Stand: 01.07.2019 10:23 Uhr

1914: Hamburg bekommt einen Park fürs Volk

von Kathrin Weber, NDR.de
Bewohner des Gängeviertels  in der Hamburger Neustadt um 1900. © Museum für Hamburgische Geschichte Foto: Paul Wutcke
Drangvolle Enge und katastrophale hygienische Verhältnisse. So lebten viele Hamburger um 1900.

"Bleibt Hamburg auf Dauer bewohnbar?" Diese Frage stellt sich Alfred Lichtwark 1897. Der Leiter der Kunsthalle ist überzeugt, dass nur die Schaffung eines großen Volksparks, wie er ihn in Stockholm kennengelernt hat, die Probleme der Stadt lösen kann. Denn für den Großteil der Bevölkerung ist das Leben in Hamburg damals alles andere als angenehm. Die Arbeiter und ihre Familien hausen in engen Vierteln ohne ausreichend Licht, Luft und sanitäre Einrichtungen. 1892 war in der Hansestadt erneut die Cholera ausgebrochen.

Ein Park für alle mit Spiel- und Sportstätten

Kein Landschaftspark zum Flanieren, sondern eine Grünfläche mit vielen Spiel- und Sportstätten - das schwebt dem sozial engagierten Lichtwark vor: "Wir brauchen einen Park, der bei jedem Wetter die ganze Bevölkerung dauernd anzieht und festhält, der eine reiche Quelle edler Lebensfreude bietet (...) und Leib und Seele gesund macht und gesund hält". Für seine Idee macht er sich in der Öffentlichkeit stark und findet Mitstreiter, darunter zwei Mitglieder des Senats. 1901 stellt der Senat in der Hamburgischen Bürgerschaft einen Antrag für weitere Landankäufe und die Anlage eines Stadtparks in Winterhude. Ein Jahr später kauft Hamburg von den Erben des Goldschmieds Adolph Sierich das Sierichsche Gehölz - ein Waldgebiet mit Forsthaus.

Die Flächen für den gewünschten Park sind damit vorhanden, wie genau er aber aussehen soll - darüber herrscht Uneinigkeit. Die Befürworter der neuen Volkspark-Idee stehen den Konservativen gegenüber, die einen Landschaftspark nach englischem Vorbild wünschen. Die Diskussion in Senat und Bürgerschaft dauert Jahre. Auch ein öffentlicher ausgeschriebener Wettbewerb bringt 1908 keine Entscheidung - die Jury kann sich nicht auf einen Sieger festlegen. Ein Jahr später beauftragt der Senat den Oberingenieur Ferdinand Sperber und den neuen Baudirektor Fritz Schumacher mit der Ausarbeitung eines Entwurfes.

Die beiden haben zwar ebenfalls unterschiedliche Vorstellungen - Schumacher ist glühender Verfechter der Volkspark-Idee und wünscht sich ein "Freiluft-Volkshaus" mit Räumen für alle -, können sich aber auf einen Kompromiss einigen, dem die Bürgerschaft im April 1910 zustimmt. 7,7 Millionen Mark werden für den Bau zur Verfügung gestellt, der noch im selben Jahr beginnt. Außerdem schafft die Stadt den neuen Bereich Gartenwesen, erster Gartendirektor wird der Landschaftsarchitekt Otto Linne.

Juli 1914 - Es ist so weit

Die Liebesinsel im Hamburger Stadtpark auf einer historischen Postkartenansicht © Hamburg Museum Foto: Postkarte, Fotografie R.F. Schmiedt
Wasser und Grün: Der Stadtparksee mit der Liebesinsel gehört zu den Besonderheiten des neuen Parks.

Vier Jahre später, am 1. Juli 1914, feiert Hamburg die Eröffnung des Stadtparks, der zwar noch nicht vollständig, aber in großen Teilen fertiggestellt ist. Tausende strömen bei kühlem Wetter auf das Gelände. Sie finden eine Anlage mit klaren räumlichen Strukturen vor: Von West nach Ost erstreckt sich eine Längsachse mit großer Festwiese und dem künstlich geschaffenen Stadtparksee, Bäume und Sträucher säumen die Wege. Anders als heute durchziehen zahlreiche breite gepflasterte oder asphaltierte Straßen den Park - dort finden in den folgenden Jahren auch Autorennen statt. Hinzu kommen gut acht Kilometer Reitwege.

Dieses Thema im Programm:

Hamburg Journal | 30.06.2019 | 19:30 Uhr

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