Ilija Trojanow hält eine Festrede bei den Salzburger Festspielen © picture alliance/dpa/APA | Franz Neumayr Foto: Franz Neumayr

Trojanows Rede bei den Salzburger Festspielen: Politisch und kritisch

Stand: 27.07.2022 10:30 Uhr

Ilija Trojanow hat bei der Eröffnungsfeier der Salzburger Festspiele gesprochen. Hoch politisch und schonungslos kritisch - so wurde die Rede angekündigt. Titel: "Der Ton des Krieges, die Tonarten des Friedens".

Gespannte Stille herrscht in der Felsenreitschule ,als Trojanow die Bühne betritt. Sein Thema: Wie wirkt sich der Krieg auf unser Denken und Handeln aus. "Seit Kriegsausbruch sprechen wir die Sprache des Krieges," sagt er. "Antworten auf jede Frage mit einem entschiedenen Ja oder Nein. Oft, ohne die Frage wirklich verstanden zu haben. Reden von Kriegsverbrechen und vergessen, dass der Krieg an sich ein Verbrechen ist, unabhängig davon, wie gerechtfertigt die Selbstverteidigung sein mag, egal, wie die Aggressoren vordringen, der Krieg ist perverse, redundante Monotonie." Trojanow kritisiert neben der aktuellen, kriegerischen Rhetorik auch gesellschaftliches Versagen in Friedenszeiten: "Unter der Schläfe des Friedens pocht der kriegerische Puls. Was haben wir denn aus den Katastrophen des 20. Jahrhunderts gelernt, wenn nicht dies: Nationalismus führt zu Krieg. Nur eine Frage der Zeit."

Als politisch, als kontrovers, schonungslos und kritisch war sie angekündigt worden, die Rede von Ilija Trojanow am Dienstag in Salzburg. Manch einer hat sogar im Vorfeld gemunkelt: Danach könnte er womöglich Persona non grata in Salzburg sein. Das ist nicht passiert nach dieser differenzierten Rede über den Ton des Krieges und die Tonarten des Friedens, die Vieltönigkeit der Kunst. NDR Kultur hat mit Ilija Trojanow gesprochen.

Im Saal gab es für Ihre Rede viel Beifall. Welche Reaktionen haben Sie denn darüber hinaus bekommen, durchweg positive?

Ilija Trojanow: Meist wird man nur von Menschen angesprochen, die einen loben wollen. Das ist ja das Interessante, in der Anonymität wird gescholten und von Angesicht zu Angesicht wird gelobt.

Hätten Sie sich gewünscht, dass es in der öffentlichen Diskussion vielleicht noch ein bisschen mehr Polarisierung gibt?

Trojanow: Nein, wir haben im Moment zu viel Polarisierung, gerade beim Thema Krieg. Deswegen habe ich mir für die Rede auch viel Zeit genommen. Da fehlen die Zwischentöne fast gänzlich und wenn man eine andere Position hat, so wie ich, höre ich fast ständig diffamierend, gehässige Sachen. Insofern ist die Polarisierung Genugtuung.

Gucken wir erst mal auf einen zentralen relativ konkreten Punkt - Ihre Kritik am Sponsoring-System in der Kultur ganz allgemein. Glauben Sie, dass da gestern auch viele Entscheidungsträger in Deutschland zugehört haben und gesagt haben, womöglich auch kopfschüttelnd, der hatte einfach keine Ahnung, wir brauchen dieses Sponsoring?

Trojanow: Nein, im Gegenteil, ich glaube, dass sehr aufmerksam beobachtet wird, was die Salzburger Festspiele gemacht haben. Sie haben eine unabhängige Untersuchung in Auftrag gegeben und diese hat alle Kritikpunkte an dieses Unternehmen bestätigt und man hat sich getrennt. Ich glaube, dass das auch eine Art Vorbild sein könnte, dass man zukünftig nicht mehr blind irgendeinem Sponsor vertrauen kann, sondern wirklich prüfen muss, ob dieser Sponsor in besonderem Maße Menschen- und Naturrechte verletzt. Darüberhinaus habe ich auch die grundsätzliche Frage gestellt: Können wir Kultur, die uns erhellt und zum Nachdenken bringt, durch etwas finanzieren, was uns zerstört? Zum Beispiel Extraktionswirtschaft, das ist diese grausige Ausbeutung an Mensch und Natur.

