Cannabis: Wie gut sind Dronabinol und Co als Schmerzmittel?

Stand: 23.04.2024 05:49 Uhr | vom Norddeutscher Rundfunk-Logo

Seit dem 1. April ist Cannabis teilweise legal. Medizinisches Cannabis auf Rezept gibt es schon länger: Mittel wie Dronabinol-Tropfen können bei Schmerzen helfen, sind aber nicht für alle Patienten geeignet.

Die Hanfpflanze Cannabis kennen viele vor allem als Rauschmittel. Doch Cannabis kommt seit einigen Jahren auch verstärkt als Arzneimittel zum Einsatz, vor allem in der Schmerztherapie.

Medizinisches Cannabis auf Rezept: Dronabinol, Nabilon und Nabiximols

Lange waren Cannabis-Medikamente in Deutschland nur bei Spastiken und Multipler Sklerose zugelassen. Seit 2017 ist es durch das Gesetz "Cannabis als Medizin" möglich, auch bei anderen schwerwiegenden Erkrankungen medizinisches Cannabis auf Rezept verordnet zu bekommen.

Als Wirkstoffe gibt es zum Beispiel Dronabinol - auch Tetrahydrocannabinol (THC) genannt. Das ist hierzulande als sogenanntes Rezeptur-Arzneimittel erhältlich: Es wird also individuell in der Apotheke zubereitet, meist als ölige Tropfen zum Einnehmen.

Weitere Wirkstoffe sind Nabilon, eine synthetische Variante von THC, und Nabiximols, eine Mischung aus Blatt- und Blütenextrakt von Cannabis. Diese gibt es als Fertig-Medikamente in der Apotheke, als Kapseln oder als Mund-Spray. Medizinal-Hanf in Form von getrockneten Blüten oder Pflanzen-Extrakt muss erhitzt werden, damit die Inhaltsstoffe wirken. Dafür eignet sich ein Verdampfer.

Ärzte verordnen Cannabis-Produkte chronisch kranken Patienten, die gängige Schmerzmittel nicht mehr vertragen oder deren Schmerzmittel nicht mehr wirken.

Cannabinoide haben oft nicht die gewünschte Wirkung

Laut einer Studie wirkt Cannabis noch am besten bei Nervenschmerzen (Neuropathie). Auch bei Multipler Sklerose, starkem Gewichtsverlust durch eine Tumorerkrankung (Tumorkachexie) und in der Palliativmedizin scheinen Cannabis-Arzneimittel wirksam zu sein. Dennoch: Cannabis ist nicht das Mittel der ersten Wahl, denn es hilft nur einem Teil der Patienten, so die Erfahrung vieler Schmerztherapeutinnen und -therapeuten.

Mal wirkt Cannabis-Medizin in kleinsten Dosen, aber oft wirkt sie eben nicht. Wem sie hilft und wem nicht, ist auch für Mediziner nicht immer vorherzusehen. Hinzu kommt: Mehr als jede dritte Behandlung wird wegen der Nebenwirkungen abgebrochen. Die Fachgesellschaft der Schmerzexperten äußert sich wegen mangelnder Wirksamkeit und fehlender Langzeitstudien eher skeptisch zu Cannabis-Medikamenten.

Dronabinol-Tropfen vor allem für ältere Menschen geeignet

Bei älteren Menschen mit chronischen Schmerzen können laut Experten zum Beispiel Dronabinol-Tropfen in niedriger Dosis sinnvoll sein. Denn die enthaltenen Cannabinoide wirken auf den Körper und die Psyche. Sie lindern Schmerzen, hellen die Stimmung auf, sorgen für einen besseren Schlaf und erhöhen so die Lebensqualität. Eine berauschende oder abhängig machende Wirkung erzielen die Mittel aufgrund der niedrigen Dosierung nicht. Sie haben bei Älteren auch noch einen anderen Vorteil: Sie schädigen Leber und Nieren nicht so stark wie andere Medikamente. Daher verschreiben Medizinerinnen und Mediziner sie bei Menschen mit Niereninsuffizienz oder wenn die Leber nicht mehr so gut funktioniert.

Cannabis: Welche Wirkung haben THC und CBD?

Cannabis enthält mehr als 100 Wirkstoffe. Die beiden wichtigsten sind Tetrahydrocannabinol (THC) beziehungsweise Dronabinol und Cannabidiol (CBD):

  • THC hebt die Stimmung, verändert die Wahrnehmung (benebelt) und kann Schmerzen lindern.
  • CBD wirkt gegen Entzündungen, lindert Krämpfe, nimmt Angst und kann Schmerzen lindern.
Cannabis hat Vorteile, die andere Wirkstoffe nicht haben: Der Körper produziert selbst ganz ähnliche Stoffe, die sogenannten Endocannabinoide. Sie entfalten ihre Wirkung über verschiedene Rezeptoren, die auch für eingenommene Cannabis-Wirkstoffe empfänglich sind. Der Rezeptor CB1 kommt im zentralen Nervensystem und vielen anderen Organen vor, lindert Angst, Stress, Unruhe und Schmerzen. Der Rezeptor CB2 sitzt in den Immunzellen von Lunge und Darm und wirkt antientzündlich.

