Die "AIDA" startet am 7. Juni 1996 zur Jungfernfahrt. © picture-alliance / dpa Foto: Bernd Wüstneck

Kussmund auf See: Die Geschichte von AIDA Cruises

Stand: 11.04.2022 14:50 Uhr

Der Start für AIDA Cruises ist 1996 zunächst etwas holprig, doch in den 2000er-Jahren beginnt der Kreuzfahrt-Boom. Das gibt dem Rostocker Unternehmen ordentlich Schub - bis Corona 2020 zur Vollbremsung zwingt.

von Daniel Sprenger

Es ist damals das größte deutsche Passagierschiff, bietet über 1.300 Gästen und 350 Besatzungsmitgliedern Platz und hat 300 Millionen D-Mark gekostet: Die Taufe der "AIDA" ist dementsprechend ein Ereignis und erfolgt am 7. Juni 1996 mit prominenter Unterstützung. Christiane Herzog, die Frau des damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog, lässt am Bug des Schiffes die obligatorische Champagnerflasche zerschellen. Dort strahlt in bunten Farben der Kussmund des Grafikers Feliks Büttner, der zum Markenzeichen der Firma wird. Damit wird an diesem sonnigen Freitag in Rostock der Grundstock gelegt für eine neue Form des Kreuzfahrt-Tourismus in Deutschland, ins Leben gerufen von der Deutschen Seereederei (DSR) mit Sitz in Rostock.

NDR Team geht auf erster Fahrt mit an Bord

Die Jungfernfahrt führt das Schiff später nach Palma de Mallorca, den künftigen Sommerhafen der "AIDA". Von dort aus bereist sie in Sieben-Tage-Törns das westliche Mittelmeer. Die Doppelkabine kostet 5.500 D-Mark.

Doch zunächst fährt die "AIDA" von Rostock nach Kiel, wo am 8. Juni 1996 auch das Schleswig-Holstein Magazin an Bord geht. Das NDR Team sieht sich auf dem Schiff um und lässt sich das auf dem deutschen Kreuzfahrt-Markt völlig neue Konzept erklären, vom Geschäftsführer der Deutschen Seereederei, Johann-Friedrich Engel:

"All das, was mit den Kreuzfahrt-Traditionen verbunden ist, haben wir als erstes über Bord geworfen: Kleider-Etiquette, Trinkgeld-Zwang, feste Sitzordnungen in den Restaurants. All das gibt es bei uns nicht. Wir haben unseren eigenen Stil: locker, sportlich, elegant."

"Das Clubschiff": Club-Konzept auf hohe See übertragen

Engel war vorher Chef der Robinson-Clubs, das Konzept überträgt er im Wesentlichen vom Land auf See: "AIDA" wird in den ersten Jahren als "Das Clubschiff" vermarktet. Freizeitangebote auf den Decks, Kinderbetreuung und Restaurants, die fast rund um die Uhr geöffnet sind, brechen mit der Tradition der in Deutschland als gediegen geltenden Kreuzfahrt, wie sie vielen aus der ZDF-Serie "Das Traumschiff" bekannt ist.

Zum Start beschreibt Engel den typischen "AIDA"-Passagier so: "Der Lifestyle-orientierte, moderne, dynamische, weltoffene, an Aktivitäten und fernen Ländern interessierte Gast." Das sei eine Frage der Einstellung, nicht des Alters.

"AIDA" zunächst unter deutscher Flagge unterwegs

Die "AIDA" fährt zunächst als deutsches Schiff unter deutscher Flagge mit deutschen Seeleuten. Die DSR hatte in der DDR mit Schiffen wie der "Arkona" Seereisen angeboten, nach der Wende wird das Unternehmen privatisiert und von den Hamburger Investoren Horst Rahe und Nikolaus Schües gekauft. "Doch vor dem Hintergrund des knallharten Wettbewerbs fürchten Skeptiker schon jetzt den Flaggen-Wechsel", heißt es bereits zum Start im Schleswig-Holstein Magazin. Und dieser Flaggen-Wechsel kommt auch - aus finanziellen Gründen.

Angesichts des angestrebten Image-Wandels der Kreuzfahrt und der offensiven Werbung für "Das Clubschiff" versucht DSR-Geschäftsführer Nikolaus Schües zum Start, die Zweifel am Geschäftskonzept zu zerstreuen: "Die Häme in der Kritik wird abgelöst von unglaublicher Begeisterung. Wir haben heute schon über 10.000 Buchungen", sagt er im Juni 1996 dem Hamburg Journal. "Unser Ziel waren 14.000 Buchungen, wir werden über 20.000 Buchungen im ersten Jahr haben."

