CD der Woche: Sinfonien der Afroamerikanerin Florence Price
Yannick Nézet-Séguin und das Philadelphia Orchestra widmen sich auf ihrer neuen CD den Sinfonien der Afroamerikanerin Florence Price, die das Philadelphia Orchestra nach und nach einspielen wird.
Talent, das hatte sie - doch niemand wollte das afroamerikanische Mädchen unterrichten. Und so lernte Florence Price ihr musikalisches Rüstzeug bei ihrer Mutter, zusammen mit ihren zwei Schwestern. Der Vater war Zahnarzt, die Prices gehörten also durchaus zu den Bessergestellten unter den Afroamerikanern. Aber die Zeiten waren anders als heute, und als Frau konnte man sich ohnehin schwer Gehör verschaffen - das war Florence Price bewusst. 1933 schreibt sie an den Dirigenten des Boston Symphony Orchestra: "Mein lieber Dr. Kussewitzky, gleich vorweg, ich habe zwei Handicaps: mein Geschlecht und meine Rasse - ich bin eine Frau und in meinen Adern fließt schwarzes Blut."
Kussewitzky ignorierte sie, die afroamerikanische Komponistin, die am Bostoner New England Conservatory Orgel, Klavier und Musiktheorie studierte, sich aber auf Anraten ihrer Mutter als Mexikanerin ausgab. Doch ihre große Gabe war es, ihre Wurzeln - die unverkennbaren Rhythmen, den Optimismus und die Lebensfreude - in Musik widerzuspiegeln, und das innerhalb einer klassischen sinfonischen Form.
Musik, von der eine große Kraft ausgeht
In beiden Sinfonien, in der ersten und der dritten, die auf dieser neuen Aufnahme zu hören sind, schreibt Price anstelle des Scherzos einen Tanzsatz, der mit "Juba", einem aus Westafrika stammenden Tanz, überschrieben ist und der an das Trommeln und Klatschen dunkelhäutiger Plantagenarbeiter erinnert.
Mit folkloristischen Elementen, die raffiniert in eine orchestrale Klangsprache eingebettet sind, die deutlich von Dvořák inspiriert ist, gelingt Florence Price etwas Eigenes. Musik, von der eine große Kraft ausgeht, aber auch etwas Wehmütiges. "Durch folkloristische Melodien über Akkorden, die entweder in Kirchentonarten stehen oder in Richtung Jazz weisen (…) entsteht etwas durch und durch Amerikanisches", schreibt Yannick Nézet-Séguin im Booklet. Er und das Philadelphia Orchestra bringen mit Leichtigkeit und Ernst diese Musik zum Leuchten, mit der nötigen Mischung aus Präzision und Lässigkeit und mit Verve.
Ein Album auf höchstem Niveau
Mit "Fire Shut Up in My Bones", der ersten afroamerikanischen Opernpremiere an der New Yorker MET, hat Yannick Nézet-Séguin schon vor einigen Monaten ein Statement gesetzt. Er ist auch nicht der erste, der sich der Sinfonien von Florence Price annimmt. John Jeter hat mit seinem Orchester, dem Fort Smith Symphony Orchestra, vor einiger Zeit da bereits Pionierarbeit geleistet. Aber Nézet-Séguin und das seit langem auf ihn eingegroovte Philadelphia Orchestra präsentieren diese Werke auf höchstem Niveau. Großartig - sowohl die Musik als auch die Darbietung!
Florence Price: Symphonies 1 & 3
- Label:
- Deutsche Grammophon
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Klassik