Nebenwirkungen: Ungeeignet bei Herzerkrankungen und Depressionen

Zu hoch dosiert, kann zum Beispiel Cannabis-Spray das Kurzzeitgedächtnis einschränken und unerwünschte Wirkungen auf die Geschmacksnerven haben. Die häufigsten Nebenwirkungen von Cannabis-Medizin sind Müdigkeit und Konzentrationsschwäche. Außerdem kann es zu Stimmungsschwankungen, Schwindel, Mundtrockenheit, trockenen Augen, Muskelschwäche, gesteigertem Appetit, Herzrasen, plötzlichem Blutdruckabfall und Herzbeschwerden kommen.

Die Studienlage zur Wirkung von Cannabis-Medikamenten für Patienten mit depressiven Störungen oder anderen psychiatrischen Erkrankungen ist noch sehr dünn. Es gibt aber durchaus Behandlungsversuche. Für Patientinnen und Patienten mit Herzerkrankungen, wie zum Beispiel Herzrhythmusstörungen, sind Cannabis-Medikamente ungeeignet.

Legalisierung von Cannabis in Deutschland

Seit dem 1. April 2024 ist Cannabis in Deutschland teilweise legal. So will die Bundesregierung den unkontrollierten Handel und Konsum über den Schwarzmarkt und damit die organisierte Kriminalität eindämmen. Diese Regelungen gelten:

  • Cannabis ist im Betäubungsmittelgesetz von der Liste der verbotenen Substanzen gestrichen.
  • Erwachsene dürfen bis zu 25 Gramm Cannabis in der Öffentlichkeit mitführen.
  • Zu Hause sind der Besitz von bis zu 50 Gramm sowie von bis zu drei Cannabispflanzen pro erwachsener Person erlaubt.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will mit dem neuen Gesetz zudem den Jugendschutz erhöhen. Erwerb, Besitz und Anbau von Cannabis bleiben für Minderjährige verboten, werden aber nicht strafrechtlich verfolgt. Die Weitergabe von Cannabis an Minderjährige bleibt strafbar. Werden Jugendliche mit Cannabis erwischt, muss die Polizei die Eltern informieren und in schweren Fällen die Jugendämter einschalten. Minderjährigen Cannabis-Konsumenten soll die Teilnahme an Interventions- und Präventionsprogrammen angeboten werden. Das Bundesgesundheitsministerium hat eine Aufklärungskampagne für diese Zielgruppe gestartet.

THC: Gehirnschäden und Intelligenzverlust bei jungen Menschen

Jugendsuchtexpertinnen und -experten sehen die Verwendung von Cannabis als Medizin trotz ihrer Wirksamkeit kritisch, denn viele Jugendliche halten Cannabis dadurch für harmlos. Und mit der Legalisierung könnten noch mehr Jugendliche von Cannabis abhängig werden. In den USA hat sich der Cannabiskonsum unter Jugendlichen mit der Legalisierung verdoppelt. Dass eine verminderte Risikowahrnehmung die Konsumbereitschaft von Drogen erhöht, ist fatal, denn Cannabis kann die Gehirne von Jugendlichen und jungen Erwachsenen massiv schädigen.

THC benebelt mehrere Hirnbereiche gleichzeitig, wirkt aber besonders stark im Kleinhirn, dem Regulationszentrum für Motorik und Koordination, und im Hippocampus, dem Sitz von Gedächtnis und Emotionen. Eine europaweite Studie hat gezeigt, dass Kiffen bei Jugendlichen zu strukturellen Veränderungen des Gehirns führt. So gingen bis zu 25 Prozent der Nerven im Frontalhirn zugrunde, welches für die Steuerung der Emotion und Kognition verantwortlich ist. Neurologische Untersuchungen zeigen zudem einen Intelligenzverlust.

Psychische Erkrankungen durch Cannabis

In Extremfällen kann Kiffen sogar psychische Erkrankungen wie Psychosen auslösen, mitunter sogar schon nach dem ersten Joint. Häufiger Konsum und hoher THC-Gehalt des Cannabis verstärken das Risiko. Natürlich bekommen nicht alle jungen Konsumenten eine Psychose, es muss eine genetische Disposition dafür vorhanden sein. Bei manchen Betroffenen verschwindet die Psychose wieder, wenn sie kein Cannabis mehr konsumieren. Andere entwickeln dagegen eine lebenslange Schizophrenie.

Experten aus dem Beitrag

 

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Cannabis in einem Plastiktütchen und auf einer Holzfläche. © Colourbox Foto: Nils Weymann

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NDR Fernsehen | Visite | 23.04.2024 20:15 Uhr

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