Lehrer digital: Ohne Ausstattung, mit Engagement

Schule weitgehend im Regelbetrieb - das ist das vom Land angekündigte Szenario A für den Start ins neue Schuljahr. Trotzdem stellen sich viele Lehrer drauf ein, auch im neuen Schuljahr wieder digital zu unterrichten. An der Multimedia BBS in Hannover lief der Unterricht ohnehin seit April digital - an der Schule standen Räume für Schülerinnen und Schüler bereit, die zu Hause kein Internet haben, berichtet Schulleiter Joachim Maiß. Hier haben auch alle Lehrer Dienstgeräte - eine Luxussituation. In den Sommerferien lief hier der Unterricht weiter. Jedoch nicht für Schüler, sondern für angehende Lehrkräfte. Sie haben sich in einer Summer-School fit für ihre Schülerinnen und Schüler gemacht.
Digitale Ausbildung könnte mehr sein
Es geht um sogenannte Learning-Management-Systeme, also digitale Lernplattformen wie IServ oder die neue Bildungscloud, es geht um eigene E-Books, interaktive Arbeitsblätter und Präsentationen. Vieles werde schon bei der Lehrerausbildung im Studienseminar thematisiert, berichtet Teilnehmerin Ramona Primus. Doch es könnte ihrer Ansicht nach noch mehr sein. Auch ihr Kollege Pascal Ströhlein meint: Digitale Medien werden die Schullandschaft schnell komplett verändern.
Schüler fordern mehr Videokonferenzen
Wie gut der digitale Unterricht funktioniert, hängt vom Engagement einzelner Lehrer ab. Diese Erfahrung mit Homeschooling haben Eltern und Schüler bereits vor den Sommerferien gemacht. Florian Reetz vom Landesschülerrat berichtet: Einige Lehrer hätten während des Schul-Shutdowns regelmäßige Videokonferenzen gemacht. Andere hätten über Monate nur Arbeitsblätter verschickt. Sollte der Unterricht wieder teilweise oder ganz zu Hause stattfinden müssen, fordert Reetz mehr Videokonferenzen.
"Das ist kein großes Hexenwerk"
Dass einige Lehrer Hemmungen haben, ist aus Sicht von Referendar Ströhlein unbegründet: "Das ist kein großes Hexenwerk, das ist alles gar nicht so schwer." Nur ein bisschen Interesse sei nötig. Cindy Patricia Heine vom Landeselternrat will den Lehrern keinen Vorwurf machen. Kultusministerium und Schulträger hätten aber seit Ostern Zeit gehabt, die Schulen besser aufzustellen. Und für das neue Schuljahr sei das Szenario B, also wechselweisen Unterricht in der Schule und zu Hause, nicht gut genug vorbereitet worden. Bund und Land müssten dafür die digitale Infrastruktur bereitstellen.
"Wege finden, um digitale Formate zu bedienen"
Andrea Kunkel vom Niedersächsischen Schulleitungsverband glaubt: "Wenn die Ausstattung stimmt und die Technik funktioniert, ist die Hemmschwelle kleiner." Sie bemängelt, dass noch nicht alle Schulträger die verfügbaren Mittel aus dem Digitalpakt abgerufen hätten. Wenn es kein WLAN an den Schulen gäbe, sei es auch schwierig, den Unterricht mit Tablets zu gestalten. Wenn das Szenario A wegen hoher Infektionszahlen nicht mehr funktioniert, müssten die Kollegien gemeinsam Wege finden, digitale Formate zu bedienen.
Verbände fordern: Dienst-Tablet für jeden Lehrer
Die GEW Niedersachsen und auch der BBS-Schulleiter Maiß, der auch Vorsitzender des Berufsschullehrerverbands BVLB ist, fordern: Jeder Lehrer müsste ein Dienstlaptop oder Tablet haben. Allein aus datenschutzrechtlichen Gründen sei es sinnvoll, wenn die Lehrer nicht die Daten ihrer Schüler auf den privaten Geräten hätten, heißt es von der GEW. 90 Prozent der Lehrkräfte nutzen demnach zurzeit private Computer oder Laptops.
Lehrer helfen Lehrern - und Schüler auch
Die Referendarin Primus glaubt, dass sich die Lehrerteams gut gegenseitig helfen können. Auch die Schüler können helfen, meint Schülervertreter Reetz: "Viele Schülerinnen und Schüler wissen, wie Videocalls und -konferenzen funktionieren und können dann ganz gut mithelfen. Wir haben einem Lehrer auch gezeigt, wie er alles einstellt, damit wir ihn und seine Präsentation sehen können." Beim digitalen Unterricht geht es nicht immer um komplizierte Online-Tools, Cloud-basierte Programme und Learning-Management-Tools.
Einfach und schnell: Stativ aus Toilettenpapierrolle
Lehrerin Angelika Maiß zeigt den Referendaren an der Summer-School, wie sie sich aus einer Klopapierrolle ein kleines Stativ für das Handy basteln können. Maiß selbst ist 63 Jahre alt. Wie sehr sich Lehrer mit digitalen Medien und Unterricht auseinandersetzen, ist für sie keine Altersfrage: "Es gibt auch bei den jüngeren Lehrern welche, die sich genauso sperren wie ältere Kollegen. Und es gibt ältere Kollegen, die wie ich begeistert sind." An ihrer Schule hätten sich die Lehrer in der Corona-Zeit auch selbst in Videokonferenzen fortgebildet.
Kurzfristig bleibt der Lehrer-Einsatz entscheidend
Laut Kultusministerium wird gerade daran gearbeitet, die Schulen ans WLAN anzubinden und vor allem auch Schülerinnen und Schüler mit Laptops zu versorgen, die kein eigenes Gerät besitzen. Dass die rund 81.200 niedersächsischen Lehrer Dienstlaptops oder -handys bekommen, steht dagegen nicht in Aussicht. Kurzfristig wird es also wohl weiterhin am Einsatz der Schulleiter und Lehrer liegen, wie gut der digitale Unterricht klappt und wie gut die Lehrer überhaupt Kontakt zu ihren Schülerinnen und Schülern halten.
Persönlicher Kontakt wäre besser
Am besten wäre der Regelbetrieb mit direktem Kontakt an den Schulen, finden sowohl GEW-Chefin Laura Pooth und Schülervertreter Reetz. Das Digitale kommt dem persönlichen Wort doch nicht gleich, sagt Reetz. Schulleiter Maiß sieht in der digitalen Technik dennoch die Chance, dass unabhängig von der Infektionslage alle Schüler gemeinsam unterrichtet werden können: Eine kleine Gruppe im Klassenraum, der Rest nimmt von zu Hause am selben Unterricht teil. Die Summer-School diente dafür als Test: Neben den acht Referendaren vor Ort wurden alle Vorträge und Workshops live ins Internet gestreamt und können auch nachträglich noch aufgerufen werden.
