Europapreis: "Emily O'Reilly versucht, Europa besser zu machen"
Die EU-Bürgerbeauftragte Emily O'Reilly wird mit dem Europapreis der Europa Universität Flensburg ausgezeichnet. Der Autor, Jurist und Journalist Heribert Prantl hat die Laudatio gehalten.
Herr Prantl, in Ihrer Kolumne in der "Süddeutschen" haben Sie geradezu hymnisch geschwärmt von der heute Ausgezeichneten. Was beeindruckt Sie so besonders an Emily O'Reilly? Warum sollten wir uns diesen Namen unbedingt merken?
Heribert Prantl: Sie ist eine wirklich unerschrockene Frau. Mich erinnert sie an das schöne Märchen der Gebrüder Grimm: "Von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen". In ihrem Fall müsste man natürlich sagen: "Von einer, die auszog, das Fürchten zu lernen". Sie ist diejenige, die sich um Europa kümmert, eine Europa-Pflegerin, bei der alle Sorgen, alle Klagen, die es über Europa gibt, einlaufen. Dafür hat sie einen relativ kleinen Stab, aber trotzdem gelingt es ihr, sich in der europäischen Bürokratie Gehör zu verschaffen, auch deswegen, weil sie unerschrocken vorgeht. Da ist sie ziemlich laut und ziemlich fair.
Was sind ihre Waffen in diesem Kampf?
Prantl: Die Waffen sind die Öffentlichkeit und die Unnachgiebigkeit. Beispielsweise legte sie sich mit Mario Draghi an, mit José Manuel Barroso, mit Jean-Claude Juncker. Im Fall Barroso hat sie den Wechsel des ehemaligen Kommissionspräsidenten zu Goldman Sachs überprüft, mit dem unterstützenswerten Ziel, die Kommission solle ihn verpflichten, eine bestimmte Anzahl von Jahren keine Lobbyarbeit zu betreiben. O'Reilly hält zurecht die Lobbyregeln der EU für viel zu lasch und prangert das an. Im Fall Draghi war ihr daran gelegen, dass der damalige Präsident der Europäischen Zentralbank aus dem G30-Finanzforum austritt. In diesem privaten Finanzforum sitzen die großen Finanzmanager der Welt, und es ging um die klare Trennung zwischen der EZB als Bankenaufsicht und der Finanzindustrie. Sie konnte sich leider nicht durchsetzen, aber die Sturheit von Draghi war dumm und hat der Reputation der EZB geschadet.
In Emily O'Reilly ist jemand da, der die Dinge, die in der EU schlecht laufen, anprangert, sie an die große Glocke hängt, und der versucht, durch ständige Mahnung Dinge zu korrigieren. Ich denke, dass die Proteste nicht wirkungslos sind. Sie sind bewusstseinsbildend, und sie sind eine Mahnung und eine Warnung für die Zukunft. Hoffentlich können sie Europa besser machen, denn Europa braucht diese Besserung. Jemand wir Emily O'Reilly versucht, Europa besser zu machen.
Sie bezeichnen Europa als ein "verwundetes Weltwunder". Was könnte so wundervoll an Europa sein, wenn die Wunden geheilt würden?
Prantl: Es ist eine Schicksalsgemeinschaft, eine Friedensgemeinschaft. Europa hat die welthistorische Chance zu zeigen, dass ehemalige Feinde - und in Europa war im Laufe der letzten Jahrhunderte jeder mit jedem verfeindet - sich zusammenfinden können und gemeinsam ein gutes, demokratisches, soziales und hoffentlich auch friedliches Projekt miteinander durchzuziehen. Da gibt es momentan unendlich viele Schwierigkeiten, aber das Projekt als solches ist tatsächlich ein Weltwunder. Und diese demokratische Versammlung der Europäerinnen und Europäer im Europäischen Parlament hat es noch nie gegeben. Dieses Parlament hat immer noch zu wenig Macht, es gewinnt aber ständig an Macht und ist vielleicht eines Tages wirklich ein echtes gesetzgebendes Europäisches Parlament. Diese Art von Parlament, das souveräne Nationen sich zusammentun und ein Parlament mit Abgeordneten beschicken, gibt es sonst nirgendwo auf der Welt. Und wenn es funktioniert, dann könnte es auch ein weltweites Vorbild sein - das hoffe ich. Das ist der Grund, warum ich Europa nicht nur verteidigte, sondern Europa liebe.
Das Gespräch führte Alexandra Friedrich
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