"AIDA" fährt zum Start Verluste ein

Doch diese guten Buchungszahlen können nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Schiff Verluste einfährt. Um die Liquidität der Firma zu sichern, suchen Rahe und Schües nach einer Kooperationsmöglichkeit - und finden sie beim Wettbewerber Norwegian Cruise Line. Die Skandinavier übernehmen die "AIDA" für 324 Millionen D-Mark - und verchartern sie direkt wieder an das DSR-Tochterunternehmen Deutsche Seetouristik, die ab 1998 Arkona Touristik heißt.

Das Aida Gebäude am Stadthafen in Rostock spiegelt sich im Wasser. © NDR Foto: Regina Fielitz aus Rostock
Der Hauptsitz von AIDA Cruises ist weiterhin in Deutschland - am Stadthafen in Rostock. Die Schiffe der Reederei fahren aber längst nicht mehr unter deutscher Flagge.

1999 wird das Kreuzfahrt-Geschäft auf die britische Reederei P&O übertragen, Arkona Touristik bleibt an dem Joint Venture AIDA Cruises aber finanziell beteiligt. Dieser Name hat über die weiteren Jahrzehnte Bestand, die Eigentumsverhältnisse wandeln sich jedoch mehrmals: 2003 fusionieren P&O und die US-amerikanische Carnival Corporation zum weltgrößten Kreuzfahrt-Anbieter. AIDA Cruises wechselt im Jahr darauf vom britischen zum italienischen Tochterunternehmen. Als Teil von Costa Crociere in Genua liegt der deutsche Hauptsitz bis heute in Rostock am Stadthafen.

Kreuzfahrt-Boom: Jedes Jahr ein neues Schiff

Die Firma investiert zwischen 2007 und 2013 mehr als zwei Milliarden Euro in den Flotten-Ausbau. Sieben Schiffe werden während dieser Zeit auf der Meyer Werft in Papenburg gebaut. Die Nischen-Branche der Kreuzfahrt ist mittlerweile zu einem bedeutenden Faktor im deutschen Tourismus geworden. Kreuzfahrt-Häfen in Norddeutschland wie Hamburg, Warnemünde und Kiel investieren in immer größere Abfertigungsgebäude und vermelden jährlich neue Rekorde.

Zwei Neubauten, die "AIDAprima" und "AIDAperla", werden 2016 und 2017 von Mitsubishi Heavy Industries in Nagasaki gefertigt. Bei der Ablieferung der "AIDAprima" kommt es allerdings wiederholt zu Verzögerungen, sogar Reisen müssen deshalb abgesagt werden.

Umweltschützer sehen Kreuzfahrt kritisch

Die AIDAnova bei der Taufe in Papenburg © Franziska Krug Foto: Franziska Krug
Die "AIDAnova" wird vom NABU 2019 als sauberstes Kreuzfahrtschiff ausgezeichnet, weil es mit Flüssiggas betrieben wird. Dennoch sehen die Umweltschützer viel Nachholbedarf in der Branche.

2018 wird die wieder auf der Meyer Werft gebaute "AIDAnova" in Dienst gestellt. Sie verfügt über 6.600 Betten und damit mehr als sechs Mal so viel wie die erste "AIDA" 1996. Trotzdem führt sie in ihrem ersten Jahr das Kreuzfahrt-Ranking des NABU an. Die Umweltschützer untersuchen die Umweltbelastung durch die schwimmenden Hotels. Die "AIDAnova" liegt 2018 vorne, weil sie weder Schweröl noch Marinediesel einsetzt, sondern Flüssiggas, das als derzeit umweltfreundlichster Treibstoff auf dem Markt gilt. Dadurch wird der Ausstoß von Feinstaub und Schwefeloxiden nach Reederei-Angaben nahezu vollständig vermieden. Dies sei eine Innovation der Kreuzfahrt-Branche und es sei fair, dies auch anzuerkennen, betont damals Daniel Rieger, Leiter Verkehrspolitik beim NABU. In der Seeschifffahrt sei das ansonsten Mangelware.

Gleichwohl kritisiert der NABU, dass ältere Schiffe kaum umgerüstet würden. Außerdem steige die Zahl der Schiffe durch den Boom der Branche insgesamt an - das erhöhe wiederum zunehmend die Belastung fürs Klima.

