"Das Echo der Sommer": Eine poetische Erzählung über die Sámen
Die schwedisch-sámische Autorin Elin Anna Labba hat bereits ein Sachbuch über Zwangsumsiedlungen der Sámen veröffentlicht, der Ureinwohner Skandinaviens. Jetzt erzählt sie die Geschichte als Roman.
Es ist ein sehr poetisches Buch, ganz aus der Perspektive von Frauen erzählt: Drei Generationen, die sich erinnern. Die Dörfer an den Quellseen des Stora Luleälvs wurden mehrfach überflutet. Die Sámen, deren Heimat hier ist, wurden weder gefragt noch entschädigt. Im Winter ziehen sie in ein Dorf, und in jedem Frühjahr machen sie sich mit ihren Tieren auf den Weg zum Sommerland. Aber dort ist ihr Zuhause von der Wasserkraftproduktion für die reichen Städte, die im Süden des Landes liegen, verschluckt worden. Ravdna, ihre Schwester Anne und die Tochter Ingá nehmen wahr, was passiert ist:
Der See stand in ihrem Zuhause. Die leuchtend blaue Tür war offen, und die Farbe der einzelnen Latten spiegelte sich im Wasser. Bewegte sich etwas? Sie reckte den Hals. Kein Wind ging, und in der Mitternachtssonne glänzte der See wie Butter. Oder wie Tran. Alles schien miteinander verschmolzen: der See und das Fjäll und das Dorf, und am Ufer, das bald kein Ufer mehr sein würde, stand Ingá. Sie versuchte etwas zu sagen, konnte aber nicht. Vielleicht hatte der See auch die Sprache verschluckt. Es fühlte sich an, als schwömmen die Wörter irgendwo unter der Oberfläche und streckten die Hände nach ihr aus. Leseprobe
Rávdnás Widerstand gegen den mächtigen Staat
Ingás Mutter Rávdná will das nicht länger einfach hinnehmen. Sie versucht alles Mögliche, um gegen dieses Unrecht des schwedischen Staates zu protestieren. Damals ist es Sámen verboten, feste Häuser zu bauen, darum bekommt sie keinen Kredit. Sie baut heimlich ein Haus und schickt einen Brief an die Zeitung, um den Skandal öffentlich zu machen. Ein Reporter kommt mit einem Fotografen zu den Baracken, in denen sie hausen. Sie machen Bilder auch von anderen Menschen im Dorf. In der Zeitung wirken diese Bilddokumente armselig und erbärmlich. Die anderen Dorfbewohner fühlen sich bloßgestellt, und der Journalist versäumt es nicht, bedauernd festzustellen, dass die Sámen nicht mehr als Nomaden leben, sondern Häuser bauen wollen. Ravdna ist fast ganz auf sich gestellt bei ihrem Kampf um bessere Zustände, ohne das Erbe ihrer Vorfahren preiszugeben, auf das im Text immer wieder angespielt wird.
Schweren Wellengang habe ich bekommen und große Herden gebildet. Ich bin reich geworden und habe viele Kinder. Berghühner und weiße Rentiere. Sommersterne mit festen Geweihen. Leseprobe
Ravdna wird nicht erleben, dass ihr Kampf für die Rechte der Sámen erfolgreich ist. Aber vieles hat sich tatsächlich verbessert. Allerdings sind die Sorgen seitdem andere geworden...
"Das Echo der Sommer": Authentische Geschichte
Elin Anna Labba erzählt von klarer, reiner Liebe zur Natur, und im Text tauchen etliche sámische Begriffe auf, die ihre Geschichte authentisch wirken lassen. Allerdings stellen sich beim Lesen immer wieder kleine Hürden dar, zumal ein Glossar, in dem sie erklärt werden, gänzlich fehlt. Leserinnen und Leser müssen sich etwas Mühe geben mit diesem Text, aber das scheint durchaus angemessen.
Das Echo der Sommer
- Seitenzahl:
- 464 Seiten
- Genre:
- Roman
- Zusatzinfo:
- Aus dem Schwedischen von Hanna Granz
- Verlag:
- S. Fischer
- Bestellnummer:
- 978-3-10-397677-9
- Preis:
- 24 €
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Romane