Sie sagen seit Kriegsbeginn sprechen wir alle die Sprache des Krieges. Hat Sie das denn überrascht, wie schnell man da tatsächlich in dieser Kriegs-Rhetorik war und dass Begriffe, wie die 'Panzerhaubitze 2000' plötzlich ganz selbstverständlich ein Teil unserer Sprache ist?

Trojanow: Es hat mich nicht überrascht, weil ich mich an 9/11 errinnert habe. Denn nach den grausamen Angriffen in New York war es ähnlich und das habe ich damals schon miterlebt. Da waren auch sehr viele Denkverbote und die Sprache wird dann auch gewalttätig. Es gibt bestimmte Begriffe, die sich auf einmal einnisten und es gibt eine Militär-technische Pseudo-Kompetenz, mit der ich persönlich sehr viele Probleme habe. Leute, die gestern gar nicht wussten, was eine Rakete ist und jetzt auf dem schnellsten Weg Hobbygeneräle sind. Ich glaube, dass Kunst und Kultur die Aufgabe haben, eine andere Perspektive einzunehmen, zum Beispiel auch zu fragen: Was sind Mechanismen und Strategien, damit wir längerfristig den Frieden in unseren Köpfen, also auch in unseren Gesellschaften verankern.

Sie haben gesagt, desertieren wir aus der Eintönigkeit des Krieges in die Vieltönigkeit der Kunst. Es ist aber nicht als Flucht in die Kunst gemeint. Was konkret sollte jeder einzelne von uns also tun?

Trojanow: Ich glaube, und darüber könnte man sich natürlich streiten, dass Kultur und Kunst kein Luxus sind. Ich glaube, es ist das, was uns als Menschen ausmacht. Deswegen ist es naheliegend, wenn wir uns als Menschen und auch als Gesellschaft verbessern wollen und wir auch die künstlerischen Mittel, wie die des Erzählens, Schaffens, Schöpfens, Vordenkens, Visionären, Utopischen - all das müssen wir nutzen, weil wir aus der Geschichte wissen, dass Vieles, was für uns heute selbstverständlich ist, zuerst in künstlerischen Werten angedacht wurde, weil es dort die freien Räume der Imagination gibt. Es gibt einen Rückzugsort, bei dem man nicht an herrschendes Denken gefesselt ist und an die ökonomischen Notwendigkeiten des Alltags. Insofern bin ich davon überzeugt, dass wir die Kunst brauchen, um uns auf einen anderen Horizont auszurichten.

Jetzt könnte man aber sagen, davon haben die Menschen in der Ukraine, die heute leiden, nicht wirklich was. Wie kann denn das Ganze dorthin gespiegelt werden?

Trojanow: Die haben jetzt nichts davon, dass wir hier sitzen und irgendwelche simplen Sprüche von uns geben und irgendeinen russischen Künstler nicht auftreten lassen. Wenn wir tatsächlich in den Mittelpunkt stellen, was die Menschen in der Ukraine davon haben, dann brauchen wir am ehesten Strategien, um diesen Krieg zu beenden. Denn am wenigstens haben die Ukrainer was davon, wenn es jahrelang das geben sollte, was leider viele Militärexperten, vor allem in den USA, vorhersehen, nämlich einen langwierigen Konflikt. Die Menschen haben natürlich überall etwas davon, wenn man sich grundsätzliche Gedanken macht und tatsächlich in die Tat umsetzt, wie wir unsere Welt und unsere Gesellschaft friedensfester machen können. Es ist typisch für einen Konflikt, wie auch für jedes Problem, dass man dann auf einmal meint, man habe keine anderen Optionen. Auf einmal haben wir jetzt keine Optionen mehr, etwas gegen den Klimawandel zu tun, weil wir uns jetzt erst einmal wehren müssen. Das ist genau das Fatale und dadurch wird das grundsätzliche Problem, die strukturelle Gewalt, größer. Wir müssen zu jedem Zeitpunkt darauf beharren, dass es grundsätzliche Lösungen gibt und unsere Aufgabe als Intellektuelle ist es, darüber nachzudenken.

Das Gespräch führte Jan Wiedemann.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Journal | 27.07.2022 | 08:15 Uhr

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