AIDA Cruises setzt auf Flüssiggas und Landstrom

Ein Mann arbeiten an einer Landstromanlage, die das Kreuzfahrtschiff "AIDAsol" in Hamburg versorgt. © picture alliance / Christian Charisius/dpa Foto: Christian Charisius
Mit Landstrom hoffen Reedereien wie AIDA Cruises auf eine deutliche Verbesserung ihrer Klimabilanz.

Auf dem Weg zur emissionsneutralen Kreuzfahrt leiste das Unternehmen "seit vielen Jahren in den verschiedensten Bereichen Pionierarbeit", sagt AIDA-Cruises-Sprecher Hansjörg Kunze damals. Bis Ende 2023 würden 94 Prozent aller Fahrgäste des Unternehmens auf Schiffen reisen, die komplett mit Flüssiggas oder, wo möglich, im Hafen mit grünem Landstrom betrieben werden können. Auch auf dem Feld der CO2-freien Gewinnung von Flüssiggas sei AIDA Cruises aktiv.

"AIDAcosma" als 15. Kreuzliner bei der Meyer Werft in Bau

Im Oktober 2019 wird auf der Neptun Werft in Warnemünde das 15. Kreuzfahrtschiff der Reederei auf Kiel gelegt. Es soll "AIDAcosma" heißen und wie die "AIDAnova" nur mit Flüssigerdgas betrieben werden. Auf der Meyer Werft wird das 337 Meter lange Schiff mit Platz für bis zu 6.600 Passagiere fertiggestellt.

Die Flotte von AIDA Cruises

Notkredit und Landesbürgschaft in der Corona-Krise

Doch plötzlich herrscht bei AIDA Cruises im März 2020 von heute auf morgen Stillstand - die Corona-Pandemie zwingt die Kreuzfahrtreederei, sämtliche Reisen bis auf Weiteres abzusagen. 14 Schiffe mit 31.888 Betten liegen an der Kaikante, statt auf See Unterhaltung zu bieten. 15.600 Mitarbeiter aus 60 Ländern, davon 1.500 an Land, haben plötzlich nichts mehr zu tun. Die Kreuzfahrtindustrie wird durch die Pandemie so schwer getroffen wie kaum eine andere Branche. Die Reederei verhandelt mit dem Bund über einen Kredit über 400 Millionen Euro. Das Geld soll aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) des Bundes kommen, der Unternehmen stützt, die unter der Corona-Krise leiden. Das Land Mecklenburg-Vorpommern sagt ebenfalls Unterstützung zu - in Form einer Rückbürgschaft in Höhe von 26 Millionen Euro, damit AIDA Cruises vom WSF profitieren kann. Laut AIDA Cruises Sprecher Kunze habe sich das Unternehmen für das Vertrauen bedankt und werde zu gegebener Zeit entscheiden. "Eine Inanspruchnahme fand nicht statt", so Kunze.

Die Flotte sticht wieder in See

Derart abgesichert soll auch die Bestellung bei der Meyer Werft Bestand haben. Trotz der Corona-bedingten Probleme sieht AIDA Cruises davon ab, die beiden Neubauten zu stornieren. Die mit Flüssiggas angetriebene "AIDAcosma" ist im April 2022 bereits zu ihrer Taufreise aufgebrochen. Das Schwesterschiff soll 2023 in Dienst gestellt werden.

Und tatsächlich geht es nach 14 Monaten Corona-Zwangspause an den Pfingst-Tagen 2021 dann langsam wieder los mit den AIDA-Kreuzfahrten. Ein knappes Jahr später wird die Kreuzfahrt-Saison zwar wieder voll durchgeplant - wegen der Hygienerichtlinien werden die Kreuzfahrtriesen aber noch nicht wieder voll belegt.

Erstes Schiff als "Astoria Grande" weiter unterwegs

Die "AIDA", die 1996 von Christiane Herzog getauft wurde und die seit 2001 unter dem Namen "AIDAcara" über die Meere fuhr, gehört derweil nicht mehr zur AIDA-Flotte. Nach 25 Jahren hat sich die Reederei 2021 von dem Kreuzliner getrennt, um künftig auf umweltfreundlichere Modelle zu setzen. Verschrottet wird die ehemalige "AIDA" vorerst jedoch nicht - als "Astoria Grande" fährt sie nun unter der Flagge Panamas.

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Dieses Thema im Programm:

Nordmagazin | 25.02.2021 | 19:30 Uhr

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