsklasse. Besser eine schwächere getragene Kompressionsklasse als eine feste, nicht getragene Kompressionsklasse.

Finny: Gibt es frei verkäufliche Kompressionsstrümpfe, die man beim Sport tragen kann? Da man ja nur zweimal Strümpfe bekommt, wären mir Alternativen da sehr hilfreich, da man beim Sport ja doch oft sehr schwitzt. Oder muss es die medizinische Kompression sein?

Hümmelgen: Ich empfehle Ihnen eindeutig maßangefertigte Kompressionsstrümpfe. Fertig gekaufte sitzen in der Regel nicht so, wie man es bei einem Lymphödem braucht. Aber mit zwei Paaren kommt man doch in der Regel mit Waschen und Tragen hin.

Dieses Thema im Programm:

Die Bewegungs-Docs | 18.03.2019 | 21:00 Uhr

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