Duplex Piano: Wiederentdeckung der Musikgeschichte

Stand: 27.03.2022 22:50 Uhr

Das Duplex Coupler Grand Piano - ein Flügel mit zwei Manualen - von dem Komponisten Emánuel Moór ist eine echte Wiederentdeckung der Musikgeschichte. Jetzt soll es endlich wieder mit Konzerten gefeiert werden.

von Ralf Dörwang

Ein Klavier mit zwei Tastenreihen, also zwei Manualen: Diese virtuose Erfindung war vor 100 Jahren eine Weltsensation. Erfunden hat es der Komponist Emánuel Moór aus Ungarn. "Emánuel Moór hatte die Vision, das Klavier der Zukunft zu konstruieren - nicht weniger als das", sagt der Musiker David Stromberg. "Er sprach Klavierfirmen an. Die fanden das wohl alle interessant, aber keiner wollte. Er hat dann zwei Tischler beauftragt, mit denen er ein Klavier zersägt und selber einen Prototypen gebaut hat." Der Cellist David Stromberg will das vergessene Duplex Piano von Emánuel Moór und seine Kompositionen der Spätromantik wieder hörbar machen.

Eins der letzten noch spielbaren Exemplare im MKG Hamburg

Florian Uhlig sitzt vor einem der letzten noch spielbaren Exemplare. Das Besondere daran? "Man sieht es schon: Ganz offensichtlich hat das Instrument zwei Manuale. Das obere ist ein kleines bisschen kürzer, geht also nicht bis ganz nach oben. Das hängt auch damit zusammen, dass das obere Manual eine Oktave höher erklingt als das untere", erzählt der Pianist. "Ich habe mit Hilfe eines Kopplungspedals die Möglichkeit, das obere Manual ähnlich wie bei einer Orgel auf das untere Manual zu koppeln. Dadurch bekomme ich zwei Manuale gleichzeitig gespielt."

Das Duplex Piano im Konzert

Der Hamburger Cellist David Stromberg holt das vergessene Instrument zurück ins Konzertleben. Zusammen mit dem Pianisten Florian Uhlig ist er an folgenden Daten zu hören:
Museum für Kunst und Gewerbe: 30. März um 19.30 Uhr, 24. April um 11 Uhr, 25. Mai um 19.30 Uhr
Elbphilharmonie: 28. September um 19.30 Uhr

Beim Koppeln mischt der Pianist die Klaviersaiten des oberen und unteren Manuals zusammen. Der Effekt: mehr Klangvielfalt. "Wenn ich nicht kopple, klingt es wie das Original, wie es der Komponist geschrieben hat", sagt Uhlig. "Betätige ich aber die Koppel, klingt der Klang sehr viel reichhaltiger, bis zu der Wahrnehmung, dass statt einem Pianisten tatsächlich fast zwei an einem Instrument sitzen. Das macht also tatsächlich den Eindruck, als spielten zwei Leute vierhändig."

Emánuel Moórs Duplex Piano in den großen Konzerthäusern der Welt

Nicht für jedes Ohr wahrnehmbar, aber Musikkritiker und Presse damals nennen Moórs Duplex Piano eine "ideale Erfindung". "Liszt hätte sich gefreut, dieses Doppelklavier gekannt zu haben", schreibt ein anderer. Und man fragte sich sogar, ob "Pianisten jetzt umlernen" sollten.

Mit seiner zweiten Frau, der Pianistin Winifred Christie, präsentiert Emánuel Moór sein Klavier und seine Musik in den großen Konzerthäusern der Welt. "Sie war die Botschafterin für diesen Flügel", erklärt Stromberg. "Und sie hat Emánuel inspiriert, immer besser zu werden. Emánuel Moór muss ein begnadeter Konstrukteur gewesen sein - er hat sich diese Mechanik selbst ausgedacht."

Entwicklung ausgebremst durch Zweiten Weltkrieg

Moór stirbt 1931. Und mit dem sich anbahnenden Zweiten Weltkrieg bricht die Entwicklung des Instruments ab. "Moór war Jude - das hat die ganze Entwicklung ausgebremst", sagt Stromberg. "Für einen Pianisten ist es eine Herausforderung, dieses Instrument zu spielen. Man muss dafür brennen, es zu seiner eigenen Aufgabe machen. Das tut nicht jeder. Man muss also Pionier sein."

Aber es gibt auch technische Gründe, warum sich das Doppelklavier am Ende doch nicht durchgesetzt hat: "Es ist spieltechnisch eine deutliche Erschwernis. Man braucht eine ganze Menge Muskelkraft gepaart mit Umsicht und Fingerspitzengefühl im wahrsten Sinne des Wortes", erklärt Uhlig. "Ich könnte mir vorstellen, dass das vielen Kolleginnen und Kollegen der damaligen Zeit vielleicht etwas zu mühsam war. Und womöglich sind diese Instrumente auch anfällig für Störungen."

Emánuel Moór und sein Duplex Piano: eine echte Wiederentdeckung der Musikgeschichte. Jetzt soll es endlich wieder mit Konzerten - zunächst im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg und in der Elbphilharmonie - gefeiert werden.

Weitere Informationen
Orgelbauer Vincent Paffen baut mehrere Orgelpfeifen der historischen Gloger-Orgel in der St. Severi-Kirche in Otterndorf aus. Die größte Barockorgel im Elbe-Weser-Gebiet wird abgebaut und soll für 1,8 Millionen Euro restauriert werden. © dpa-Bildfunk Foto: Hauke-Christian Dittrich

Otterndorfer Orgel wird für 1,8 Millionen Euro saniert

Im ostfriesischen Leer wird das 300 Jahre alte Instrument bis Herbst 2023 in seine Einzelteile zerlegt und aufgearbeitet. mehr

Blick aufs Museum für Kunst und Gewerbe. © NDR Foto: Ralf Meinders

Kulturpartner: Museum für Kunst und Gewerbe

Das Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg (MK&G) ist eines der wichtigsten Häuser für Gestaltung in Deutschland. extern

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | NDR Kultur - Das Journal | 21.03.2022 | 22:45 Uhr

Mehr Kultur

Ein Buch liegt aufgeschlagen auf einem Sessel, der auf einer Wiese steht. © Fotolia Foto: liabella13

Verlage nur für Lyrik: Mit Gedichten erfolgreich?

Lyrikbände landen selten auf den Bestsellertischen. Einige Verlage, wie "kookbooks" von Daniela Seel, setzen dennoch auf Gedichte. mehr