"Ebenbild": Auf Spurensuche eines Kirchenliedes
Der Oboist Juri Vallentin hat sich zusammen mit dem Trio d'Iroise auf eine Spurensuche rund um das alte Kirchenlied "O Haupt voll Blut und Wunden" begeben. Herausgekommen ist das Album "Ebenbild".
Ein ursprünglich weltliches Liebeslied macht dieses Album zu einem intimen Theaterstück. In seiner emotionalen Unmittelbarkeit packt es die Menschen schon seit Jahrhunderten. Die Schauspielerin Caroline Junghanns liest das aufwühlende Gedicht, das der Melodie des berühmten Passionsliedes "O Haupt voll Blut und Wunden" zugrunde liegt.
Mein Gmüth ist mir verwirret
das macht ein Jungfrau zart
bin ganz und gar verirret
mein herz das kränckt sich hart
hab tag und nacht kein Ruh
führ allzeit grosse klag
thu stets seuffzten und weinen
in trauren schier verzag.
Textzeilen aus "O Haupt voll Blut und Wunden"
Musik und Text scheinen im engen Zusammenspiel förmlich aufeinander zu reagieren. Oboist Juri Vallentin meint: "Es hat auch etwas sehr Theatralisches: Die Textstrophen und danach immer ein Stück, was sich darauf bezieht oder in einen anderen Kontext setzt. Wenn man das so am Stück hört, hat man schon das Gefühl, man folgt einem Spannungsbogen wie in einem Film oder Theaterstück." Und Geigerin Sophie Pantzier fügt an: "Es war auch unser Ziel, dieses uralte Liebesgedicht, um das es geht, möglichst umfassend zu interpretieren, also alle Gefühle musikalisch widerspiegeln zu können."
Melodie von Johann Gottlieb Janitsch
Juri Vallentin und das Trio d'Iroise mit Sophie Pantzier spielen sich durch Berge von Literatur, bis sie auf Johann Gottlieb Janitsch und sein Quartett über "O Haupt voll Blut und Wunden" stoßen, eine wunderbare Entdeckung dieses Komponisten zwischen Barock und Empfindsamkeit. Die Suche geht da aber erst so richtig los, erklärt Juri Vallentin: "Davon ausgehend hat sich die Idee entsponnen, mal zu schauen, wo erscheint diese Melodie noch, woher kommt sie, was kann man für Bezüge bauen. So hat sich Stück für Stück dieses Konzept entwickelt."
Variationen eines alten Kirchenliedes
Herausgekommen ist "Ebenbild", ein Album für Entdeckungsfreudige, denn das alte Kirchenlied inspiriert die Komponisten im Lauf der Jahrhunderte immer wieder neu. Es sind alles Originalwerke für Oboe und Streichtrio, verwoben in ein ausgefeiltes Programm mit Werken vom 16. bis ins 20. Jahrhundert. Das Quartett des französischen Oboisten und Komponisten Charles Bochsa haben die vier zum ersten Mal aufgenommen. Sie flanieren mit uns durch Paris, mal fast schwebend, dann wieder wie versunken in die Schönheit dieser Stadt.
Musik fühlbar machen
Zwischen den fünf Strophen des Gedichts und all den Entdeckungen kehren die vier immer wieder zurück zu Johann Sebastian Bach. Ihn hat die berühmte Melodie durchs Leben begleitet, er ist der Fixpunkt von "Ebenbild".
Die widerstreitenden Gefühle der liebenden Person, die im Gedicht zur Sprache kommen, geben die Richtung vor für die poetische wie überzeugende Dramaturgie, beschreibt Sophie Pantzier: "Diese Liebe ist so existentiell, dass es um alles geht, um Leben und Tod, alles wird durch diese Liebe entschieden. Wenn es darum geht, die angebetete Person zu preisen, dann hat es etwas wahnsinnig Schwärmerisches und Verliebtes, und wenn es am Ende darum geht, sich abgelehnt zu fühlen, dann geht es um die ganze Existenz. Diese Bandbreite lässt sich mit Worten nicht beschreiben, sondern eigentlich nur mit Musik fühlbar machen, das ist das ganz besondere Geschenk."
Ebenbild
- Label:
- PASCHENrecords
- Veröffentlichungsdatum:
- 23.2.2022
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Klassik
